Hirnflimmern

Die amtliche Zentralschaffe: Was Freddy Quinn mit dem McDonald’s Royal TS gemeinsam hat


Endlich mal eine ME-Kolumne mit Freddy Quinn drin. Das finden Sie mega? Dann sind Sie hier richtig. Die Hirnflimmern-Kolumne von Josef Winkler aus der ME-Ausgabe 06/2023.

Haben Sie’s gehört? Freddy Quinn hat jetzt mit 91 Jahren geheiratet. Genau, DER Freddy Quinn, von dem Sie sich jetzt wahlweise fragen „Wer ist Freddy Quinn?“, „Ach, der lebt noch?“ oder „Wann kommt da eigentlich mal ne neue Scheibe?“ No offence, Freddy Quinn, falls Sie das lesen, bitte nicht missverstehen: Wir freuen uns hier alle, dass Sie noch leben, heiraten und ME lesen, ich bin nur fasziniert von die Zeitalter überspannenden Phänomenen wie z.B. einem 91-jährigen Popstar.

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Und ein solcher war bzw. ist Freddy Quinn, auch wenn er nicht mehr so aktiv ist wie der anderthalb Jahre jüngere Kollege Willie Nelson, der weiter tourt, jedes Jahr eine Platte rausbringt und sicher noch viel produktiver sein könnte, wenn er nicht immer so viel kiffen würde, dieser Schluff!

Einer der beliebtesten Hamburger neben Udo Lindenberg, Uwe Seeler und dem Royal TS

Die Frage, wann von Freddy Quinn mal wieder eine neue Platte kommt, ist 2023 also genauso berechtigt wie die, wer der Mann ist (man sollte da nichts mehr voraussetzen, ich habe letztens von einem Experiment gehört, da zeigte man jungen Leuten eine VHS-Cassette mit der Frage, was das sein könnte, und die häufigste Vermutung war: eine DVD?), hierzu nur kurz: Freddy Quinn, gebürtiger Österreicher und doch einer der beliebtesten Hamburger neben Udo Lindenberg, Uwe Seeler und dem Royal TS, war zu seiner großen Zeit in den 50ern/60ern der erfolgreichste deutschsprachige Sänger.

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Er war 4, als Elvis geboren wurde und 31, als das erste Beatles-Album erschien, auf dessen erste deutsche Ausgabe – hier muss ich kurz abschweifen, weil ich das kürzlich erst entdeckt habe – die Plattenfirma den fabulösen Satz gedruckt hatte: „Die zentrale Tanzschaffe der weltberühmten Vier aus Liverpool.“

Ein fetziger Namen ist wichtig, wenn’s eine richtige Zentralschaffe werden soll

Freddy Quinn war alt genug, für völlig verquer neumodischen Gaga-Jugendsprech zu halten, was wir heute als völlig verquer altmodischen Gaga-Jugendsprech identifizieren. Natürlich hieß er nicht von Geburt an Freddy Quinn, sondern Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl, aber ein fetziger Namen ist wichtig, wenn’s eine richtige Zentralschaffe werden soll. Hätte Elvis Presley solchen Erfolg gehabt mit einem Durchschnittsnamen wie John Smith, Paul Jones oder Michael Jackson? Hm.

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Apropos. Michael Jackson war ja der erste „Megastar“. In Zeiten der Inflation gilt heute alles als „mega!“, was nicht gerade amtlicher Käse ist, aber Ende der 80er war das Wort als Popbegriff recht neu – man kannte es bis dahin vor allem im Zusammenhang mit den vielen Megatonnen nuklearer Wummskraft, von denen man so umzingelt war/ist in Europa.

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Und dann brauchte man aber ein neues Wort für Michael Jackson, der in die bis dahin höchste Kategorie „Superstar“ nicht mehr hineinpasste. Mein Vater, nicht allzu tief verwickelt in den Popdiskurs, verlieh dann irgendwann seinem Befremden darüber Ausdruck, dass die im Radio und Fernsehen diesen Jackson immer als „N****star“ bezeichnen. Ähem. Da bin ich stolz auf meinen Pa, denn der fand so ein „wording“ 1988 schon unmöglich. Da haben sogar manche Popzeitschriften das N-Wort noch benutzt.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 06/2023.