Die unglaublichen Geschichten von Keith Moon


Ein Besuch an Keith Moon ist ein Erlebnis, das man sein ganzes Leben nicht mehr vergisst. „Ihr müsst mit allem rechnen und meistens passieren auch die unwahrscheinlichsten Sachen“, warnt der etwas streng wirkende PublicRelations-Man, der uns zu Moon’s ‚Tara House‘ in der Grafschaft Surrey begleitet. „Bereitet euch auf einen ungewöhnlichen Besuch vor…“ Ein Schild an der Gartenpforte weist darauf hin, dass ’spielende Kinder“ herumlaufen. „Kann man wohl sagen“, knurrt PR-man. „Das einzigste Kind das hier herumläuft, ist 27 Jahre alt. Glaubt mir, der Mann bringt mich noch einmal um…“

BEDUINENLAGER AUS ZEMENT

Nach dieser sorgfältig aufgebauten Einleitung ist die Begegnung mit Keith Moon ein Anti-Klimax. Er ist schrecklich höflich, bietet uns allen ein Getränk an und schenkt sich selbst einen Brandy ein. Dann schlägt er uns vor, eine Tournee durch sein Haus und sein Landgut zu machen. Das Haus – ein überraschend moderes Gebäude – wurde von Filmregisseur Peter Collison entworfen. Keith Moon erwarb es für £60.000 und eine englische Zeitung nannte es ein ‚Beduinenlager aus Zement‘. Jedes Zimmer besitzt ein zeltförmiges Dach und fast alle Wände sind aus durchsichtigem Glas. Im Innern des Hauses bekommt man das Gefühl, als wäre soeben eine Bombe explodiert. Im Wohnzimmer befindet sich ein mit Fellen ausgelegte Grube und eine phantastische Stereo-Anlage. Moon’s Schlafzimmer aber ist eine Kombination von Aufnahmestudio und Künstlergarderobe. In allen Räumen ist ein Chaos, das man eigentlich nur nach einem Erdbeben erwartet. Ein anderer Raum besitzt eine kunstvolle Decke, die aber überhaupt nicht zu den bunt bemalten Pop-Art-Wänden passt. In diesem Zimmer befindet sich eine reichhaltige Bar und eine Musik-Box mit ausschliesslich alten Rock’n’Roll Platten. Mit einem Filzschreiber hat Moon alle Namen der Gruppen die in seiner Musik-Boxen vorkommen, stilgetreu verändert. (Erman’s Armpits statt Hermans Hermits). Dieser Raum, der den Namen ‚relax-room‘ trägt, führt zu einem Schwimmbad, in dem gerade ein Polizist schwimmt. Das Landgut umfasst etwa 30 Hektar und besitzt nicht nur einen kleinen Wald, sondern auch eine Weide, auf der sich 30 Pferde und 2 Ponys tummeln, die einst dem Herzog von Edinburgh gehörten.

DIE GESCHICHTE VON DEM TRUTHAHN

Wir nehmen unter einem riesigen Kastanienbaum Platz. Keith schenkt sich einen zweiten Brandy ein. Niemand hat gesehen, wo er den so schnell hervorgezaubert hat. Die Behauptung, der Brandy wäre soeben von einem Hubschrauber gebracht, erscheint uns unglaubwürdig, aber keiner kann das Gegenteil beweisen. Nachdem die Diskussionen hierüber ein wenig leiser geworden sind, erzählt uns Keith die Geschichte von dem Truthahn.

„Ein Freund von mir hatte einen Truthahn als Haustier. Als er für einige Tage verreisen musste, vertraute er das Tier seinen Eltern an. Der Junge hing sehr an dem Tier und seine Eltern waren dann auch ganz verstört, als der Truthahn eines Tages wie tot auf der Erde lag und sich nicht mehr bewegte. Nach einer kurzen Trauerzeit beschlossen die alten Leutchen, den Leckerbissen aufzuessen und deshalb rupften sie ihm die Federn aus und legten ihn auf eine Schale. Danach gingen sie weg und tranken Tee. Als sie zurückkamen, war die Schale leer. Hals über Kopf suchten sie nach dem Tier und schliesslich fanden sie den nackten Truthahn hinter einem Busch. Kurzerhand brachten sie ihn zum Tierarzt und der stellte nach einer kurzen Untersuchung fest, dass das Tier Brandy getrunken haben musste. Er war also überhaupt nicht tot gewesen, nur betrunken. Als ihr Sohn nach Hause kam, war er natürlich sauer und seine Mutter musste für den Truthahn einen Pulli stricken.“

WEIHNACHTSGESCHENK: EIN KILO

Keith lacht einige Minuten lang lauthals über seine eigene Story, dann schenkt er sich noch einen Brandy ein. „Ich gebe zu, dass ich ein Säufer bin. Aber Alkohol ist nun einmal der Schlüssel zu meinem Erfolg.“ Keith erhebt sich, rennt ins Haus und erscheint einige Minuten später in einem Shanana-ähnlichen Rock’n’Roll Kostüm. Als wir ihn genügend fotografiert haben, zieht er sich erneut um. Diesmal trägt er eine naturgetreue Kopie des Kostüms von Elisabeth der ersten von England und er posiert dabei mit einem Fuss auf dem Klo, das er einst von seiner Ex-Frau Kim als Weihnachtsgeschenk bekam. Plötzlich ist Keith ausser Rand und Band. Er springt wie ein Hampelmann über die Wiese und verschwindet schliesslich mit der Mitteilung, er würde nur kurz seine Nachbarn erschrecken. „Viel Erfolg verspreche ich ihm dabei nicht“, meint Moon’s Chauffeur. „Die Nachbarn haben sich längst an seine Spässe gewöhnt. Hier wundert sich kein Mensch mehr über ihn …“ Das Unglaublichste aber an Keith ist, dass er unverwüstbar ist. Eine Katze hat 9 Leben, er mindestens 999. Er verletzt sich nie. Vor einiger Zeit riss er plötzlich ein Gewehr von der Wand und bildete sich ein, er wäre James Bond. Mit der Waffe sprang er dann durch eine Glasscheibe und hatte hinterher nur eine kleine Schramme an der Hand. Weiter nichts. Ausserdem verursacht er ständig Autounfälle. Aber wie durch ein Wunder ist er noch niemals ernsthaft verletzt worden. Keith ist unwahrscheinlich zäh. Einmal musste er zum Zahnarzt, ein Zahn sollte gezogen werden. Der Mann brauchte 45 Minuten dazu und meinte hinterher, so etwas wäre ihm in seiner ganzen Praxis noch nicht vorgekommen … Als Keith keine Lust mehr hat, sich fotografieren zu lassen, beschliesst er, etwas zu essen zu holen. Er zieht sich seine Uniform mit der goldenen Stickerei an und verschwindet. Wir sehen ihn an diesem Tag nicht mehr und niemand wundert sich darüber. Ein paar Tage später besuchen wir Keith Moon ein zweites Mal. „Sorry, dass ich plötzlich verschwunden war“, entschuldigt er sich. „Aber ich weiss nicht mehr ganz genau, was alles passierte. Jedenfalls befand ich mich plötzlich in einem Fischgeschäft und wusste nicht mehr, was ich dort eigentlich zu suchen hatte.“ Obwohl Keith zu einem Empfang in das bekannte Dorchester Hotel eingeladen war, erzählt er uns vorher

DIE SCHALE MIT DEN NÜSSEN

„Als ich das letzte Mal im Dorchester Hotel war, gab es ein unheimliches Durcheinander. Ich betrat das Hotel und rempelte gegen einen Kellner, der gerade eine grosse Schale mit Nüssen in den Händen hielt. Alle Nüsse fielen auf die Erde. Ich wollte ihm helfen, alles wieder aufzusammeln und stolperte dabei über seine Füsse. Ein Tisch mit Getränken fiel um und als der Kellner sich mühsam aufrappelte stiess auch er gegen einen Tisch und alle* Getränke fielen in den Schoss einer Frau, die einen Luftsprung machte und ebenfalls einen Tisch umwarf. Innerhalb von 30 Sekunden war der Raum unheimlich verwüstet. Sie dachten, es wäre Absicht von mir gewesen und warfen mich heraus.“

DIE EXPLOSION

In New York passierte vor einigen Tagen auch so etwas Merkwürdiges. Keith’s Toilette funktionierte nicht richtig und er dachte, sie wäre verstopft. Nun hatte er zufällig von einem Freund zwei kleine Bomben geschenkt bekommen. ‚Zurecht‘, dachte Keith und warf eine dieser Bomben in die Toilette. Aber was dann geschah hatte auch er nicht erwartet. „Das ganze Badezimmer war auf einmal voller Rauch und als ich wieder sehen konnte entdeckte ich ein grosses Loch im Fussboden und die Toilette lag in der Badewanne. Der Chef des Hotels war inzwischen mit zehn Männern die Treppen hinaufgestürmt und besah sich kopfschüttelnd das Badezimmer. Sie vergassen sogar, mich aus dem Hotel zu° werfen. Zwei Tage später passierte das dann aber doch. Ich hatte nämlich Streit mit unserem Manager und weil ich sauer auf ihn war, warf ich nachts meine zweite Bombe vor seine Zimmertür. Es gab einen furchtbaren Knall und die Tür war kaputt. Später erzählte man mir, dass ein Pudel, der mit dem Fahrstuhl auf dem Weg nach oben wäre zur gleichen Zeit gegen alle vier Wände sprang, so hatte er sich erschrocken. Diesmal warf man mich sofort aus dem Hotel.

DIE GEBURTSTAGSPARTY

Als ich meinen 21sten Geburtstag feierte, waren wir gerade mit Hermans Hermits auf Amerika-Tournee. Irgendwelche Leute hatte eine Party organisiert und noch bevor das Fest begonnen hatte, waren wir betrunken. Wir zogen und deshalb alle aus und sprangen ins Schwimmbad. Als wir in die Halle kamen, in der die Party stattfinden sollte, entdeckte ich plötzlich fünf riesengrosse Torten in der Form eines Schlagzeuges. Ich hatte nur meine Unterhose an und sprang in die Torten. Schliesslich kamen auch die anderen und wir bewarfen uns den ganzen Abend nur mit dem Kuchen. Bis die Polizei kam und uns ihre Pistolen zeigten. Ich wollte wegrennen und stolperte über ein Stücken Marzipan. Schnell raffte ich mich wieder auf und sprang in einen Lincoln, der vor der Tür stand. Erst nachdem ich den Wagen bereits gestartet hatte und unheimlich schnell wegfuhr, fiel mir das Schwimmbad wieder ein. Aber da war es schon zu spät. Ich landete im Bad und sank wie ein Stein. Das Wasser strömte von allen Seiten in das Auto, irgendwie konnte ich mich aber befreien und schwamm an Land. Ein Polizist zog mich heraus, arrestierte mich und brachte mich zum Zahnarzt, weil ich wahnsinnige Zahnschmerzen hatte. Dort sass ich dann mit der Unterhose im Sprechzimmer. Der Zahnarzt konnte mir zu allem Übel keine Spritze geben, weil ich betrunken war. Schliesslich steckten sie mich für vier Tage ins Gefängnis und ich wurde erst entlassen als ich den ganzen Schaden bezahlt hatte. Es waren etwa 100.000 Mark. Ich hatte hinterher keinen Pfennig mehr aber die Jungens sammelten untereinander und gaben mir Geld. Später schickten wir der Direktion des Hotels eine Ansichtkarte mit dem Text „Ihr könnt uns mal… Auf Wiedersehen!“

DAS WASSERBETT

In Kopenhagen pennten wir auf Wasserbetten. Einfach irre. Ich wollte irgendetwas Verrücktes anstellen. Ich wollte das Ding in den Fahrstuhl legen und nach unten fahren lassen. Dort sollte es leerlaufen, wenn die Leute den Fahrstuhl öffneten. Leider ging das Ding schon kaputt noch bevor ich es aus dem Zimmer transportiert hatte und drei Etagen unter mir leckte es auf einmal.

DIE BOMBE

Bei unserem letzten Auftritt während der Mammuttournee durch Amerika, wollte ich die Tour mit einem lauten Knall beenden. Ich hatte eine kleine Bombe an meinem Schlagzeug befestigt und als es dann soweit war, spürte ich, dass die Bombe kräftiger war, als ich erwartet hatte. Mein Schlagzeug explodierte und ich fiel von der Bühne.“

So kann Keith Moon noch stundenlang weitet erzählen. Seine Storys sind unglaublich. Und seine Streiche haben ihm schon über eine Mit Hon Mark gekostet.

„Aber das ist mir egal. Schliesslich bin ich glücklich!“

Nun ja, dann können auch wir uns alle weiteren Worte sparen…