DJ Koze


1 FIELD RECORDINGS

Koze schneidet für seine Musik gern Töne aus der Umwelt mit.

Auf meiner ersten Adolf-Noise-Platte sind Schritte drauf, die ich in Dänemark aufgenommen habe. So Kiesauffahrtsgeräusche, tierisch charismatisch. Da ist auch Eduard Zimmermann aus „Aktenzeichen XY“ dabei, wie er sagt: „Außerdem gefunden bei der Leiche: eine Schallplatte von der niederländischen Gruppe Behind The Sofa.“ Vögel kommen auch immer gut. Wenn man die verpitcht, kommen komische Psychosounds heraus. Man wundert sich aber, wie wenige Field Recordings man sinnvoll nutzen kann. Du denkst: „Geil, metallische Geräusche!“ Aber irgendwie nervt das schnell.

2 FLENSBURG

Hier wurde Stefan Kozalla 1972 geboren. Mit 18 Jahren ging er nach Hamburg.

Flensburg, die kleine, geile, gemütliche Kackstadt! Jan Eißfeld (Jan Delay) hat mir mal eine Karte geschrieben, auf der stand: „Viele Grüße nach Flensburg, Home of Rock und Saufen.“ Der findet es schrecklich. Weil da nichts los ist, weil es kulturell abgeschnittenes Hinterland ist und total prollig, trostlos, schön – eine teuflische Mischung für gelangweilte Jugendliche.

3 F.R. DAVID

Hatte mit „Words“ 1982 einen Superhit, der sich acht Millionen Mal verkaufte. Fischmob fragten 1996: „Was macht F.R. David eigentlich heut?“

Das war eine klassische Schnapsidee. Aber die Faszination für „Words“ ist eine, die jeder HipHopper kennt: ein Riesenhit! Jeder denkt, er könnte eigentlich auch Dr. Dre sein. Wenn ich „Words“ heute höre, bin ich immer noch leicht beeindruckt. Diese elektronischen Beats, dann dieses komische Arpeggio und diese Modulation -da merkt man jetzt noch, dass das einfach ein Hit sein musste.

4 AMYGDALA

Im Gehirn steuern zwei sogenannte Mandelkerne die Gefühle. AMYGDALA nennt DJ Koze sein neues Album.

Das ist dein 360-Grad-Gefahrenradar, der nur in Schwarz-Weiß und mono senden kann, weil er so viele Bilder verarbeiten muss. Ohne den würden wir jedem Krokodil ins Maul greifen und fragen: „Kann das eigentlich beißen?“ Angst ist ein großes Thema in meinem Leben. Sie fasziniert mich. Schon das Wort hört sich schön an, magisch. Ich bin auch der totale Phobiensammler! Es gibt sogar Hypopphobie, die Angst davor, keine Angst zu haben. Kein Scheiß.

5 PAMPA RECORDS

2009 gründeten Koze und Markus Fink ihr eigenes Label. Die erste Veröffentlichung: die Hamburger Band Die Vögel.

Mense Reents und Jakobus Siebels kamen mit ihrer „Blauen Moschee“ um die Ecke, und ich dachte: „Das ist doch fantastisch!“ Ich war schon länger mit der Idee einer Labelgründung schwanger gegangen. Pampa ist eine nette, kleine Rasselbande von tollen, talentierten Freunden und Künstlern. Es macht Spaß und viel Arbeit, bringt wenig Geld und gute Musik. Und der Truthahn im Logo ist das uncoolste Tier überhaupt. Ein total schwaches Wappen.

6 HILDEGARD KNEF

Ist auf dem neuen DJ-Koze-Album als Gastsängerin bei „Ich Schreib‘ Dir Ein Buch 2013“ post mortem mit dabei.

Wow! Ich bin ein großer Fan von ihr. Vor acht Jahren hatte ich schon mal einen Remix gemacht. In einer Rotweinnacht in Spanien habe ich mich jetzt wieder durch die Spuren gehört. Da war eine heilige Stimmung unter dem Kopfh örer. Im Rausch habe ich das Stück produziert. Es fällt mir nicht leicht, jedem Sänger wirklich zu folgen. Das gelingt mir aber immer bei Hilde und auch bei Dirk (von Lowtzow). Dann denke ich gar nicht mehr drüber nach, was die da singen. Es sprießen die Assoziationsblüten. Gefühle, Stimmung, Zauber. Und jetzt habe ich gleich beide auf meinem Album!

7 BALAFON

Koze verwendete das afrikanische Instrument auch auf seinem Album. Er musste es sich hart erarbeiten.

Eines Tages erteilte mir mein Innerstes den Befehl: „Du musst ein Balafon haben!“ Dann habe ich mich wochenlang durch westafrikanische Balafon-Videos gegoogelt und bin immer irrer geworden. Die haben ausgetrocknete Kürbisse, sogenannte Kalebassen, als Resonanzkörper unter den Klangstäben. Die Löcher darin stopfen sie mit Spinnenkokons. Dadurch hat man diesen Drrgggddd-Resonanzeffekt. Ein abgefahrener Sound. Mein Balafon habe ich von Momo aus Bremen. Der hat mal als Soundmischer bei einer afrikanischen Band gearbeitet. Ich habe ihm beweisen müssen, dass ich kein Esospinner bin oder einer, der das nur als Wohnungsschmuck haben will. Es hat ein dreiviertel Jahr gedauert, bis ich es abholen konnte.

Und? Teuer?

Geht so. 60 000 Euro. (lacht) Nee, natürlich nicht. Es ist aber die schönste Sache, die ich je für Geld erworben habe.

8 DENDEMANN

Bereits 1998 hat Dendemann auf dem Fischmob-Album POWER mitgewirkt.

Ein Gigant! Eigentlich noch immer der unglaublichste Rapper, den wir haben. Wenn ich ehrlich bin, würde ich mir wünschen, dass Dendemann immer nur HipHop macht. Die deutsche Szene hat sich ja anachronistisch entwickelt. Wir hatten schon alles, intelligent, radikal und virtuos: Eins Zwo, Beginner, Freundeskreis, Kinderzimmer, Samy, Fünf Sterne. Und jetzt ist deutscher HipHop so dummer, machistischer Scheiß-Rap mit Gothic-Instrumentals: „Die Leute kommen an und sagen:’Was machst Du, Bruder?‘ / Ich sach Dir was: ‚Du bist ein Luder‘.“ Warum gibt es eigentlich keine Evolution im deutschen HipHop?

CD im ME S. 19, Albumkritik S. 82

DJ Koze nennt sich auch Adolf Noise, Monaco Schranze und Swahimi, heißt aber eigentlich Stefan Kozalla. Er startete mit den Hamburger HipHoppern Fischmob Anfang der Neunziger seine Karriere mit MÄNNER KÖNNEN SEINE GEFÜHLE NICHT ZEIGEN. Seit 1996 produziert und remixt er Techno und Experimentalelektronik, unter anderem mit International Pony. 2009 gründete er sein eigenes Label Pampa Records.