Funky Kaffeehaus


Nur die Ruhe: Die Plattenfirmen balzen heftig. Doch zwischen Studio und Kaffeehaus läßt sich das Wiener DJ- und Produzententeam Kruder & Dorfmeister mit dem ersten Album Zeit.

Sie haben die Langsamkeit zwar nicht entdeckt, aber sie haben sie zu ihrem Stilmittel erklärt: Peter Kruder und Richard Dorfmeister, zwei Endzwanziger aus Wien, sind seit zwei Jahren die gefragtesten Leute, wenn es darum geht, den sanft fließenden TripHop-Remix anzufertigen. Die amerikanischen Rapper von Bone Thugs-N-Harmony (‚First Of Tha Month‘), Tim Simenon von Bomb The Bass (‚Bug Powder Dust‘) und Drum ’n Bass-Kronprinz Alex Reece (‚Jazzmaster‘) haben neben vielen anderen – von den Künsten des Duos bereits profitiert. Weitere Anfragen häufen sich, aber im Moment arbeiten Kruder & Dorfmeister an ihrem überfälligen Debüt-Album. Etliche Plattenfirmen haben schon angefragt und mit grandiosen Vorschüssen gelockt, aber die Wiener sehen keinen Gund zur Eile und haben bislang alle Angebote dankend abgelehnt: „Drei Alben in drei Jahren – so lauten die üblichen Verträge. Unter einem solchen Druck kann doch nichts entstehen. Unser Ziel ist Qualität. Wir sind an organischem Wachstum orientiert“, sagt Richard Dorfmeister auf die Frage, warum sie sich so zieren. Wie viele Produzenten im modernen Dancefloor-Business sind auch Kruder & Dorfmeister schlau genug, sich nicht auf ein schnelles Major-Geschäft einzulassen, sondern auf das längst ausgebaute Netzwerk des Untergrounds zu vertrauen. Also haben sie bislang ihre Platten auf ihrem eigenen ‚G-Stone‘-Label veröffentlicht: ‚G-Stoned‘ (1994) mit dem witzigen Remake des Coverfotos der Simon & Garfunkel-LP ‚Bookends‘ war dabei ihr Einstieg ins selbstverwaltete Leben als Label-Betreiber. Ansonsten gibt es noch einige Beiträge zu Indie-Dancefloor-Compilations (von Ninjatune bis Wall Of Sound) und natürlich ihre beiden Mix-Alben: ‚DJ Kicks‘ ist eine Dope-Beat-Collection, die Dub-Tracks von Rockers

Hi-Fi, Drum ’n Bass von Aquasky und TripHop von Herbalizer und Beanfield kombiniert. Auf der Compilation ‚Conversions‘ zeigen sich Kruder & Dorfmeister als Verehrer von Drum ’n Bass, was sie zur Zeit auch am liebsten bei ihren DJ-Sessions auflegen. Denn egal, wie viele Studiojobs auch auf sie warten: Kruder & Dorfmeister sind in erster Linie DJs,

die die Tanzböden von London (‚Blue Note Cafe‘) bis München (‚Into Something‘) zum Kochen bringen.

An einen Umzug von Wien in eine der Pop-Metropolen Europas ist aber nicht gedacht. „Wien ist schon fast Ostblock. Total relaxed. Einmal am Tag geht’s mindestens ins Kaffeehaus“, sagt Richard Dorfmeister über seine Heimatstadt. Hektisches Arbeiten liegt den Wienern einfach nicht. Also müssen sich auch die Auftraggeber gedulden: „Wenn wir einen Remix machen, dann machen wir den nicht in zwei Tagen. Der dauert zwei Wochen. Und in den Pausen geht’s ins Kaffeehaus.“ Auch wenn die Arbeitsweise also von österreichischen Traditionen geprägt ist, kommen die Einflüsse der Produzenten aus England: „Aus dem britischen Radio, Reggae-Sondersendungen, Kiss FM, Coldcut. Diese Haltung, sich vorurteilsfrei vielen verschiedenen Stilen zu nähern und sich dann das aus unserer Sicht Beste herauszugreifen – das ist durch diese Einflüsse geprägt.“ Diese DJ-Methode, sozusagen die Bearbeitung von Fremdmaterial, reicht inzwischen völlig aus, um sich einen eigenen Namen zu machen. Auch wenn es sich bei den Tracks auf ‚DJ Kicks‘ und ‚Conversions‘ hauptsächlich um die Musik anderer handelt, erkennt die ständig wachsende Fangemeinde darin die Handschrift von Kruder & Dorfmeister. Ursprünglich haben die beiden aber nicht als DJs angefangen, sondern sie waren „wirkliche“ Musiker: „Der Peter hat in einer HipHop-Band namens ‚Die Moreaus‘ gespielt. ‚Moreau‘ wie Jeanne Moreau. Das war deutschösterreichischer HipHop – gut aber nicht erfolgreich. Und ich habe in einer Gitarrenband namens ‚Sin‘ gespielt. Sin wie Sünde – wurde aber auch nicht sonderlich bekannt“, erinnert sich Richard Dorfmeister an die ersten Schritte ins Musikerleben. Noch heute sind Kruder und Dorfmeister fest verdrahtet in der Wiener Musikszene. Gerne kollaboriert man mit Pulsinger und Tunakan, dem Team vom befreundeten ‚Cheap‘-Label (das allerdings eher dem Techno-Genre zugeordnet wird). Und sie produzieren dann und wann österreichische Bands wie Waldeck oder Count Basic (deren K&D-Session sich auch auf ‚Conversions‘ wiederfindet). Auch hier gilt wieder: durch die Behandlung von Kruder & Dorfmeister verwandelt sich fremde Musik in eigene, werden die Tracks zu originärem K&D-Material.

Richard Dorfmeister leistet sich sogar noch das Nebenprojekt Tosca, das er mit Rupert Huber betreibt. Bislang sind zwei phantastische Maxis entstanden: ‚Chocolate Elvis‘ (mit gesampleter Opern-Diva) und ‚Fuck Dub´ das das gestiegene Interesse an jamaikanischen Produktionsweisen andeutet. Im Moment freilich sind Kruder & Dorfmeister zusammen an der Arbeit zum ersten „wahren“ Album. Als Arbeitstitel sickerte der Name ‚Pink Floyd‚ durch – was gar nicht mal so ironisch zu verstehen ist, gehört ‚Dark Side Of The Moon‘ doch erklärtermaßen zu den Lieblingsplatten der beiden. Niemand weiß genau, wann das Album veröffentlicht wird, nicht einmal Richard Dorfmeister selbst: „Im Idealfall bleibt die Arbeit liegen. Erst dann hört man die Schwachstellen. Das ist wie bei Rechtschreibfehlern: die sieht man auch erst nach ein paar Wochen.“