EINE GEWALTIGE RANDNOTIZ
Die Veröffentlichung von Ty Segalls letztem Album liegt fast ein Jahr zurück -eine halbe Ewigkeit im Kosmos des Kaliforniers. Unser Warten belohnt er mit einer Rockoper.
Es ist zehn Uhr Vormittag in Los Angeles. Ty Segall klingt am Telefon, als wäre er gerade aufgestanden. „Nein, nein, du hast mich nicht geweckt“, beteuert er. Im Hintergrund poltern Schubladen, Kochgeschirr klirrt. Segall bereitet sich Frühstück zu. Dabei ringt er nach Worten, um die Idee hinter seinem neuen Album MANIPULATOR zu erklären. „Es gibt eine lose Handlung, jeder Song wird aus einer anderen Perspektive erzählt“, sagt er. „Ich wollte die Geschichte aber nicht nach dem bekannten Schema erzählen: ‚Ich komme in ein Geschäft, kaufe einen Schokoriegel, werfe die Verpackung weg.‘ Sondern eher so: ‚Ein Typ kommt in einen Laden. Schnitt. Ein anderer Typ sieht, wie er den Schokoriegel kauft. Schnitt. Ein Dritter sieht, wie er die Verpackung wegwirft.“ MANIPULATOR ist also Konzeptalbum geworden. Wer dabei an die Rockopern der 60er-Jahre denkt, liegt nicht falsch: Platten wie TOMMY (The Who) oder S.F. SORROW (The Pretty Things) inspirierten Segall, sich Figuren wie „The Crawler“ oder „The Faker“ zusammenzuspinnen. Das fiel ihm leichter, als über Persönliches zu singen. Auf seinem letzten Album SLEEPER hatte er sich noch mit ernsteren Themen gequält. „Mein Vater war gerade gestorben. Ich war völlig fertig“, erinnert sich Segall. „Diese persönlichen Songs kamen einfach aus mir heraus. Es war hart, aber auch heilsam.“ SLEEPER war der Schlusspunkt einer höchst produktiven Schaffensperiode. Zwischen 2012 und 2013 hatte Segall sechs Platten und unzählige 7-Inch-Singles veröffentlicht. Nun war eine Pause fällig. „Ich wollte mir für MANIPULATOR doppelt so viel Zeit lassen wie sonst und sehen, was passiert“, erklärt der 27-Jährige. Passiert ist eine Art Best-of aus seinem bisherigen Schaffen: Die Platte vereint den Wüstenrock der Ty Segall Band mit 60s-Pop, wie er sich 2011 auf GOODBYE BREAD eingeschlichen hatte. Viele Künstler würden sich auf einem so gewaltigen Werk erst einmal ausruhen, für Segall bleibt es wahrscheinlich eine Randnotiz. Noch dieses Jahr soll eine neue Platte seiner Band Fuzz erscheinen. Wann beginnt die Arbeit? Nicht heute. “ Heute hänge ich nur ab und trinke Kaffee“, lacht Segall. Wer’s glaubt.