Die Showmaster


U2 gehen wieder zurück in die Hallen. Und statuieren dort zweistündige Exempel, wie Rock live heute auszusehen hat.

Florida, the sunshine State. Und das ist er wirklich, eine für Europäer geradezu paradiesisch anmutende Giganto-Quersumme aus Palmen, Pools und Pina Coladas. Quer durch Fort Lauderdale, das sich nicht ohne Grund für das „Venedig Amerikas“ hält, geht die Fahrt, hin zu einem neuzeitlichen Circus Maximus, in dessen riesigen Bauch über 20.000 Leute passen. Das imposante Teil schimpft sich neo-romantisch „National Car Rental Center“ (www.national-ctr.com) und wurde vor zweieinhalb Jahren mitten in die chronisch flache Pampa gepflanzt. Obllcharwaisa flltian hlar dl* „Panthers“ dem Puck oder die „Bobcats“ der Pille hinterher, zwei Tage zuvor hat noch Andrea Boccelli seine Arien ins weite Rund geschmettert. Und seit 5 Uhr morgens war es die L)2-Crew gewesen, die erfolgreich rotiert hatte, um das Mörder-Equipment der Band (wir reden hier ja schliesslich nicht von drei, vier Handköfferchen) aus dem nahen Miami, wo U2 drei Wochen lang geprobt hatten, heranzukarren und rechtzeitig zu installieren. Nun, da dia Schlangan am Elnlass, wo die Tickets nicht abgerissen, sondern gescannt werden, kontinuierlich wachsen und sich der Mega-Dome immer schneller zu füllen beginnt, wird die Spannung fühlbar. Sie entlädt sich ein erstes Mal, als – nein, nicht die erwartete PJ Harvey auf die Bühne kommt, sondern als Ersatz für die erkrankte Kollegin die Corrs für eine knappe Dreiviertelstunde folkpoppen dürfen. „At Your Side“, „Breathless“,“Radio“-das wollen zwar die wenigsten wirklich hören, aber die professionelle Performance der Band (vielleicht jedoch auch nur die Anmut ihrer barfüßigen Frontfrau Andrea Corr?) animiert am Ende doch zu mehr als nur einem Höflichkeitsapplaus. Das Licht ist noch an, und dia Pausenmusik läuft (oder ist es das Irrtro?), als U2 gänzlich unerwartet auf die rundum einsehbare Bühne schlendern. Binnen Sekunden klatscht eine gigantische Sympathiewoge über ihnen zusammen, aus der der Opener „Elevation“ raketengleich aufsteigt; druckvoll, energisch, wie auf einen schnellen K.o.-Sieg gleich in der ersten Runde aus. „High, higher than the sun…“- liebe Güte, rockt das! Und erst „Beautiful Day“: Von Nervosität keine Spur bei Bono und Co., deren schwarzweiße Konterfeis von vier Videoscreens hoch über ihren Köpfen zu überdimensionaler Größe aufgeblasen werden. Doch so gigantisch das ganze Drumherum auch ist: Der Sound bleibt anfänglich weit hinter den Erwartungen zurück, bessert sich nur langsam. Aber das scheint keinen zu stören -espasssiertja auch genug, was von solch banalen Randerscheinungen ablenkt. Da sind zum einen die wohlbekannten Songs, die von den vier Iren zu einem homogenen Set zusammengeschweisst wurden: „New Year’s Day“, das unverwüstliche „Sunday Bloody Sunday“, natürlich „With Or Without You“; dazwischen taucht kurzzeitig gar Bob Marleys „Get Up Stand Up“ auf. Und dann Ist da noch -ja was? „Das Licht“? „Künstlerische Inszenierung“, das trifft’s eher! Ein üppiger Walkway, in Herzform leuchtend, ruckzuck aus dem Nichts herabrollende Vorhänge, die als Projektionsflächen dienen. Und als Dreh- und Angelpunkt allen Geschehens: Bono. Der eiert auf dem Laufsteg daher wieder sprichwörtliche Storch im Salat, kokettiert mit einer ihm dargereichten Plastikblume, setzt sich auch mal ans Keyboard, dirigiert die Massen,fungiert als Beleuchter, als ob er jeden Einzelnen dort oben und unten im Lichtkegel seiner blendend hellen Handlampe fixieren wollte. Und macht seinen Roadie rund, weil der ihm seine Gitarre nicht rechtzeitig bringt. Allein: Der Meister selbst hat sich vertan, übersprang im Eifer des Gefechts in der Setlist doch glatt einen Song. Ein typischer Tourstart-Fauxpas. Abar Bono gibt sich galassan, zitiert seine verblüfften Kumpels einen nach dem anderen nach vorn zu sich an die Herzspitze, um sie die ihnen zugedachten Einzelovationen in Empfang nehmen zu lassen: die gewohnt solide agierende Rhythmusabteilung, bestehend aus Drummer Larry Müllen und Bassist Adam Clayton (beide wie üblich stoische Ruhe ausstrahlend) und natürlich „Mütze“ The Edge. Der absolute Clou aber ist die moderne Videowand, die sich hinter dem Drumset krümmt. Sie lässt zunächst eher bescheidene Möglichkeiten vermuten, schwillt dann aber zu beeindruckender Größe an, dabei virtuelle Lava und andere Gimmicks speiend – und stellt augenscheinlich das Bindeglied zu den früheren U2-Spektakeln dar, die seit vielen Jahren von Kreativhäuptling Peter „Willie“ Williams ausgetüftelt werden. Anderthalb Stundan dauart die Tour de Force für die Sinne. Dann: „The Fly“, ein Song, bei dem Bono genau diese macht, und zwar quer durchs Publikum hetzend, zum Leidwesen der Security, die hinterherhetzen muss. Das Resultat: Tumult und ungläubige Fans,die viel zu spät raffen, dass soeben ihr Idol in persona an ihnen vorbeigehuscht ist. Die Zugabe „With Or Without You“ lässt die Unterarmhaare einmal mehr strammstehen. „Walk On“ setzt bereits den Schlusspunkt. Schade eigentlich. Das sahan offanbar auch einige erlauchte Kollegen von U2 so, die auf ihrer „Promi-Insel“ in der Saalmitte fleißig applaudieren: Lenny Kravitz, Elvis Costello, die Jungs von Pearl Jam. Sie alle haben soeben eine Lektion kassiert.