FLOW FESTIVAL


In Finnland regiert Schwermut? Von wegen! Auf dem Flow-Festival zeigen Bands wie Grimes und Disclosure, dass auch die Nordlichter zum Hedonismus neigen.

Beim Flow-Festival sind die Wege zu den Konzerten Catwalks, zumindest für die ausländischen Gäste, die das nicht gewohnt sind. Für Einheimische ist das ein ganz normales Bild. Finnen legen Wert auf Ästhetik. Es kommt schließlich nicht von ungefähr, dass Helsinki im vergangenen Jahr „World Design Capital“ war. Stil hat auch der Rest des Festivals. Das sonst brach liegende ehemalige Gelände eines Elektrizitätswerks bietet Platz für eine Hauptbühne, zwei Zelte und diverse andere Auftrittsorte. Die Wege sind kurz.

Verpassen muss man nichts. Die Frage ist eher: Wo fängt man an? Da wären etwa K-X-P. Die lokalen Helden schmettern am Freitag ihren elektronischen Krautrock mit wummernden Bässen und zwei Schlagzeugern. Laut, wuchtig, ein guter Start ins Wochenende. Danach geht’s zu Alicia Keys, wenn auch nur wegen eines Songs: „Empire State Of Mind“, ein Mal live sehen – hiermit abgehakt. Am nächsten Tag stolpert man in den Auftritt der Parquet Courts. Vier junge Männer aus Brooklyn, die 2012 ihr Debüt LIGHT UP GOLD herausgebracht haben. Songs wie „Stoned And Starving“ bleiben sofort hängen. Eine Mischung aus Pavement, Strokes und Sonic Youth – Gitarrist Austin Brown sieht dazu nicht nur aus wie der junge Thurston Moore, er bewegt sich auch so. Diese Band ist reif für die großen Hallen. Das hier ist sie, die obligatorische Festival-Neuentdeckung.

Kurz darauf sind die Finnen bereit für den Rave von Disclosure. Wie aufgeladene Moleküle, die sich voller Spannung aneinander reiben, stehen sie dichtgedrängt vor der Bühne. Es reicht der erste Ton, um tanzende Ekstase auszulösen. Gut, dass die Brüder Guy und Howard Lawrence sogar das passende Stück dafür haben, als ihr Konzert beginnt: „When A Fire Starts To Burn“. Hier steigt eine Stunde lang die Party auch ohne große Show: Zwei Kerle stehen hinter ihren Laptops, brüllen ab und zu ein „Thank you Helsinki“ und lassen im Hintergrund die allgemeinen Visuals des Festivals laufen. Nichts für Ästheten, nur für Hedonisten. Später geht’s rüber zu Grimes (Foto). Durch den Nebel läuft Claire Boucher zu ihrem Mischpult, kaum da, verschwindet sie auch schon wieder. Ja, wo läuft sie denn? Ah, wieder da! Ein kurzes Knöpfedrehen und zack: noch mal weg. Als die Kanadierin schließlich ihre Kommandobrücke findet, liefert sie einen mitreißenden Auftritt ab. Begleitet von zwei Tänzerinnen, fuchtelt sie sich durch ihre älteren Gothic-Stücke und die Synthie-Popsongs vom Album VISIONS. Das passiert mal hinter, mal vor, mal unter und mal über Drum Machine, Sampler und Keyboard und erinnert dabei bisweilen an eine Turnerin am Barren. Das Publikum belohnt so viel Engagement mit donnerndem Applaus.