Element of Crime


Sie beherrschen ihre Sprache. Element Of Crime zeigen mit deutscher Poesie und wahren Gefühlen wie es klingen kann, Dichter und Denker zu sein.

Als die Berliner Band 1991 mit .Damals hinterm Mond* ihr erstes deutschsprachiges Album aufnahm, war das ein Sprung ins kalte Wasser: Würde die Fangemeinde dem Sänger Sven Regener seine Muttersprache abnehmen? Oder würde eine akademische Underground-Band in die Niederungen des Bekenntnisrocks abdriften? Mitnichten: Die Sprach-Metamorphose erschloß neue Welten und neue Hörer. Gegen Klischees weitgehend immun, setzte Regener auf lyrische Stillleben, verschrobene Notizen und Alltags-Poesie in der Tradition amerikanischer Songdichter.

Auf .Weißes Papier* bricht die Band zu keinen neuen Ufern mehr auf, aber sie bebaut das gewonnene Terrain mit Freude am Detail. Bei seiner erneut geglückten Gratwanderung zwischen Impressionismus und Schüler-Lyrik erzählt Sven Regener ausschließlich von sich — .Schwere See, mein Herz* haucht er, beobachtet .Draußen hinterm Fenster* das Leben auf der Straße, bringt äußere Erlebnisse elegant in Verbindung zu inneren. Ein Lied kann einen Zustand nicht präziser schildern als die Ballade .Weißes Papier*: Der Sänger beschreibt das schmerzhafte Rückzugsgefecht nach einer Trennung mit einer detailbesessenen Sprachkunst, die an Bob Dyians klassische Elegien des Liebeskummers erinnert. Indem er seine Bilder an entlegeneren Ecken sucht als die meisten seiner Kollegen, läßt er auch gewohnte Sichtweisen hinter sich. Die Musik steht stärker als beim Vorgänger .Draußen hinterm Mond* unter dem Einfluß von Tom Waits. Doch das Piano hat nicht nur Waits gesoffen: Durch die neue deutsche Kammermusik weht auch die Sentimentalität Weilischer Balladen oder alter Schlager. Sie ist mit solcher Transparenz arrangiert, daß man meint, durch klares Wasser auf den Grund zu blicken. Mit Rockmusik, Deutsch-Rock gar, hat das gar nichts mehr zu tun. Aber auch die gefährliche Klippe .Kunst-Kacke* haben die Berliner umschifft. Sollen sie doch in Goethe-Instituten und Theatern spielen – sie machen auch dort ihr eigenes Ding und stehen damit im Moment ziemlich allein da.

Auf dem Weg zur eigenen Sprache

Frühjahr 1985. Die .Neue Deutsche Welle* ist längst verebbt, die Musikszene im eingemauerten West Berlin ist nach den Stürmen der frühen 80er Jahre müde geworden. Die ganze Musikszene? Nein. Ein kleines Häuflein von aufrechten Gitarrenschrammlern gründet die Band Element Of Crime. Sven Regener singt (zunächst englisch), Paul Lukas spielt Boss, Jakob llja Gitarre. Aber das bekannteste Gesicht sitzt am Schlagzeug: Uwe Bauer hatte zuvor bei den Fehlfarben getrommelt. Seine Düsseldorf-Connection führt die Band zum Indie-Label AtaTak, in fünf Tagen entsteht die erste LP „Basically Sad“. Als sie erscheint, verläßt Bauer die Band, Richard Pappik kommt — bei dieser Besetzung ist es bis heute geblieben.

Karriereschub — eine große Firma wird auf das Quartett aufmerksam und stellt der Band 1987 ein Londoner Studio samt erstklassigem Produzenten zur Verfügung: Velvet-Underground-Legende John Cale leitet die Aufnahmen von „Try to be Mensch“. 1988 führt es die Berliner sogar nach New York: „Freedom, Love & Happiness“ entsteht unter Manhattans Wolkenkratzern. Der erste deutsche Text findet sich auf dem 89er Album „The Ballad Of Jimmy & Johnny“. Nach dem hochgelobten Live-Album „Crime Pays“ folgt 1991 der große Schritt nach vorn: „Damals hinterm Mond“ enthält ausschließlich deutsche Texte. Im Sommer 1992 schließlich touren sie im Vorprogramm von Herbert Grönemeyer, der voll des Lobes ist: .Ihre Texte und Musik sind wunderbar verschroben, melancholisch, erfrischend eigenständig, melodiös und schräg. Und die Jungs sind zu allem Überfluß auch noch schwer in Ordnung.“

Der Meister des gesungenen Wortes

Das .Kloster“, Sven Regeners Stammcafe im Herzen von Berlin-Kreuzberg. Ikonen und katholischer Kitsch zieren die Wände, sogar die Papierservietten sind stilecht — nonnenschwarz. Jch fühle mich hier wohl, weil mich die Bedienungen und Stammgäste schon lange kennen“, erzählt der gebürtige Bremer in solidem hanseatischem Slang. ,Niemand spricht mich ständig auf Musik an — man kann über Alltägliches reden.“ Darum geht es auch auf dem neuen Element Of Crime-Album: Regeners Geschichten erzählen von einDISKOGRAPHIE

Basically Sad (AtaTak) 198« Try to be Mensch (Polydor) 1987 Freedom, Love & Happiness (Pol.) 1988 The Ballad of Jimmy & Johnny (Pol.! 1989 Crime Pays – Live (Palydor) 1990 Damals hinterm Mond (Polydor) 1991 Weföei Papier (Polydor) 1993 fachen Dingen — ohne jemals platt zu sein. „Ich habe keine Angst vor Peinlichkeiten — vielleicht sind meine Lyrics deswegen nicht peinlich“, sinniert er. .Ich gehe immer vom Individuum aus, dort entscheidet sich alles. Allgemeine Aussogen interessieren mich nicht. Wenn ich eine Metapher benutzen möchte, überlege ich: Gibt es vielleicht noch ein weniger abgenutztes Bild? In der Ballade , Weißes Papier‘ singe ich von einer Hose, die jemand in den Container der Heilsarmee wirft. Eigentlich war das ja ein Container der Arbeiterwohlfahrt — aber wen kümmert’s? Heilsarmee klingt einfach viel besser.“ Gehen die Inhalte komplett auf Sven Regeners Konto, ist an den Kompositionen immer die ganze Band beteiligt.

.Im Studio herrscht bei uns der freie Fluß der Ideen. Nichts ist vorgefertigt, jeder Song kann sich ständig ändern.“