Dr. Dre, Snoop Dogg, Eminem, Ice Cube & N.W.A.
DICHT WIE IN EINEM AMSTERDAMER COFFEEshop ist die Luft in der ausverkauften Arena. Aus tausenden Pfeifen und Joints steigen aromatische Wölkchen empor, dagegen kommt die Lüftungsanlage nicht an. Was diesen Anblick aber erst lustig macht: jeder Dope-Head musste durch eine Sicherheitskontrolle wie am Flughafen, um in den Saal zu gelangen, an Metalldetektoren, an Taschen- und Leibeskontrolleuren vorbei und aufgereihten Polizeibeamten. Wer Pech hatte, wurde in Handschellen abgeführt. Wer aber drin ist, wähnt sich im Himmel, im Gangsta-Rapper Himmel: Dies ist „Up In Smoke“, die Rap-Allstar-Tournee, mit der der immer rührige Westcoast-Impresario Dr. Dre den HipHop, der seit jeher an der Live-Performance krankte,endlich stadiontauglich machen will. Der Rauch ist Vorbote des finsteren Schalls, der bald über die ebenso finster aussehende Crowd hereinbrechen wird. Aus Watts sind sie gekommen, aus Compton, Inglewood und Venice: Glatzen, Bandanas, Tattoos und T-Shirts mit bösen Sprüchen – irgendwie beschleicht einen das Gefühl, dass dies echte Schwergewichtler sind, keine verkleidete Federklasse. Bald wird es Explosionen geben, brutale Leinwandspektakel, pornographische Videos, ohrenbetäubende Knalls. Schüsse werden fallen und Blut wird fließen – gottlob nur auf der Videoleinwand. Bald werden die Größten der HipHop-Grossen auf die Bühne kommen, mal im futuristischen Fahrstuhl, wie Don Mega Ice Cube, mal im lowriding-hüpfenden Gangsta-Cadillac, wie Dre und Snoop Dogg, mal von einer Gummipuppe begleitet, wie Eminem. Und alles wird überdimensional sein: die Bühne, die Leinwände, der sprechende Totenkopf, der die Arena beherrscht, die leuchtenden Marihuana-Blätter, die Menge mit beinah 20.000 Zuschauern, ja, nicht zuletzt das Image und die Egos der Stars. So aufgeblasen wie die beiden Fäuste mit einem himmelwärts gerichteten Mittelfinger, die während Eminems grandiosem Auftritt über der Bühne baumeln werden. Bald werden Reime abgefeuert werden,“Niggaz“,“Muthafuckaz“ und „Bitchez“ durch die Luft pfeifen, wie aus der Maschinenpistole geschossen. Dr. Dre wird jedem, der mit ihm ficken – will heißen: sich anlegen – will, mit baldiger Obduktion drohen, Ice Cube den omnipotenten Gangster mimen, Snoop Dogg auf der Leinwand einen Wehrlosen abknallen und Eminem öffentlich seine Frau beleidigen. Bald wird ein bisschen der Toten des Genres gedacht werden – Eazy-E, Notorious B.I.G., Big Punisher, Tupac Shakur – mit 2PACS Rap-Hymne „California Love“. Kurzum, Old School HipHop wird dargeboten werden, in seiner besten Form – roh, hart, schnell, größenwahnsinnig und respektlos. Bald wird Ice Cube einige Klassiker abfeuern,“Bow Down“,“Check Yo Seif“, „It Was A Good Day“, und Dre und Snoop Dogg, deren unterschiedliche Stimmen großartig harmonieren, werden als Duo über die Bühne hüpfen und Geschichtsunterricht in Sachen HipHop geben: von „Nuthin‘ But A G‘ Thang“ bis hin zu „Still Dre“. Ein White Boy, der momentan mehr Platten verkauft als jeder andere HipHopper, wird an der Seite der Rap-Heroen die Bühne betreten – Eminems Duett mit Dr. Dre wird bald alles andere an diesem Abend in den Schatten stellen. Zum Schluss werden Ice Cube, Dre und MC Ren mit einem einzigen Song, „Chin Check“, die erste Bühnen-Reunion der legendären N.W.A. feiern – und all jene, die dem Ereignis entgegengefiebert hatten, enttäuschen. Doch bevor das alles über uns hereinbricht, atmen wir die schwere, süße Luft noch mal gaaaanz tief ein.