Diese Consoles


Martin Gretschmann weitet sein Projekt Console zum Familienunternehmen aus.

Kombinieren Sie, Watson: Warum ist das vergleichsweise lebensgefährdetste Verschleißteil am Computer von Martin Gretschmann die Nulltaste im Zahlenblock? Na? „Weil das ‚Stop‘ ist bei ‚Audiotogic'“, erklärt Gretschmann. Mit diesem Musikprogramm ist der Mann, den sie Console nennen, Großteile seines Arbeitstages zugange. Und ab und zu fliegen eben die Fäuste im ewigen Kampf zwischen Mensch und Maschine – falls sich auftretende Irritationen nicht gewaltfrei aus der Welt und von der Leber schaffen lassen:“Er ergeht sich dann manchmal in ganz furchtbar anzuhörenden Verbalattacken gegen seine Geräte“, lacht Christoph Brandner, Percussionist in der Console-Band. Du schreist deinen Computer an? „Ja, schon.“ Gretschmann zuckt die Schultern und lächelt schief. Befriedigt das denn? „Naja“, räumt er ein, „manchmal muss man auch was kaputt hauen, aber ich bin dann schon immer noch in der Lage, gegen was anderes zu treten als den Computer“. Gern, das merkt man, diskutiert Gretschmann solche Wilder-Mann-Exzesse seinerseits nicht: der Schlaks mit der Zerstreuter-Professor-Frisur und der schwarzen Markenzeichen-Hornbrille ist mehr so der zurückhaltende Typ. So zurückhaltend, dass sich im Interview immer wieder die seltsame Situation ergibt, dass die beiden neben Gretschmann anwesenden Mitglieder der Console-(Tour)band Axel Fischer und Christoph Brandner über „den Martin“ reden, als sei der selbst gar nicht im Raum. „Das war dringend notwendig, dass er mal weggekommen ist aus Weitheim. Der war fertig, der brauchte mal eine Veränderung in Arbeitsbedingungen und sozialem Umfeld“, erzählt Brandner, auch Drummer bei Lali Puna, Tied & Tickled Trio und Pelzig, über das Exil, das sich Gretschmann nach der anderthalbjährigen Produktion des letzten Notwist-Albums „Neon Golden“ (er ist seit Jahren Fest-Mitglied der Weilheimer Institution) auferlegte, um den Kopf für sein eigenes neues Album freizubekommen. Mit Laptop und Mini-Kompaktanlage im Kofferraum setzte er sich im Frühjahr 2001 nach Barcelona ab. In der reduzierten Umgebung des untervermieteten Wohnzimmers eines Bekannten entstanden dort drei entspannte, telefonterrorfreie Monate lang die Rohversionen der Stücke, die die jetzt erschienene Doppel-CD „Reset The Preset“ ausmachen. „Christoph und ich haben ihn da mal besucht“, erzählt Keyboarder/Gitarrist Fischer a.k.a. FC Shuttle. „Da hatte er seine Aktivboxen auf ein paar Kartons drauf stehen und den Laptop in der Mitte und ein paar so kleine Knöpfteteile zum Rumdrehen – mehr war da nicht.“

Zu Hause in Bayern machte sich dann das erweiterte Console-Kollektiv dem neben Fischer und Brandner noch Bassist Michael „Hometrainer“ Schwaiger und neuerdings Chanteuse Miriam Osterrieder angehören (ausnahmsweise kein Mitglied von noch 248 anderen Bands, sondern einfach nur eine alte Freundin von Gretschmann; sie ist ab Mitte Januar auch mit den anderen auf Tour dabei) – an Ausbau und Feinschliff der Tracks. „Es war bei dieser Platte zum ersten Mal so, dass wir auch ziemlich stark eingebunden waren in den Produktionsprozess“, sagt Fischer. Man kennt sich seit langem aus den quirligen Aufbruchstagen der Weilheimer Szene Anfang der 90er, als die ersten Erfolge von Notwist und den Schweißern „eine Euphorie bei den jungen Spundein lostraten (Fischer]. Mit Brandner spielte Gretschmann, damals noch am Bass, in seiner ersten Band namens Brainjam – „Wir haben ihn dann rausgeschmissen, weil er so schlecht war“, grinst Brandner -, dann kam Toxic zusammen mit Fischer. Nach diesen gitarrigen Anfängen wandte sich Gretschmann mehr und mehr den Computern zu – und hat mittlerweile über Weilheim, Bayern, Deutschland hinaus einen guten Namen als Feinhändchen für Elektrobelange. Er hat Depeche Mode und A-ha ge-remixt, für Björk – eine seiner Heldinnen – sogar einen Song („Heirloom“ auf „Vespertine“) geschrieben. „Naja“, wiegelt Gretschmann ab, „sie hat ein fertiges Stück von mir genommen. Wir waren dann im Studio und sie hat nur noch draufgesungen, nichts mehr verändert an der Musik.“ Alles andere wäre ihm auch unheimlich gewesen: „Wenn die jetzt anrufen würde, ‚Komm, wir machen meine nächste Platte zusammen‘, dann hätt‘ ich, glaub ich, ein Problem damit. Einfach respektbedingt. Wenn man zuviel Respekt hat vor Leuten, kann man nicht mit ihnen arbeiten. Das gibt eine Blockade. „Ähnlich gelagert, sagt er, wäre für ihn die Sache bei den Beastie Boys. „Bei Madonna zum Beispiel, da würd‘ ich eher sogen, ‚Ja, logisch, machen wir‘. Die find ich zwar supercool, aber zu der hab ich einen anderen Bezug. Während so jemand wie Björk, das ist irgendwie krasser…“, sinniert Gretschmann. Und dann fällt ihm wieder ein, dass er ja mehr so der zurückhaltende Typ ist: „Aber das ist sowieso alles nur hypothetisch.“ Und lächelt schief. www.console.li-www.virgin.de