Feist live in Kanada


Feist live in der Hauptstadt der Steppe von Kanada - ein Luftschloss, ein heiler Kindergeburtstag, ein großes Konzert. Hier steppt auf verschiedene Art mehreres: die Landschaft, die Bühne, die Leslie Feist.

Aus insgesamt 55$ + 5 Stunden Highway-Fahrt bei mäßig erträglicher Schubladencountrymusik zementiert sich ein Luftschloss in die Erde: die echte Feist, im echten Kanada, in ihrer freien Wildbahn. Zur Konzerthalle mutiert, ist das Schloss immer noch größer als erwartet – zu groß, wenn man tatsächlich sitzen will. Das endet dann eher 20m vor der Bühne. So gibt man dann großzügig den Sitzplatz auf und gelangt durch Selbst- liquidisierung knapp in die 1. Reihe. Schaut man sich das Publikum dabei näher an, tendiert es zum Mischsalat mit gesitteter Laune: Dreadlockpalmen versperren die Sicht und eine Glatze im Anzug erwischt den Gehörgang, nuschelt Liebes- erklärungen, die an die Vorband gerichtet sind: Eine Band, von deren Sorte die Welt derzeit viele produziert, bestehend aus Hornbrillen und solidem Indiegitarrenrock – ungefähr der gute Restgeschmack eines ehemals frischen Kaugummis. Noch während man diesen kaut, geschieht der erste Aufprall mit der Besonderheit dieses Konzertes: verwunderlich große Halle, und trotzdem entsteht hier ein Kaffeeklatsch zwischen Band und Publikum. Ein bisschen plaudern, ein bisschen singen, ein paar Geschichten erzählen. Dann geht es um Feist, exakt nach 3 Sekunden sprießt die Gänsehaut, das Fräulein bittet zu Tisch: mit wunderbar dreifarbigen Stimmwellen, die tatsächlich das Intro für „The Water“ bilden, das sich länger zelebriert als der eigentliche Song. Ihre Stimme ist gleichzeitig kratzig und klar, und sie hört sich an wie Wasser – auch wenn die Kerben an dieser Formulierung tief sitzen. Das kratzige, das ist live und erweckt den Klang (was genau nicht zu Feists Gesten passt, denn sie wiegt ihre Gitarre wie ein Baby in den Schlaf). Hinzu kommen die hier und da spontan hinzugebastelten Harmonien. Die passen intuitiv. Zu „Intuition“ besonders gut. Das Gitarrensolo dazu wird nicht von einem der biberbärtigen Bilderbuchholzfäller, gut erzogenen zarten Rockern, gespielt, sondern von Feist selbst. Heraus kommen merkwürdig sterilisierte Staccatotöne, und man weiß nicht recht, ob man das gern haben will oder nicht.Insgesamt werden nicht nur Lieder vom 1. und 2. Album gespielt: die souverän durchgesungenen Liederansagen entwickeln sich zu eigenen Songs, die bitte das Baumaterial fürs nächste Album bilden.Die 2. Ebene des Ganzen, die mehr als nur Hintergrund ist, besteht aus der Mammut-Bühnenleinwand, die durch Live-Malereien auf gutem alten Overheadprojektor wortwörtlich die Musik ummalt: Gitarrensoli brechen parallel zu Vulkanen aus oder auch anders herum und zeitweilig steppt die gesamte Bühne durch eine Liveaufnahme von Leslie Feists steppenden Schuhen.Den Höhepunkt bildet dann aber doch der Song „1,2,3,4“ mit Lamettabomben etc., ein heiler Kindergeburtstag. Die Jubelschreie werden als Girlanden in die Luft geworfen, eine andere Art der Raumdekoration. Das Konzert wird vielleicht durch seine Rundheit schwer von den anderen auf der Tour zu unterscheiden sein. Man wusste auch schon vorher, so viel schiefes an Tönen wird bei der Feist nicht herauskommen, aber am Ende war man doch baff. Wenn man etwas schon vorher ahnt, heißt es nicht, dass es deswegen kleiner ist. Das Konzert war groß. Genau eines der Art, nach dem man die Sängerin beim Vornamen nennen will. Ach, die Leslie, die liebe Gute. Die hat das schon sehr feist gemacht.

Friederike Hoppe – 28.12.2008