ENNIO: Aus dem Club auf den Schirm in den Club
Ennio ist kein Freund großer Worte, zumindest, was ihn selbst betrifft. Wer fragt, was er denn macht, kriegt „einfach nur Musik“ als Antwort. Und eben das macht eben diese Musik in einer Zeit absoluter Überpräsenz wohl so einzigartig.
Aus dem Deephouse
Irgendwie in Hamburg verwurzelt, spielte Ennio ganz früher schon regulär im Ballsaal und entwickelte sich schließlich zur festen Instanz im PAL. Nun in Berlin ansässig, hat sich sein Fokus gesund verschoben: Weiterhin lebt er sich in der Produktion technoider Werke aus, jedoch ist sein Schaffen emotionaler geworden, auf Deephouse folgt echte Tiefe. Heute beschränkt sich sein musikalisches Schaffen nicht mehr auf Clubs und Laufstege, seine Sounds sind ebenfalls in Filmen zu hören. Ein wesentlicher Teil seines künstlerischen Prozesses besteht gar in der Komposition neuer Soundtracks von Filmen, die er liebt. Aus Spaß – für niemand anderen.
Mehr Gefühl
„Clubmusik heute schockiert mich nicht wirklich“, sagt Ennio. Einen höheren künstlerischen Wert sieht er nicht in der Unterhaltung von feiergelauntem Tanzpublikum, sondern in der gemeinsamen Arbeit mit Künstlern: sei es im Film oder in Installationen. Ein Mehrwert entsteht für Ennio im Verbund. So hat er im Basecamp der letzten Red Bull Music Academy einen Track mit Asad John und DJ Heroin aufnehmen können. Dabei lebt Ennio in Extremen: Geht er selbst gern aus, treibt ihn das eher zum Schaffen treibender Klänge – aus dem Club in den Club. Lebt er wie aktuell eher unter dem Radar, weniger umtriebig, nehmen seine Tracks emotionalere Züge an.
Bieber und Berghain
Nach dem Release seiner letzten EP Stein Ego auf Patron, das Rotation sowohl auf Ibiza als auch im Berghain erfahren hat, ist eine weitere Veröffentlichung fürs Frühjahr des kommenden Jahres angesetzt. Wichtig ist Ennio aber, sich keinesfalls auf Musik für Tanzflächen zu beschränken. Ginge es darum, ein Album rauszubringen, wollte er vor allem eine Geschichte erzählen. Eine einzige Richtung könnte das kaum vollbringen, braucht sie doch Facetten. Eben das wird auch in Ennios DJ-Sets deutlich: Liegt der Fokus klar im Bereich des Technoiden, scheut er keineswegs Gefilde, die manchem eher gegensätzlich erscheinen mögen. So spielte er während eines Sets in Hamburg spontan einen Track von Justin Bieber – was passt, passt. Zwar mag es gewissen Puristen missfallen, gleichzeitig aber schätzen sie Ennios technische Fähigkeiten – seine Identität, seine Linie besteht in seiner Bandbreite. In seiner Musik steckt sein Charakter und eben das besticht.
Große Töne machen, nicht spucken
Ennio ist zurückhaltend. So produziert er meistens allein zu Hause, seine Releases kommen nicht zustande, weil er es unbedingt darauf absieht. Viel mehr ist es sein Kreis, der ihn dazu bringt. Seine Promotion und Bookings handhabt er selbst, seine Präsenz auf Social Media ist nicht gering, sondern angenehm. Soundcloud ist bisher die einzige Plattform zum Streamen seiner Musik, jedoch soll sich das möglichst bald ändern, wie mit Releases auf Spotify. Mit der Reform der Plattform wird das nun greifbar. Auch wünscht sich Ennio eine regelmäßige Radioshow, gemäß seiner Bandbreite nur konsequent. Sein Kontakt mit einem experimentellen Radiosender aus Berlin lässt hoffen, dass der Wunsch bald Realität wird. Es gibt viel zu hören.