Die verdammte Sehnsucht


Der alte Affe Nostalgie: Sumner, Summers und Copeland erinnern an ihr und unser vergangenes Selbst.

The Police Hamburg, HSH Nordbank Arena

Der alte Affe Nostalgie: Sumner, Summers und Copeland erinnern an ihr und unser vergangenes Selbst. Die interessanteste Frage bei einem Reunion-Konzert, auf dem man keinen einzigen neuen Song hören wird, ist weniger die nach dem „Wie wird’s wohl werden?“, sondern die nach dem „Warum?“. Die „Wie?“-Frage lässt sich einfach ausloten: Im Foyer stimmt sich ein bunt zusammengewürfeltes Publikum schon mal bei Fischbrötchen und Bier zu alten Police-Videos auf das „Best Of „-Programm aus fünf Alben ein. 30.000 Leute sind da, den monströsen Eintrittspreisen von 75 Euro aufwärts zum Trotz. Sie verfolgen, wie sich Stings Sohn Joe Sumner mit seiner Band Fiction Plane müht, exakt so zu klingen wie Papa. Und bejubeln dann, gegen 20.15 Uhr, Abendunterhaltungszeit, die ersten Klänge von „Message In A Bottle“ und sehen auf Videoleinwänden, wie entspannt Sting, Andy Summers und Stewart Copeland in die Arena einlaufen. Das Einzige, was an Sting alt wirkt, ist sein runtergerockter Bass. Copeland definiert die vor ihm liegende Aufgabe sportlich, seine Stirn umspannt ein Schweißband. Einzig Summers sieht aus, wie man sich einen alten Rockstar vorstellt: angemessen verlebt.

Dass hier keine Gefahrensucher unterwegs sind, wird schnell klar: Die Band spielt fast exakt die gleichen Songs wie beim ersten Auftritt der Welttournee in Vancouver: „Walking on the Moon“, „Invisible Sun“, „Every Little Thing She Does Is Magic“, „Roxanne“, „Every Breath You Take“, „Driven to Tears“ etc. pp. Nur vereinzelt streuen sie weniger Bekanntes wie „Truth Hits Everybody“ oder „Voices Inside My Head“ ein. Summers improvisiert hier und da ein wenig, Sting animiert das Publikum auf Deutsch zum Mitsingen, Copeland schlägt auf einen gigantischen Gong ein. Das wurde im Vorfeld sehr gelobt: „Kein Schnickschnack“, nur „drei Männer und ihre Songs“. Angesichts der gigantischen Lightshow und des Wissens um die mehr als 35 Tracks auf dem Parkplatz fragt man sich, ob diese Art des Abfeierns bei solchen Ereignissen {„lang ersehnte Reunion“, „keine Spur von Rock-Rentnern“) nicht längst zum Reflex geworden ist. Ist es wirklich nötig, in Ehrfurcht zu erstarren, nur weil Musiker über 50 ihre Instrumente noch über eineinhalb Stunde halten und auch etwas damit anfangen können? Es ist doch so: Die Reise in die Vergangenheit funktioniert nur, wenn man die Gegenwart ausblendet. „So Lonely“ – was löste das damals für Erschütterungen aus? Mit jeder Zeile wollte man sich den Namen des/der Umschwärmten weiter in seine Gedärme brennen, stattdessen schlurfte man allein über die Tanzfläche, getragen von Stings solidarischem Heulen. Und heute? Wird brav mitgeklatscht und noch ein Rotwein geordert. Copeland weiß um das Problem. Die ersten Konzerte seien „unglaublich lahm“ gewesen, sagte er in einem Interview, Sting ein „Weichei“ und er selbst auch nicht mehr so toll. Von solchem Realitätssinn will sich hier niemand die Laune verderben lassen. Man will die alten Hits hören und endlich mal vergessen, dass man altert. Und warum sich die Band das alles noch einmal gibt? Langeweile oder Geldmangel scheiden aus. Warum also? Aus dem gleichen tieferen Grund, aus dem die 30.000 hier sind: der verdammten Sehnsucht wegen. Es geht darum, sich an eine Version seines Selbst zu erinnern, die man irgendwie toller findet als die jetzige. Zum Ende hin spielen The Police ihren eindrucksvollsten Song an diesem Abend: „Can’t Stand Losing You“, und dann ist der Moment da. Man schaut sich die Menschen plötzlich mit großer Zuneigung an, wie sie da so stehen und eigentlich woanders sind. Ihr wisst schon, wo. Dass sie das noch immer fertig bringen, diese alten Kerle, das ist dann doch rührend.>» www.thepolicenle.com KONZERTE