Die mega Monster Maxi-Mixer
Bruce Springsteen als Disco-King ? Diana Ross als Hip-Hop-Queen? Die Remixer machen ’s möglich. Es ist ein völlig neuer Berufszweig, der da im Umfeld der New Yorker Disco-Szene entstanden ist: Studio-Tüftler wie Arthur Baker (im Foto mit seinen Gehilfen, den Latin Rascals) oder Jellybean Benitez brüten in ihren Sound-Küchen neueAbmischungen bekannter Songs aus, die mit dem Original nur noch wenig gemein haben. Welche Tricks und Kniffe hinter ihren ReundMaster-Mixes, Dub-Versions und Special Edits stecken, ver- ¿ rieten uns Baker, Benitez & Co.. als ME/Sounds ihnen in New York bei der Arbeit über die Schulter schaute.
JOHN „JELLYBEAN“ BENItez, ein kleiner, bescheidener 27iähriaer aus der South Jtez, ein kleiner, bescheidener 27jähriger aus der South Bronx, ist „not“. Er könnte 36 Stunden am Tag arbeiten, denn um ihn reißen sich die Größen der Musikszene: Michael Jackson und Mc-Cartney, Bowie und Madonna, Billy Joel und sogar Produzenten-Altmeister Quincy Jones. Sie alle bauen auf Jellybean, wenn es darum geht, ihre Pop-Singles mit einem flotten Neu-Mix zu einem Disco-Hit umzufrisieren.
Eine ruhige Minute hat Jellybean daher dieser Tage nur selten. Als wir uns in seinem New Yorker Stamm-Studio Sigma Sound treffen, springt er mehrere Male mitten im Gespräch auf und flitzt in den nebenan liegenden Kontrollraum. Dort läuft eine Session mit Background-Gesang für eins seiner zahlreichen Projekte – und der muß Mr. Benitez zumindest ab und an sein goldenes Ohr schenken.
Leute wie Jellybean – den Spitznamen fabrizierte seine Schwester aus den Initialen J.B. – haben dem Medium Maxi-Single weltweit zu einem neuen Aufschwung verholten. Während die Maxi-Versionen früher häufig der Single-Fassung aufs Haar glichen oder allenfalls mit ein paar Minuten lieblos drangepappter Instrumental-Passagen verlängert wurden, stellen die Produkte von Jellybean und Kollegen Plattensammler wie Discogänger gleichermaßen zufrieden. Und natürlich die Plattenfirmen, deren Gewinnspannen bei den LP-großen Singles weitaus größer sind als bei den kleinen Scheiben.
„Ich gebe dir ein Beispiel“, sagt Jellybean auf die Frage nach seiner Arbeitsweise. „Als ich die McCartney/Michael-Jackson-Platte ,Say Say Say‘ neu abmischen sollte, sandten sie mir das ursprüngliche Aufnahmeband mit 48 Instrumental und Gesangsspuren; McCartney sagte mir, ich solle einfach hinzufügen, was immer ich für nötig halten wurde.“
Bevor Jellybean im Studio zur Tat schreitet, bereitet er sich so gut wie möglich vor – (Studio-)Zeit ist Geld. Er hört sich die Originalversion an und entwirft eine Art Landkarte des Stücks: Welches Instrument spielt an welcher Stelle, wie sehen die Übergänge vom Vers zum Refrain aus, wo sind instrumentale Soli eingebaut. Von dort ausgehend überlegt er sich, was geändert werden muß, damit die Single nicht nur im Radio, sondern auch über die Super-Anlage besserer Clubs und Discotheken bestehen kann. Wichtigstes Gebot: Auch eine verlängerte Version darf keine Sekunde langweilig sein!
Weiter im Beispiel „Say Say Say“: „Ich habe mir Ralph MacDonald geholt, der in den USA ein bekannter Percussionist ist. Ich fand nämlich, der Song brauchte ein bißchen mehr Percussion, um richtig tanzbar zu sein. ‚Say Say Say‘ war eine tolle Pop-Platte, aber für den Tanzboden noch nicht interessant genug.“
Mit Hilfe von Ralph MacDonald entstand ein galoppierender Rhythmuseffekt, der den Song stärker vorantrieb. Bei anderen Stücken wiederum, wie zum Beispiel Pat Benatars „Love Is A Battlefield“, nahm Benitez einige Teile aus dem Original heraus, die seiner Meinung nach die rhythmische Klarheit des Stücks zerstörten.
Gibt es da nicht Probleme mit den betroffenen Künstlern? „Wenn die sich beschweren, weiß ich, daß ich meine Arbeit richtig getan habe!“, meint Jellybean grinsend. „In den meisten Fällen soll ich nämlich etwas ganz anderes machen als die Original-Version.“
Wie viele Innovationen der Pop-Szene hat auch das Gewerbe der Remixer seinen Ursprung in der New Yorker Getto-Kultur, in deren musikalischer Hierarchie nicht Musiker oder Rapper, sondern die Discjockeys an der Spitze stehen. Die „Vaterfigur“ heutiger DJ-Stars wie Afrika Bambaataa, Grandmaster Flash oder Grandmixer D.ST. ist der legendäre Kool D.J.Herc (Lesern kleingedruckter Danksagungen auf Rap- und Hip-Hop-LPs dürfte dieser Herr ein Begriff sein); er war in New York der erste, der aus dem Plattenauflegen eine Kunst machte.
Herc kaufte sich von einer Single stets zwei Exemplare und fuhr beide Platten mit Mischpult, zwei Plattenspielern und perfektem Timing so flüssig ineinander, daß er den manchmal nur 15- oder 30 sekündigen Instrumentalteil in der Mitte der Platte beliebig verlängern konnte. Dieser Break ist nämlich die Passage eines Songs, die beim New Yorker Publikum am besten ankommt. An dieser Stelle „stört“ kein Gesang, der Rhythmus kommt pur und kann durch ein draufgesetztes Scratchen noch stärker herausgearbeitet werden.
Einem guten DJ – diese Lektion gab Kool DJ. Herc an seine Kollegen weiter – muß es darum gehen, den ganzen Abend lang auf dem „dance floor“ eine Stimmung aufrechtzuerhalten, wie sie auf vielen Platten nur in dem knappen Break steckt.
Findige Mix-Künstler bedienen sich dabei, wo sie nur können sogar bei Nena! An einem Abend im Roxy, bis vor etwa zwei Jahren der Hip-Hop-Club in Midtown-Manhattan, liefen drei Minuten lang die „99 Luftballons“, ohne daß auch nur einmal Nenas Gesang zu hören gewesen wäre! Den hatte der DJ als nicht Roxy-tauglich befunden, also mixte er nonstop mit mehreren Plattenspielern die rhythmischen Synthesizer-Solo-Parts des Songs zusammen.
Benitez hat seinen Riecher für Dancefloor-Hits zu anfang als Discjokkey erworben. Aufgewachsen in der South Bronx, fing er mit 13 Jahren an, Platten zu sammeln: „Ich ging in Clubs und hörte dort Platten, die nie im Radio gespielt wurden. Für die habe ich mein ganzes Geld ausgegebenes ich eine stattliche Sammlung zusammen hatte. Wenn meine Freunde Parties feierten, brachte ich die Platten mit.“
Mit 16 erhielt Benitez seinen ersten professionellen DJ-Job, passenderweise im Club Sweet 16. Die Überraschung darüber, daß ihm plötzlich jemand Geld für etwas anbot, das er vorher „just for fun“ umsonst gemacht hatte, legte sich schnell; schon bald verließ der Nachwuchs-Discjockey die Clubszene der South Bronx und legte in schicken Manhattan-Discos die Platten auf.
Zum Star wurde er vor allem durch das Funhouse, eine mit Zirkusdekorationen aufgepeppte Disco-Halle, in der sich am Wochenende 3.500 Teenager – vor allem Italiener und Latinos – tummeln. Hier befand sich über drei Jahre lang Jellybeans Reich: ein Sound-Cockpit mit etlichen Plattenspielern, Bandmaschinen und Effektgeräten, an denen der Mischmeister manchmal von zehn bis zehn herumwirbelte, von Samstagnacht bis Sonntagmorgen. Und schon bald hingen nicht nur Fans, sondern auch Musiker und Produzenten in der DJ-Kabine des Funhouse herum und fragten Jellybean, ob er seine Disco-Expertise nicht auch auf ihre Platten anwenden könne.
Sein Debüt am Studiomischpult hatte Benitez bei einer Gruppe namens Warp 9, ein Session-Projekt des Produzentenpaars Richard Scher und Lotti Golden, das die Leistungen ihres Mixers mit dem Titel eines Co-Producers honorierte. Nach weiteren Mix-Aufträgen gab ihm der Plattenkonzern Warner Brothers seine erste Chance als Solo-Produzent: Jellybean durfte bei den Aufnahmen zu Madonnas „Holiday“-Song Regie führen.
Dabei mußten die Gäste im Funhouse häufig als „Versuchskaninchen“ herhalten: Während der verschiedenen Entstehungsstadien von „Holiday“ spielte Jellybean dort immer wieder provisorische Abmischungen des Songs; erst als die Publikumsreaktionen hundertprozentig positiv waren, gab es grünes Licht für den endgültigen Mix – der bekanntlich ein ausgewachsener Hit wurde.
Solche „Abstimmungen mit den Füßen“ gab es oft im Funhouse. Jellybean selbst testete jede seiner Abmischungen dort an, und auch Kollegen brachten regelmäßig Demo-Cassetten mit. Kam der jeweilige Song an, ging das Band zur Plattenfirma; fiel er durch, hieß es: Zurück ans Mischpult! Neben New Yorker Lokalmatadoren wie Arthur Baker und John Robie oder Golden/ Scher mischte sich selbst ein Veteran wie Quinoy Jones (Michael Jackson, „We Are The World“, James Ingram etc). unter die Streetkids im Funhouse, um mit eigenen Ohren zu hören, was an der Basis ankommt.
Jellybean fuhr lange Zeit zweigleisig. Auch als er sich vor Mix-Angeboten nicht mehr retten konnte, leistete er weiterhin im Funhouse seine 12stündige Knochenarbeit. “ Ich halte mich gern auf dem laufenden“, meinte er noch vor einem Jahr.
Inzwischen hat er jedoch keine Zeit mehr fürs Funhouso; in diesen Tagen ist wahrscheinlich der Blick aufs Bankkonto Inspiration genug: Für ein bis zwei Tage Misch-Arbeit (acht bis zehn Stunden für einen 24-Spur-Remix, 15 bis 18 Stunden für 48 Spuren) soll er fünfstellige Dollarsummen erhalten.
Im vergangenen Jahr erschien gar ein Solo-Album unter Jellybeans Namen, bei dem der „Star“ der Langrille allerdings nur hinter den Kulissen mitwirkte. Die Musik auf Wotupski?! (New Yorker Slang für die Frage: „What’s up?“) machen Leute wie Madonna, Dan Hartman und Nile Rodgers, die sich auf diese Weise bei Benitez für dessen Mithilfe bei einigen ihrer Hits bedankten.
aufhört, fängt Arthur Baker erst richtig an. Denn während Jellybean die
Stücke vergleichsweise intakt läßt und höchstens ein paar Breaks und Overdubs hinzunimmt, kreiert sein Kollege oft einen völlig neuen Song, der mit der Vorlage nicht mehr viel gemein hat. Bakers ausgeflippte Sound-Orgien sind dabei hörbar von Jamaikas Dub-Mixern inspiriert, die oft einzelne Gesangs- und Instrumental-Passagen nur bruchstückhaft hochblenden und ebenso schnell wieder im Hall verschwinden lassen.
Arthur Baker ist in der New Yorker Hip-Hop-Szene der Mann, der das Mischpult als wichtigstes „Musikinstrument“ eingeführt hat und als Coproduzent der epochalen Elektro-Funk-Maxi „Planet Rock“ so unterschiedliche Musiker und Gruppen wie George Clinton, New Order und Midnight Starr entscheidend beeinflußt hat.
Wie Jellybean verfügt auch Baker über keinerlei musikalische Ausbildung; auch er startete in seiner damaligen Heimatstadt zunächst als Discjockey. Nachdem er einen Studiobesitzer dazu überreden konnte, ihn einige (mittelmäßige) Disco-Platten produzieren zu lassen, ging er ohne Job und Geld nach New York. Nach verschiedenen Hilfsarbeiten – Fußböden schrubben und Plattenboxen schleppen – lernte er den Jungunternehmer Tom Silverman kennen und produzierte 1981 für dessen neues Label Tommy Boy die erste Single: „Jazzy Sensation“ mit Afrika Bambaataa & The Jazzy 5.
Baker und Bambaataa waren damals fasziniert von dem großen Erfolg, den die englische Version von Kraftwerks Computerwelt-LP in der schwarzen und Latino-Szene hatte. Davon inspiriert, machten sie sich daran, eine schwarze Funk-Version des Düsseldorfer Synthi-Sounds auf die Beine zu stellen; ihnen fehlte nur noch ein brauchbarer Synthesizer-Spieler. Der war bald in Person von John Robie gefunden, eigentlich ein Rock-Gitarrist, der jedoch zuhause auch mit elektronischem Instrumentarium experimentierte.
Als sich Arthur Baker und John Robie über Tom Silverman trafen, „klickte“ es; die beiden spielten in einer langen Studionacht die gesamten Instrumental-Spuren des „Planet Rock“ ein. Ausgehend von dem durchlaufenden Maschinen-Beat eines Drum-Computers, den Baker programmiert hatte, nahm Robie einen Synthi-Part nach dem anderen auf. „Wir haben uns erst später entschieden, wo und wann im Song wir die ganzen Sachen verwenden würden,“ erinnert sich Arthur Baker, der damals übrigens auch Jellybean zum Mix hinzuzog.
Komponieren am Mischpult – Anhängern traditioneller Songwriter-Kunst ist’s ein Graus; in der Funk-Musik legte der „Planet Rock“ jedoch den Grundstein für eine völlig neue Stilrichtung. Die vertrackten Rhythmen der Schlagzeug-Maschine gaben hierbei nicht nur den Beat an, sondern waren das tragende Element des Songs. Gemischt mit den Raps von Afrika Bambaataa und den elektronischen Keyboard-Klangteppichen, vermischte sich das Ganze zu einer funky-futunstischen Synthetik-Sinfonie.
Und damit wären wir wieder beim Konzept von Kool DJ. Herc: Auch Arthur Baker und John Robie – in New York respektvoll die „Gurus“ genannt – wollten die Intensität des oft nur sekundenlangen Breaks anderer Platten über eine ganze Maxi-Single hinweg durchhalten. In Stükken wie dem „Planet Rock“ und dem späteren, noch gelungeneren „Looking For The Perfect Beat“ passiert in jedem Takt etwas Neues; Zuhörer und Tänzer kommen keine Sekundenlang zur Ruhe.
die Szene Zuwachs – durch Albert Cabrera und Tony Moran, die seit dem Sommer ’84 unter dem Markenzeichen Latin Rascals Bakers Mischarbeit mit Hilfe ausgeklügelter Tonbandschnitte noch weiter verfeinern. In ihrer kurzen Karriere haben die Latino-Boys, beide um die 20 Jahre alt, schon Größen wie Springsteen, Bowie und Diana Ross unter die Schere genommen.
Die beiden fingen vor vier Jahren unabhängig voneinander damit an, mit billigster Ausrüstung ihre eigenen Master-Mixes herzustellen -Medleys aus verschiedenen Songs, die sie sich mit Überspielungen von Cassettenrecordern zu Cassettenrecorder zurechtbastelten. Als er endlich das nötige Kleingeld beisammen hatte, kaufte sich Tony Moran vor zwei Jahren ein preisgünstiges Tonbandgerät, um seine Hip-Hop-Potpourris etwas raffinierter zusammenschneiden zu können. In einem Plattenladen traf er Albert Cabrera, damals DJ; man fachsimpelte über das gemeinsame Hobby und arbeitete fortan gemeinsam.
Entdeckt wurden die Latin Rascals im vergangenen Jahr vom Programmdirektor der schwarzen Radiostation WKTU, der eins von Morans Bändern gehörte hatte und dessen Werke daraufhin ab und an in seinem Sender spielte. Bald hatten die beiden einen festen Platz im Programm, dreimal pro Woche gab es um vier Uhr nachmittags einen 25-Minuten-Mix der Rascals.
An jedem dieser Medleys arbeiteten sie etwa anderthalb Wochen. Sie nahmen sich die jeweiligen Tageshits vor, überspielten die Platten auf Tonband, zerlegten jeden Song mit der Bandschere und setzten die Stücke mit Klebeband zu völlig neuen, wilden Kombinationen zusammen. Mindestens 200, 300 Schnittstellen habe ein solches 25-Minuten-Tape enthalten, erklärt Tony.
Heute arbeiten die Rascals für den Konkurrenzsender WRKS; in dem monatlichen Drei-Stunden-Mix befinden sich mehr als 1000 Schnitte; die Vorarbeiten dauern alles in allem drei Wochen. (Leider gibt es solche Master-Mixes nicht auf Platte. Einen brauchbaren Eindruck über die Möglichkeiten verschiedener Mischtechniken vermitteln jedoch Meile Mels „Mega Meile Mix“, Herbie Hancocks „Mega-Mix“, D.ST.’s „Mega-Mix II“ und besonders Grandmaster Flashs „Wheels Of Steel“) Die Schnitt-Zaubereien von Albert und Tony waren Arthur Baker
schon beim WKTU-Hören aufgefallen. Er lud das Duo in sein Shakedown-Studio und gab ihnen das Gesellenstück: Sie sollten seinen Solo-Titel „Breaker’s Revenge“ für eine Maxi-Version im Rascals-Stil bearbeiten. Tony Moran: „Nach einem fünfminütigen Intensivkurs im Studio blieben wir vier Tage lang im Schneideraum, nonstop – bis wir es so hatten, wie wir es wollten.“ 500 Schnitte enthielt „Breaker’s Revenge“ am Ende.
Dem Meister gefiel’s, und Arthur Baker gab den Latin Rascals einen festen Job in seinem Studio. Über lange Strecken hinweg arbeiteten sie dort fast rund um die Uhr, abwechselnd in Zehn-, Elf-Stunden-Schichten: “ Wir stehen halt drauf.“
den meisten Baker-/Rascals-Gemeinschaftsaktionen läuft so: Baker nimmt das jeweilige Mehrspurband in die Mangel, fügt hinzu oder kürzt und erarbeitet dann am Mischpult 10, 15 Mix-Versionen mit unterschiedlichen Sound-Einstellungen. All diese Fassungen, manchmal zwei bis drei Stunden Bandmaterial, erhalten nun die Latin Rascals, die daraus die sieben besten Minuten für die Maxi-Single zusammenkleben. Und aus dem Rest werden dann gleich noch mehrere Dub-Versionen für die B-Seite herausgeschnitten.
Eins der aufsehenerregendsten Werke von Baker war die Maxt-Fassung von Springsteens „Dancing In The Dark“. Dazu zog er wieder John Robie heran, weil ihm zusätzlich zu den vertrauten Sounds der E-Street-Band noch weitere Klangfarben vorschwebten – mehr Percussion und Synthesizer, dazu Background-Gesang, Glockenspiel und als Krönung ein paar Gewehrschüsse.
Einige eingefleischte Springsteen-Fans verstanden angesichts dieser „Heiligen-Schändung“ die Welt nicht mehr. Der New-Jersey-Rocker als Disco-Fuzzi? Der Boss selbst hatte keinerlei Bedenken gegen Bakers Brachial-Methoden, ganz im Gegenteil: „Bei einigen seiner besten Effekte finde ich sogar schade, daß wir nicht schon bei der Produktion der LP davon wußten. Ich hätte sie sofort verwendet!“
Sprach’s und gab zwei weitere Aufträge an Baker und seine beiden Gesellen: „Cover Me“ und „Born In The USA“. Der kommerzielle Lohn für Springsteens Experimentierfreudigkeit folgte auf dem Fuße: Durch die Dance-Versions erreichte er erstmalig ein nennenswertes schwarzes Publikum.
Es ist überhaupt erst ein Mal ein Baker-Remix abgelehnt worden, und zwar ausgerechnet von Mick Jagger. Was Baker und die Latin Rascals bei „Just Another Night“ ausgeheckt hatten, war dem Ober-Stone denn doch zu radikal (allerdings laut Insidern das beste Werk, das Baker & Co. je zustandegebracht haben…).
Neben der Ablehnung vonseiten Mick Jaggers hat sich bisher nur Diana Ross so richtig beschwert, erzählt Albert Cabrera: „Auf der B-Seite der Maxi zu .Swept Away‘ hatten wir total verrücktgespielt; sie fragte uns, ob wir wohl auf dem Mond gewesen wären! Wir mußten
einige Passagen wieder herausnehmen. „
Die traditionellen Soul-Vokalisten haben es offensichtlich am schwersten, sich mit den neuen Remix-Methoden anzufreunden, bei denen der Gesang nicht mehr die Solostimme, sondern nur ein Klangeffekt unter vielen ist. Auf Chaka Khans LP I Feel For You befindet sich der Song „My Love Is Alive“, bei dem John Robie als Arrangeur, Mixer und Schnittkünstler voll in seine Trickkiste griff – sehr zum Mißfallen von Mrs. Khan. „Ich hasse dieses Stück, John Robie ist zu weit gegangen,“ verkündet sie. „Ich habe das Lied ganz normal gesungen und auch einen tollen Background-Gesang aufgenommen – und dann hat Robie alles weggehallt!“
Eins der Markenzeichen von Rascals, Baker und Robie – zu hören auf „My Love Is Alive“ ebenso wie bei Diana Ross und David Bowie – sind die Schnitte im Maschinengewehr-Stil a la Paul Hardcastles „Ne-ne-ne-ne-nineteen“. Was beim Londoner Hardcastle jedoch aufs Konto eines Synthesizers geht, machen seine New Yorker Kollegen in Handarbeit: Bestimmte Silben werden mehrere Male hintereinander auf Band kopiert, dann werden die Bandschnipsel (eine einzige Silbe ist auf dem mit hoher Geschwindigkeit laufenden Studiotonband mehrere Zentimeter lang) im Takt der Musik zusammengeklebt und im Song an passender Stelle eingefügt.
Die Zeit der nachträglichen Neuabmischungen ist für Arthur Baker jedoch erst einmal vorbei. Seine Zukunft sieht er wieder stärker als Produzent, so hat er schließlich seine Reputation erlangt, „und darin sehe ich auch meine eigentliche Stärke“. In diesem Jahr war Baker an den aktuellen LPs von Jeff Beck und Carly Simon als Produzent beteiligt, als „Abmisch-Berater“ luden ihn Hall & Oates und Bob Dylan ins Studio.
Während ihr Mentor produziert, gehen die Latin Rascals mit ihren Schneidekünsten auch in andere Studios. So halfen sie Ted Currier (Künstlername hier: Det Reirruc) bei einer Version von „Axel F.“, die sich gewaschen hat. Aus Faltermeyers zurückhaltendem Synthi-Pop machten die Drei einen Beat-BoxFetzer mit Rap-Einlagen und Edits altbekannter Qualität. Die Latin Rascals lassen sich ihre kreativen Finger heute mit durchschnittlich rund 3.000 Dollars pro Edit-Job vergolden – nicht schlecht fürs zweite Berufsjahr.
Frage an Jellybean: Gibt es überhaupt irgendwelche Platten, die von sich aus schon so gut sind, daß sie auch durch einen neuen Mix nicht verbessert werden können? „Klar, Sachen wie James Brown und Motown,“ meint der Meister, dessen britische Kollegen ihre Hemmschwelle allerdings niedriger ansetzen: Ein Discjockey namens Froggy hat dort gerade James Browns klassischen Soul zu einem wüsten Medley zusammengestückelt…