Die Haltung muss stimmen


Das streitbare kleine Haus Buback hat sich in 23 Jahren nie als Repertoire- oder Szene-Label gesehen und es trotzdem geschafft, nicht beliebig zu werden - das will man feiern

Es läuft überraschend gut mit den Goldenen Zitronen Ende der 80er-Jahre. Die Band ist irgendwie in die Funpunk-Mühle geraten. Und jetzt hat sie Geld übrig. Wohin damit, wenn es ohnehin nichts Besseres geben kann als das billige, inspirierende WG-Leben in der Hamburger Buttstraße 50, gleich bei der Hafenstraße? Also gründen Ale Sexfeind und Ted Gaier ein Label. „Naja, eigentlich war das eher so:, Lass uns mal ’ne Platte rausbringen!'“, erzählt Ale, der längst wieder beim bürgerlichen Nachnamen Dumbsky genannt wird. Nämlich die erste Single der Gruppe eines Freundes. Das Stück heißt „Warum ich und mein Mädchen so gern katholisch wären“, die Band Huah! Sie werden bald die „deutschen B’52s“ genannt.

Aber auch das Albumdebüt von Angeschissen, der legendären Punkband von Jens Rachut und Ex-Slime Christian Mevs, muss doch irgendjemand veröffentlichen. Daniel Richter, der ebenfalls in der Buttstraße wohnt, entwirft das Cover dafür und später noch einige mehr. Er wird bald schon in die Kunstmühle geraten, und sie werden ihn „Malerfürst“ nennen. Und auch er wird Geld übrig haben.

Der Name des Labels stammt von Ted Gaier: Buback – nach dem von der RAF ermordeten Generalbundesanwalt. „Ich mag die Ambivalenz daran“, sagt er, „damals stand er ja vor allem für einen Verweis an eine Zeit, in der die Kämpfe bis aufs Messer geführt wurden. Aber er steht eben nicht für eine Identifikationsfigur oder so“. Während sich Buback anfangs noch unter dem entsprechenden linken Punk-Hintergrund einsortieren lässt, wird es Anfang der Neunziger immer bunter. Ale Dumbsky entdeckt Hip-Hop für sich, legt ihn als DJ auf und lernt so die Jungen kennen, die selbst rappen. Er wird als einer der ersten diese Musik veröffentlichen, „dabei war ich umgeben von Leuten, die mir garantiert haben:, Rap auf Deutsch? Das wird nie was!'“

Als es dann doch was wird, kann sich Ale seine eigenen musikalischen Ambitionen endgültig abschminken. Er ist jetzt Labelchef. Der WG-Kumpel, der sich an der Buchhaltung versucht, die Küche als Konferenzzimmer – das geht so nicht mehr. Mit Absolute Beginner hat Buback zudem einen Act an Bord, der schnell über die Möglichkeiten des Labels hinaus wächst. Thorsten Seif, seit 1995 bei Buback, erinnert sich: „Sie wollten bei uns bleiben, hatten aber auch Ansprüche:, Hip-Hop bedeutet fettes Video, fette Produktion, dicke Hose. Also lasst uns zusammen zum Major gehen!'“ Sie gehen zu Universal, mit der fertigen Platte. Bambule, das zweite Album von Jan Delays Gruppe, wird 1998 ein Hit und bekanntlich nicht ihr letzter.

Sieben Jahre und einige Reggae-, Punk-, Hip-Hop-, Free-Jazz- und Indiepop-Platten später hat sich Buback jedoch verspekuliert. Das Label, inzwischen ein Apparat mit einem halben Dutzend Angestellter, ist zahlungsunfähig, Ale Dumbsky quasi handlungsunfähig, „körperlich völlig im Arsch“, wie er sich erinnert. Ted Gaier fürchtet nicht nur um das „Netzwerk“ Buback, als das er das Label immer gesehen habe. Er hat Angst, dass die Rechte seiner Bands, wie die Zitronen oder Les Robespierres, und die anderer im Zuge der Konkursabwicklung bei Firmen landen, mit denen sie nichts zu tun haben wollen. Man fragt Daniel Richter, ob er nicht einsteigen wolle. Der Freund und Maler begleicht die Schulden und wird Eigentümer von Buback. Thorsten Seif und Friederike Meyer übernehmen die Geschäftsführung.

Heute ist Buback ein gesundes kleines Unternehmen, bei dem Acts wie die Zitronen, FSK, Jan Delay, Kristof Schreuf und zuletzt 1000 Robota veröffentlichten. Sein Geld verdient Buback aber vor allem als Bookingagentur (u. a. für Delay, Deichkind, Distelmeyer), sieben von acht Mitarbeiter werden davon bezahlt. Dennoch bleibt die Labelarbeit eine Herzensangelegenheit: „Wir finden es wichtig, fortzuführen was da 1987 gestartet wurde“, sagt Thorsten Seif, „als Label wahrgenommen zu werden, das wichtige Musik aufspürt – wir sind auch selbst viel zu viel Fan, um das bleiben zu lassen“.

Kein Jubiläum und doch ein Fest: Das 23 Jahre alte Label Buback zeigt sich von seiner besten Seite – „mit einem Liederabend und einer Ausstellung in den großen Städten dieser Welt: Frankfurt, Düsseldorf, München, Hamburg, Berlin und Leipzig“. Die Buback-Acts 1000 Robota, F.S.K., Die Goldenen Zitronen (nicht in Hamburg) und Kristof Schreuf gehen gemeinsam auf Tour (siehe S. 127) – präsentiert vom Musikexpress. Am 31. März eröffnet im Kunstverein Wolfsburg eine Buback-Label-Ausstellung (musikalisch begleitet von Three Normal Beatles), die bis zum 1. Mai zu sehen sein wird.