„Es Könnte Mal Wieder Kleiner Werden“
Indiekids im Technorausch: MSTRKRFT und BOYS NOIZE sind derzeit auch Darlings von Leuten, die Musik vor allem über Melodien wahrnehmen.
MSTRKRFT rauchen erst mal. Und dann schimpfen sie ein bisschen über den Stand der Dinge. “ Indiekids gucken einen immer an. Die stehen mit dem Gesicht zu dir und glotzen“, sagt Jesse F. Keeler (alias JKF), diejenige Hälfte des Technoduos,, die früher bei den Rockern Death From Above 1979 angestellt war. „Dabei machen wir ‚Dance Music‘. Das ist die einzige Musikrichtung auf dieser Welt, die für genau einen einzigen Zweck da ist – nämlich zum Tanzen.“
Von Begriffen wie Indietronics und New Rave, die die derzeitige Verschmelzung bzw. Überlappung zweier populärmusikalischer Welten – Dance und (Indie)rock – in Schlagwörter kleiden, hält JFK entsprechend wenig. Dass sich die Auswahl der Vokalisten auf dem neuen MSTRKRFT-Album FISTOF GOI) mit Gästen wie Ghostface Killah und John Legend in einem recht checkerhaften Hip-Hop-/R’n’B-Bereich bewegt, passt da gut. „Es war eine bewusste Entscheidung, niemanden aus der Indieszene auf die Platte zu nehmen“, sagt Keelers Kollege AJ-P. „Klar, wir hätten M.I.A. oder Kid Cudi fragen können. Die hätten das bestimmt gerne gemacht. Aber wir wollten Leute, die schon etwas mehr vorzuweisen haben und unsere Platte damit allgemeingültiger machen.“
Alex Ridha alias Boys Noize sitzt einen Tag später ausgerechnet im Ramones-Museum in Berlin für Interviews.
Auch er bringt dieser Tage mit POVFF.R ein neues Album heraus verzichtet darauf aber auf singende Stargäste. „Derzeit läuft das so“, sagt Ridha. „Die erste Platte wird groß, also knallst du auf die zweite ordentlich Gäste drauf. Genau das wollte ich nicht, weil es mir als Boys Noize nicht um irgendwelche strategischen Entscheidungen geht. Ich bin DJ. Und meine Musik produziere ich in erster Linie, um sie auch aufzulegen.“
Dass seine Zielgruppe enorm gewachsen ist, seit seine Tracks, vor allem aber auch Remixe wie die von Feists „My Moon My Man“ in der Indiedisco laufen, weiß er. „Das ist ganz eigenartig, wenn ich auflege. Die Leute gehen total ab, wenn ich die Stücke von meinem Album spiele. Manchmal ist das schwierig, weil das ja nicht der Ansatz eines DJs ist. Als solcher möchte man die Leute ja mit unbekanntem Zeug kriegen, mit den neuesten Sachen.“
Wie ein Rockpublikum tickt, weiß Ridha also – bei seinem Auftritt beim diesjährigen Frequency-Festival arbeitete er bewusst dagegen. „Ich hab richtig harten Kram aufgelegt. Trance, keinerlei irgendwie indieangehauchten Electro. Es kam aber recht gut an“, sagt Alex Ridha. MSTRKRFT, die dort ebenfalls auftraten, standen am Bühnenrand und hörten zu.
„Das war sehr heftig, fast zu heftig. Justice ist melodiös gegen das, was Alex da gemacht hat“, sagt Al-P. Er sieht Techno in diesen Tagen neuerlich am Wendepunkt. „Es ist vielleicht komisch, wenn ausgerechnet wir das sagen, aber es wurde in den letzten Jahren immer lauter und heftiger. Irgendwann kannst du nicht mehr lauter werden. Ich denke auch, dass die Beliebtheit von Techno außerhalb des Undergrounds zurückgehen wird. Irgendwann werden die coolen Kids wieder Rockbands hinterherlaufen. „
Klingt nicht so, als hätten MSTRKRFT damit ein Problem. Und Alex Ridha? Der lacht. “ Stimmt schon. Es könnte mal wieder etwas kleiner werden.“