Eislaufen im Berghain: Diese Highlights erwarten Euch beim CTM Festival in Berlin
Pirouetten drehen zu Techno-Beats, ein Duett mit einer künstlichen Intelligenz und jede Menge Frauenpower: Für sein 20. Jubiläum wartet das Berliner CTM Festival für experimentelle Musik und Kunst mit einigen Besonderheiten auf.
Der Anspruch, entschlossen zwischen allen Stühlen zu stehen – das ist wohl die einzig definitive Aussage, die man über das CTM-Festival treffen kann. 1999 von einer Gruppe Freunde als „Clubtransmediale“ in Berlin gegründet, ging es anfangs vor allem darum, ein musikalisches Abendprogramm für das Schwesterfestival transmediale anzubieten. Dass das CTM in seiner Einzigartigkeit als unabhängiges, weitestgehend ohne kommerzielles Sponsoring finanziertes Festival für experimentelle Musik und Kunst 20 Jahre später noch existieren würde, hätten wohl auch die MacherInnen damals kaum zu hoffen gewagt. PERSISTENCE – das Motto der diesjährigen Jubiläumsausgabe – ist daher durchaus auch als Kommentar darauf zu verstehen.
Doch natürlich geht es nicht um eine Nabelschau oder rückwärtsgewandte Sentimentalitäten. Es geht darum die Gegensatzpaare Beharrlichkeit und Flüchtigkeit, Stetiges und Vorläufiges nach ihrem ästhetischen und gesellschaftlichen Potenzial zu befragen. Da sich das CTM Festival durchaus politisch positioniert, stellen die MacherInnen die Frage, wofür es sich heute überhaupt noch lohnt beharrlich zu sein.
Zehn Tage lang tritt an elf Spielorten in ganz Berlin eine kaum zu überblickende Fülle an KünstlerInnen auf. Neben verschiedenen Ausstellungen gibt es außerdem ein Panelprogramm mit internationalen Speakern aus Musik, Wissenschaft und Kultur. Damit Ihr dabei nicht den Überblick verliert, haben wir für Euch schon mal unsere 5 Highlights aus dem Programm herausgefiltert:
1. Eislaufen im Berghain
Ja, richtig gelesen: Die Halle am Berghain verwandelt sich für die Dauer des CTM-Festivals in eine Eishalle, in der bis zu 40 Leute gleichzeitig auf Schlittschuhen ihre Pirouetten drehen können. Das Ganze geht natürlich nicht ohne musikalische Begleitung vonstatten: Unterschiedliche Kollektive, MusikerInnen und DJs legen in der Eishalle auf, unter anderem das Afro-House-Kollektiv Freak de L’Afrique, das Berliner Partykollektiv Creamcake, die libanesische Techno-Ikone Rabih Beaini und Konzeptkünstler Robert Lippok. Der äußerte in einem Interview bereits Bedenken, ob sich seine Platten bei den eisigen Temperaturen wohl verformen werden. Auch wenn wir das nicht wissen, können wir eines schon mal mit Sicherheit sagen: Die Schlange dafür wird definitiv lang!
2. Perera Elsewhere im Festsaal Kreuzberg
Mit „Drive“ landete Perera Elsewhere in der Liste unserer 50 besten Songs des Jahres 2018. Ihr basslastiger, von Grime beeinflusster Sound wird oft als Doom-Folk bezeichnet und ist selten in der auf Techno fixierten Hauptstadt. Beim CTM Festival spielt die Jahcoozi-Frontfrau und DJ mit einer vollständigen Band eine Mischung aus Ambient, psychedelischem Pop, Avant-R&B und experimentellem Folk.
3. Deena Abdelwahed und Fatima Al Qadiri im SchwuZ
Noch mehr Frauenpower gibt es am selben Abend im SchwuZ: Die tunesische DJ Deena Abdelwahed präsentiert ihr vergangenes Jahr veröffentlichtes Debütalbum KHONNAR live. Außerdem spielt die in Kuwait aufgewachsene Klangkünstlerin Fatima Al Qadiri. Mit Alben wie ASIATISCH und BRUTE hat sie sich einen Namen unter den spannendsten elektronischen Musikerinnen der Gegenwart erarbeitet. Neben ihrer Tätigkeit als bildende Künstlerin hat sie zudem zahlreiche Nebenprojekte und Alter Egos. Eines davon ist Shaneera, ihr „femme Alter Ego“, das auch Titelfigur ihrer gleichnamigen EP war. Wenn sie dazu im gleichen Drag-Queen-Look auftritt, wie das EP-Cover verspricht, könnte sie an wohl keinem besseren Ort spielen als in der queeren Szene-Institution SchwuZ.
4. Actress und Young Paint
Der britische Musiker Darren J. Cunningham ist in der Nische experimenteller elektronischer Musik schon eine Art Superstar. Die Klangforschung, die er als Actress bei seinem 2018 veröffentlichten Projekt mit dem London Contemporary Orchestra betrieb, verglich ME-Chefredakteur Albert Koch damals mit den elektro-akustischen Experimenten des griechischen Komponisten Iannis Xenakis. Beim CTM Festival arbeitet er nun mit einer künstlichen Intelligenz zusammen. Er hat sie Young Paint getauft und ihr schrittweise beigebracht seine rave-induzierten UK-Bass-Produktionen zu imitieren. Über eine lebensgroße Projektion des KI-Charakters in einem virtuellen Studio tritt Actress mit Young Paint erstmals live in künstlerischen Dialog.
5. Tirzah und Yves Tumor im Heimathafen Neukölln
Fresh, aber nicht leicht zu decodieren: So interpretierte ME-Redakteurin Annett Scheffel den Sound des Debütalbums von Sängerin Tirzah, das vergangenes Jahr erschien. Die Londonerin tritt mit ihrem desinteressierten Sehnsuchts-Sound beim CTM Festival vor Yves Tumor auf. An der Beschreibung dessen Meta-Sounds biss sich auch ME-Redakteur Oliver Götz in seinem Review die Zähne aus: „Bleibt man weiter dran an dieser sehr intensiven Musik, finden sich immer mehr vertraute Bezüge zu Dream Pop, Ambient-Techno, Alternative Rock, Spiritual-Jazz, DJ-Shadow-artigem Sampletronic und noch mehr auf dieser Platte, doch fast nichts lässt sich festschreiben und nichts gibt einem das Gefühl von Sicherheit.“ Und wenn das CTM eines sicher nicht will, dann ist es seine BesucherInnen in Sicherheit zu wiegen.
CTM BERLIN – Festival for Adventurous Music and Art, 25. Januar – 3. Februar 2019 in Berlin an verschiedenen Spielorten:
Akademie der Künste | Berghain/Panorama Bar/Säule/Kantine am Berghain |Club Ost |Festsaal Kreuzberg |Funkhaus Berlin/MONOM |HAU1/HAU2/WAU | Haus der Kulturen der Welt | Kraftwerk Berlin | Kunstquartier Bethanien | Red Bull Studio | Schwuz | YAAMFatima