Diese 5 neuen Weihnachtssongs retten die Adventszeit 2020 wenigstens ein bisschen
Mit Laura Lee, Eddie Argos und Tori Amos.
„Last Christmas” von Wham! und „Driving Home For Christmas” von Chris Rea dürfen in keinem Jahr in der allumfassenden Bescherungs-Playlist fehlen. Aber dieses Jahr wird der Markt geradezu überschwemmt mit neuen Weihnachts-Popsongs von vermeintlich unkorrumpierbaren Künstler*innen wie Eddie Argos, August Burns Red oder Girl in Red, die man auf dem Fest-Grabbeltisch definitiv nicht vermutet hätte. Corona-Verzweiflung? Knietief im Dispo? Hier sind vier neue, adventskompatible Musikbeispiele, die Weihnachten 2020 leider auch nicht retten, aber immerhin gut klingen.
Erste Kerze: Minimal Schlager feat. Eddie Argos + Laura Lee – „Fireworks”
„At the Christmas-Party, looking at the door, just like last year. Just like every year. Do I have to stay? Who am I waiting for?“ Das fragt sich Art-Brut-Frontmann Eddie Argos in seinem typischen Brummel-Sprechgesang über einem stoischen Disco-Pop-Beat, den er mit Laura Lee von Gurr und den Indietronic-Newcomern Minimal Schlager zum Fest abliefert. Textlich eine Abkehr von den wahlweise geliebten oder verhassten Feiertagskonventionen. Der Protagonist findet sich auf einer Parkbank wieder und schaut anderen Menschen beim Feiern zu. Veröffentlicht wird dieser eher düster-wavige Pop-Sargnagel für das Unjahr 2020 bei Duchess Box Records aus Berlin, die laut Laura Lee so etwas wie eine kleine Weihnachts-Single-Tradition pflegen. Wer Glückseligkeit verteufelt und Muttern/Vattern raus aus dem Wohnzimmer und zurück an den Herd jagen möchte, sollte diesen Song definitiv in seine Heiligabend-Playlist packen.
Zweite Kerze: Girl In Red – „Two Queens In A King Sized Bed”
„Two queens in a king-sized bed, there’s no mistletoe above our heads, but I’ll kiss you anyway on Christmas Day”, singt Marie Ulven aka Girl In Red aus Norwegen, die im Covid-Jahr mit hunderten Millionen Streams einen kometenhaften Start ins darniederliegende Musikgeschäft absolvieren konnte. Diese Single verzichtet ganz bewusst auf korrekte Umschiffung üblicher Klischees, es gibt dramatisches Klavier, viel Hall auf dem Gesang, Synthie-Streicher sowie Schlitten- und Kirchen-Glöckchen. Die damit verbundene Eingängigkeit ist auf eine besorgniserregende Art befriedigend, der NME stempelt den Songs gar als „festive as fuck“. Vielleicht was für die ewig währende Weihnachts-Radio-Rotation?
Dritte Kerze: August Burns Red – „All I Want For Christmas Is You” (Mariah-Carey-Cover)
Okay, das Metalcore-Quintett aus Pennsylvania muss spätestens seit ihrem Album „Sleddin‘ Hill, A Holiday Album“ (2012) mit vorwiegend instrumental-durchgeknüppelten Metal-Coverversionen von Weihnachts-Klassikern wie „Jingle Bells“, „Winter Wonderland“ oder „Oh Holy Night“ zur Die-Hard-Fraktion der Weihnachts-Mucker gezählt werden. Nicht ohne einen Anflug von Ironie, natürlich. Wie in jedem Jahr gibt es auch 2020 eine neue Nummer. Mit der Idee, das gequält-schnulzige Evergreen von Mariah Carey als brettharte Instrumental-Version zu intonieren, beweist die Band erneut Stilsicherheit. Und wird damit unverhofft zur Geheimwaffe, wenn der ungeliebte (und illegale) Verwandtenbesuch aus weiter Ferne am zweiten Weihnachtstag auch nach zunehmend unsubtiler werdenden Anspielungen auf den langen Heimweg das Kaffee-und-Kuchen-Pflichtprogramm partout nicht als beendet ansieht. „Ich glaube, wir müssen dann jetzt mal los“ – Danke, August Burns Red!
Vierte Kerze: ABAY – „It’s A Lonesome Old Town“ (Frank-Sinatra-Cover)
Streng genommen ist dies natürlich kein Weihnachts-Song, auch im Original von Frankie Boy nicht. Aber in ihrer melancholisch-faszinierenden Art schaffen es sowohl Sinatra, als auch Junior-Crooner Aydo Abay (Ex-Blackmail, KEN) die Verbindung zwischen Lockdown, den damit verbundenen, irreparablen Schäden für die Kultur- und Veranstaltungsindustrie und der überfälligen Weihnachtsmelancholie zur späten Stunde (mit einem Single Malt, einem guten Rum oder einem exklusiven Rotwein) souverän zu kitten. Muss also definitiv auch mit auf die Misanthropie-Playlist zum Fest.
Ach und guckt mal: Sogar Tori Amos hat sich 2020 zu einem – sehr schönen – Weihnachtssong, nein, sogar zu einer ganzen EP („Christmastide“, 4.12.2020) hinreißen lassen.