Finnischer Freak


Techno ist zwar nicht tot, aber stinklangweilig. Meint zumindest Jimi Tenor. Und dirigiert lieber ein Orchester.

Wer behauptet, Finnen seien so melancholisch still wie die Tundra, so in sich gekehrt wie die Stimmung während langer Polarnächte so mundfaul wie die Ostseefischer – der hat möglicherweise Recht. Zumindest, wenn man Jimi Tenor als den Prototypen eines Finnen betrachtet. Was natürlich so nicht zulässig ist und von ihm, der zurzeit in London lebt, auch gar nicht gern gesehen wird: „Dieses Etikett ‚Finne‘ wird mir ja gerne angeklebt. Aber ich halte davon gar nichts. Ich komme aus Finnland, und ich mag meine Heimat. Aber es ist bestimmt nicht mein Lebensinhalt, etwas ‚Finnisches‘ oder einen ‚finnischen Sound‘ zu kreieren.“ Also: Das Finnen-Label stört limi Tenor. So schnell so viele Sätze auf einmal macht er selten. Meist überdenkt er die jeweilige Frage, senkt den Kopf, betrachtet seine langen, weißen Finger. Dann kommt die Antwort langsam, zurückhaltend, kurz, ohne Zierde und Abschweifung. Keine langatmigen dogmatischen Statements, keine elaborierten Kunsttheorien: „Ich mag diesen intellektuellen Zugang zur Musik nicht so besonders gern. Ich habe auch keine besonderen Visionen, bevor ich mit der Arbeit an einem Album beginne – dazu bin ich ein zu schlechter Musiker. Meine Musik entwickelt sich langsam. Aber irgendwann ist sie fertig und auf dem Mastertape aufgenommen. Dann ist nur noch Musik da; meine Musik, niemand kann daran etwas verändern. In welchem musikhistorischen Kontext meine Platte dann steht, welchem Genre sie zuzuordnen ist, darüber sollen sich andere den Kopfzerbrechen.“ Die Entwicklung, deren vorläufigen Endpunkt limi Tenors neues Album „Out Of Nowhere“ markiert, ist demnach auch nicht das Ergebnis langwieriger Reflexionen.

Es ist einfach passiert, dass er von kleinen, leicht trashigen Produktionen auf dem Kultlabel „Sähkö“ zu „Take Me Babe“ kam, dem Ixwe Parade-Hit, der ihn zum Popstar des Techno machte; und dass er sich dann in immer komplexere Gebiete wagte und schließlich mit „Out Of Nowhere“ seine Platte vom Orchester des lodzer Theaters einspielen ließ. Und damit ein faszinierendes Soundgebilde zwischen Filmmusik, )azz, Pop und moderner Klassik schuf. ]irni Tenor: „Technisch wäre es natürlich kein Problem gewesen, das Album auch ganz alleine einzuspielen, nur am Computer. Aber gerade das wollte ich nicht mehr haben. Keine Sequenzer, keine Drummaschinen. Ich wollte auf’Out Of Nowhere‘ diesen großen, lebendigen Sound. Es war zwar schwierig, weil meine Stücke noch nicht arrangiert waren und ich beim Einspielen den Musikern erst erklären musste, wie es zu klingen hat, aber das war es wert.“ Und was ist mit Techno? Ist die pure Tanzmusik für limi Tenor gestorben? „Techno ist nicht tot, aber langweilig. Irgendwann war die Kreativität weg. Viel zu oft wurden die immer gleichen Ideen verwendet. Der ganze Vibe war irgendwann verschwunden. Auf der anderen Seite gab es dann bestimmte l£ute, die diesen Kunsthochschulen-Touch in den Techno brachten, dieses Intellektuellen-Ding. Das war dann nur noch fad.“ Das wird limi Tenors Label aber gar nicht gerne hören, schließlich steht „Warp“ wie keine andere Firma für sogenannten „Intelligent Techno“. „Ich bin kein Repräsentant meines Labels. Die veröffentlichen meine Platten und betreuen mich besser, als das ein MajorTjbel könnte. Aber ansonsten habe ich damit nicht allzu viel zu tun. Ich bin Musiker.“