Die pure Lust am Leben


Inzwischen ist den Briten von Embrace fast alles egal. Da darf man natürlich auch zielsicher in beinahe jedes bereitstehende Fettnäpfchen treten.

Danny und Richard McNamara von Embrace haben eine dicke Mauer der Langeweile um sieb gebaut. „Komm, sag du’s ihm. Sag deine Liste auf.“ Gähnend übergibt Sänger Danny das Wort an seinen Bruder, wenn es um musikalische Einflüsse geht, die in ihr zweites Album („Drawn From Memory“) eingeflossen sind. „Ich sammle seit vielen Jahren Funk aus den 6oem und (brummel, brummel)…“. Richard liegt in den ranzigen Sofakissen im Backstage-Bereich des London-Astoria, seine Zöpfchen hängen über die Brille und er murmelt betont desinteressiert vor sich hin. Dabei wäre es durchaus spannend, was die Brüder zu diesem scheinbar unspektakulären Thema zu sagen haben – nicht selten lassen sich die McNamaras zu den verwunderlichsten Statements hinreißen. So kursiert in Businesskreisen beispielsweise folgendes Gerücht: Zur Veröffentlichung des Debüts „The Good Will Out“ nannten die Embrace-Chefs ausgerechnet Sly and the Family Stone als maßgeblichen Einfluss. Als ein gewissenhafter Journalist die Inspirationsquelle auf ein bestimmtes Album eingrenzen wollte, zeigte sich schnell, dass sämtliche Bandmitglieder erhebliche Schwierigkeiten hatten, auch nur einen einzigen Titel eines Sly-Albums zu nennen.

Freilich nur ein Gerücht, allerdings spricht viel für dessen Wahrheitsgehalt: So erntete Danny kürzlich sogar noch heftigeres Kopfschütteln, als er über den ersten Song („The Love It Takes“) aus dem aktuellen Album erstaunlicherweise erzählte, er klinge „irgendwie nach Frank Zappa.“ Um weiteren Peinlichkeiten vorzubeugen, beeilt sich bei diesem Thema der neu hinzugestoßene Pianist Mickey Dale, das Gespräch an sich zu ziehen.“Also, mich hat nur der Mittelteil des Keyboard-Parts so ein kleines bisschen an ein Don Preston-Solo auf’Uncle Meat‘ oder so erinnert“, erklärt er und lacht entschuldigend.“Dem Rest der Band ist Zappa eigentlich total egal.“ Derartige Widersprüche sind so abstrus wie auch charmant – die jungen Männer aus Leeds sind nach über zwei Jahren im Musikgeschäft noch reichlich tollpatschig. Und so dient die zur Schau gestellte Gleichgültigkeit nur dazu, schon im Vorfeld Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Bereits vor zwei Jahren hatte sich die Band weit aus dem Fenster gelehnt, und nun will man klarstellen, dass alles egal ist: Egal, dass das Debüt-Album 1998 nicht halb so erfolgreich war, wie man sich das gewünscht hatte. Egal, dass man damals in naiver Selbstüberschätzung die Welt spüren ließ, Embrace seien die wichtigste Band aller Zeiten. Dabei ist es durchaus bemerkenswert, was die talentierten Brüder in den letzten 24 Monaten erreicht haben: „The Good Will Out“ war in der Tat in England an der Spitze der Charts und erreichte bereits am Veröffentlichungstag Goldstatus. Das englische Magazin New Musical Express kürte Embrace zum „Newcomer des Jahres“, mehr war allerdings nicht drin. Sollte fürs Erste eigentlich reichen, doch die McNamaras wollten mehr. Enttäuscht waren sie offenbar, dass Embrace bei den Brit-Awards leer ausgingen und zudem kaum Hysterie-wie die Kollegen von Blur oder Oasis – auslösten. England blieb ausnahmsweise auf dem Teppich.

Geblieben ist ein begabtes Songschreiberduo, eine Band mit herausragenden Live-Qualitäten, zwei solide Alben, ein treuer Fanstamm und die Gewissheit, dass die einstigen Angebereien reichlich unnötig waren.“Es wird eine wirklich wichtige LP werden“, prophezeite Danny McNamara seinerzeit noch großspurig. Heute hat er wieder Boden unter den Füßen. „Es hätte besser laufen sollen, wirklich“, meint er schulterzuckend. „Ich glaube, dass die Leute von meiner Stimme abgestoßen wurden. Ich hab‘ mir damals mehr Gedanken über das richtige Feeling als über technische Perfektion gemacht.“ 363 Tage hat man sich deshalb für die Produktion der neuen LP gegönnt. In der Hoffnung, dass seine Stimme jetzt geübter ist, wartet Danny nun erneut auf den großen Durchbruch.