Konzertreview

Edwin Rosen live in Berlin: Ist das hier „SingStar“ oder noch ein Konzert?


Er ist nervös, die Fans rasten aus: Wir waren beim ersten ausverkauften Berlin-Konzert von Rosen.

Astra Berlin, Freitagabend. Unter schwarzen Zeltdachkuppeln und funkelnden Discokugeln an der Decke drängen sich schlangenweise Fans ins Kulturhaus. Auf der Bühne flackern weiße Kerzen auf weißen Leinentüchern, Donnergrollen und pulsierender Nebel legen schon vor Rosens Auftritt diese verhangene Wave-Atmosphäre in den Raum.

Der Konzertsaal füllt sich schließlich bis ganz vorne, selbst bis rechts und links vor der Bühne, bis auf den letzten Platz. Selbst da, wo normalerweise nur die Papas und Mamas stehen, die als Aufsichtspersonal ihre Kids begleiten, pressen sich noch Teenies aneinander. Nach dem Support-Act Steintor Herrenchor – und bevor Rosens Konzert überhaupt beginnt – kollabiert bereits eine Person in der Mitte der wartenden Menge. Sie muss von Rettungskräften aus dem Raum gebracht werden. Dann werden Wasserflaschen verteilt, und die sehnsuchtsvolle Ungeduld im Raum steigt.

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Ist das hier „Singstar“?

Als Edwin Rosen schließlich die Bühne betritt, bricht ein ohrenbetäubendes Kreischen aus, das sicherlich jeden über 25 dazu bringt, die vergessenen Ohropax zu vermissen. Rosen, von der überwältigenden Resonanz sichtlich gerührt, beginnt sein Konzert mit einem in sich gekehrten Lächeln. Was dann passiert, überrascht ihn schließlich selbst. Jeder Song wird mit frenetischem Jubel und Kreischen begleitet. Die Textsicherheit lässt das Gefühl aufkommen, dass hier eigentlich „Singstar“ gespielt statt ein Konzert gehört wird, eine riesige Karaoke-Party in der Edition von 2023.

Der 25-Jährige gesteht zwischen zwei Liedern, dass er vor seinem Auftritt in Berlin richtig nervös war: Weil Auftritte in Berlin immer intensiver seien als anderswo, umeinschätzbarer, größer. „Ich hatte echt Angst vor diesem Auftritt hier“, murmelt er ins Mikro.

Handyspeicher voll? Egal, BeReal regelt

Das Publikum filmt jedes seiner Worte, ohne Unterbrechung, bis die Handyspeicher voll sind. „Speicher voll“, blinkt auf einigen Displays auf. Teenies wie Erwachsene versuchen daraufhin panisch, ein paar WhatsApp-Chats zu leeren und löschen teilweise sogar die Spotify-App auf dem Home-Screen, um Speicherplatz frei zu machen. Andere wechseln auf die Plattform BeReal und schicken Selfies in den Äther.

Edwin ermutigt die junge Menge zwischendurch mit den Worten: „Wenn irgendwas ist, ihr euch unwohl fühlt, egal, ob es um Religion, Körper, Herkunft geht: Macht euch laut und schluckt nichts runter!“

Während des Songs „Astronautenmädchen“ wird dann zum ersten Mal deutlich, wie beeindruckend die Stimme von Edwin Rosen ist – weil man ihn zum ersten Mal hört. Sein Gesang durchdringt den Raum und berührt die Herzen aller verstummten Anwesenden.

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Ein der Pandemie entwachsener Wave-Star

Edwin Rosen, Ausnahmekünstler Anfang zwanzig, hat sich mit seinen stoisch-sehnsüchtigen Eigenproduktionen und psychedelischen Soundscapes diesen ganzen Trubel und die ausverkauften Berlin-Shows redlich verdient. Seit er sich inmitten der Pandemie mit seiner ersten Single „leichter//kälter“ in die Musikszene wagte, bewegt er sich heute zwischen New-Wave, Dark-Wave, Post-Punk und Synth-Pop. Nur der Hyperpop-Remix seines Songs „Die Sterne“ in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Sparrow tanzt aus der Reihe: Hier wabern Autotune-Klänge durch den Raum, die von dem gänzlich in schwarz gekleideten Produzenten auf der Bühne stammen dürften. „Vertigo“ spielt Rosen am Ende schließlich zweimal.

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