Die Rückkehr der Skandalnudeln


Weichgekocht und wieder aufgestanden: Vom Umgang mit Winehouse, Spears und Doherty.

Pete Doherty hat es weit gebracht. Bei jeder neuen Platte zeigt das Nervositätsbarometer Spitzenwerte. Jede neue Platte Dohertys, das ist längst Konsens, könnte seine letzte sein. Schuld daran ist sein ausgeprägter Hang zur Selbstzerstörung, der ihn in die Nähe der größten Gestrauchelten des Rock katapultiert, von Jim Morrison bis Kurt Cobain. Bester Indikator für seine zunehmende Entgleisung war dagegen der Abstieg des Patienten von den „Pop“- auf die „Panorama“-Seiten der Zeitungen, aber allein delirierte der Spitzenreiter in Sachen attraktive Verwahrlosung dort nicht.

Der talentierte Mr. Doherty torkelte im Gleichschritt mit der furiosen Mrs. Winehouse zwei große Pop-Seelen, die in diesem Jahr Krethi und Plethis gruselig schöne Junkie-Monster werden durften. In diese Sex&Drugs-Leben klickten wir uns alle gerne mal (und ganz unverbindlich) ein, die Niedertracht müssen wir also nicht den Medien zuschieben. Die Zutaten der Geschichte: Crack, Kokain, Heroin, Knast, Konzertabsagen, Suchtkliniken. Und alles wieder von vorne. Ein vorhersehbares Handlungsschema, das der Ex-Libertines-Sänger mit der Verzweiflung eines gefallenen Engels durchläuft, der sich in die ihm unterbreitete Rolle als Skandalnudel fügt.

2007 feierte die Renaissance der ollen Skandalnudel mit den Produktionsmitteln der Saison. In der High-Speed-Verwertungskette zwischen Internet und Klatschblättern wurden die öffentlichen Personen Doherty, Winehouse und Britney Spears wahlweise weichgekocht, niedergehauen, ausgeweidet, verlacht, von sogenannten Leser-Reportern weggeknipst oder mit pädagogischem Ernst beraten. Und tschüss, bis zum nächsten Schuss/Sturz.

Bei Spears war die Fallhöhe besonders groß. Einst jungfräuliches Sexsymbol, zuletzt lebensmüdes Freiwild in einer paparazzischen Hetzjagd – die Sängerin mutierte zum leibhaftigen Spiegelbild ihrer Klatschfigur aus den diversen Gerüchteküchen. Mit ihrem neuen Album blackout hat sie die Britney, wie wir sie zu kennen glaubten, nun intelligenterweise einfach sitzen gelassen: Die Schlampe ohne Höschen, die taumelnde Pop-Prinzessin bei den MTV-Awards sind Schmutz von gestern. Manipuliert von erfahrener Produzentenhand, wurde aus dem größten Problembaby der Welt ein vielfach gebrochenes, verfremdetes Wesen, das sich mit so etwas wie Ironie wehrt. Britney in einer anderen Bewusstseinsform. So gut war sie nie. blackout klingt dennoch wie ein massenkompatibles Stück Future-Pop, die Single „Gimme More“ wurde zur zweiterfolgreichsten Spears-Single in den USA.

Auch Pete Doherty nimmt auf dem neuen Babyshambles-Album Reißaus von der Erbärmlichkeit: shotter’s Nation ist voller schöner, wilder Popsongs, die kaum die Last des Entzugs tragen. Nur Zyniker sehen hinter dem Spektakel „Selbstzerstörung“ eine weiteres Marketing“Tool„; in Wahrheit arbeiten die Skandalnudeln hin und wieder auch an der Abschaffung derselben. Viel Glück für 2008!