Fußball-EM: Bist du Experte, Armleuchter oder ein Parasit?


Der Ort, an dem du die EM-Spiele anschaust, sagt mehr über dich aus, als du denkst.

Die wichtigste Entscheidung eines Fußballfans (neben der Aufstellung im deutschen Mittelfeld) ist der Ort, an dem er oder sie die Deutschlandspiele anschaut. An der Auswahl dieses Ortes erkennt man den echten Experten. Oder eben den Nutznießer, den Parasiten und den Freizeit-Soziologen. Wir erklären Dir die unterschiedlichen Fan-Typen anhand ihrer bevorzugten Location.

Zu Hause – alleine oder mit den Liebsten

Du bist: Fußballexperte

Du benötigst niemanden, der dich von der Seite anquatscht, um Dir zu erklären, warum jetzt ein 4-4-2 mit klassischer Raute besser funktionieren würde als das moderne, auf Gegenpressing ausgelegt 4-2-3-1. Du brauchst auch keinen Mode-Fan, der bei jedem zweiten Abspiel „Abseits!“ ruft, obwohl der Ball irgendwo am Anstoßpunkt herumgurkt. Nein, du brauchst nur Dich, ein kühles Bier, ein paar Chips und eine Wohnung mit sehr dicken Wänden, in der Du ungestört herumfluchen, herumtigern und herumhüpfen kannst. Wahlweise kann Vater/Vadder/Paps auch vorbeischauen. Zu zweit flucht es sich schließlich besser und Ihr beiden seid ein weitaus besser eingespieltes Paar als Gerhard Delling und Günter Netzer es jemals waren.

In der Kneipe

Spanish Fans Watch Spain v Netherlands FIFA World Cup

Du bist: Philanthrop und Freizeit-Soziologe

Du liebst es unter Menschen zu sein, nichts ist für Dich schöner, als wichtige Momente mit anderen teilen zu können und ein EM-Spiel ist für Dich ein potenzieller historischer Moment. Du machst Dir auch eine Freude daraus, die verschiedenen Menschengruppen in der Kneipe/Pinte/Spelunke zu analysieren, hier und da mal ein Streitgespräch mitzuhören und Deiner voyeuristischen Ader nachzugeben. Dass Du beim netten Geplauder mit dem Stammgast an der Theke, der Dir erklärt, warum die Elf von 2016 nicht annähernd so gut ist wie die von 1972 („Das war die Jahrhundertelf! Die Kremers-Zwillinge! Gerd Müller! Und der Kaiser schon damals der Allerbeste!“), drei von vier Toren des Abends verpasst, macht Dir nix. Du konntest Deinem mausgrauen Alltag für 90 Minuten + x entfliehen.

Die Gartenparty

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Du bist: Nutznießer

Der Nachbar mit dem unverschämt großen Garten hat eingeladen. Muss sich wohl für das nächste Schützenfest oder den nächsten Wahlkampf beliebt machen im Ort. Dir soll es recht sein, sparst Du Dir die Kohle für Kohle, Pils und Würstchen halt und futterst Dich beim Nachbarn durch. Ist doch legitim. Noch dazu ist das eine klasse Gelegenheit, ein paar Leute für die nächste Kellerentrümpelung zusammenzutrommeln. Eine Hand wäscht die andere, oder nicht?

Public Viewing – präsentiert von Deinem Fußballmagazin

MELBOURNE, AUSTRALIA - JULY 14: German fans at Hophaus celebrate the winning goal while watching the 2014 FIFA World Cup Final match between Germany and Argentina on July 14, 2014 in Melbourne, Australia. (Photo by Michael Dodge/Getty Images)

Du bist: Narzisst

Du möchtest eine Mischung aus Zuhause und Kneipe? Also, einen Ort, wo Dein Gefluche über den Neuner, der nur wie ein falscher Neuner agiert und damit dem Zehner den Platz für die kreativen Impulse nimmt, ernst genommen und sogar mit einem Schulterklopfen honoriert wird? Dann schaust Du Deine Spiele sicherlich in EM-Quartieren, präsentiert vom Fußballmagazin Deiner Wahl. Du wähnst Dich unter Deinesgleichen und kannst ganz ungeniert Wildfremden Deine Meinung aufs Auge drücken. Ein Spaß für Narzissten, die denken, die Welt warte nur auf ihre Ergüsse.

Fanmeile

BERLIN, GERMANY - JULY 13: Fans of Germany cheer after Mario Goetze scored for Germany during the 2014 FIFA World Cup Final between Germany and Argentina at the Fanmeile public viewing at Brandenburg Gate on July 13, 2014 in Berlin, Germany. (Photo by Target Presse Agentur Gmbh/Bongarts/Getty Images)

Du bist: Armleuchter

Du bist, warst und wirst nie Fußball-Fan sein. Und mit Fan meinen wir: Jemand, dem das Herz in die Hose rutscht, wenn die gegnerische Mannschaft mit zwei Mann mehr einen Konter fährt. Jemand, der, so kitschig es auch klingt, den Rasen schmecken kann, wenn sein Lieblingsspieler nach einem rüden Foul auf der Grasnarbe liegt. Jemand, für den Fußball die schönste Nebensache der Welt ist. Du bist nur ein Blender. Jemand, der auf die Fanmeile geht, um Selfies zu machen und sie dann mit Hashtag #gogermany #myteam zu posten und dabei den wunderschönen Freistoß-Schlenzer oben links in den Winkel verpasst. Jemand, der die Halbzeit-Show von Schlager-Radio 94,2 für das eigentliche Highlight des Abends hälst. Jemand, der schales Bier für 5 Euro aus Pappbechern trinkt und Klatschpappen toll findet. Jemand, der, um es mit Rudi Völlers Worten zu sagen, den Fußball nie geliebt hat.

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Im landestypischen Restaurant

Du bist: Parasit

„Wir haben das Spiel der Kroaten gestern bei diesem schönen kroatischen Restaurant um die Ecke geschaut!“ – Ein Satz, den man während der EM sehr oft hören wird. Alternativen: beim Italiener, beim Polen, beim Franzosen oder sonst wo. Landestypische Restaurants sind der perfekte Ort für Menschen, die in Wirklichkeit überhaupt nichts mit Fußball am Hut haben. Deshalb gehen sie in Restaurants der entsprechenden Länder und versuchen die Emotionen der Angestellten anzuzapfen. Wie Putzerfische, wie Parasiten geilen sie dann an ihrem Tisch herum und freuen sich, wenn der Kellner („der war ja so begeistert als sein Team ein Tor geschossen hat“) einen Schnaps auf’s Haus ausgibt. Wisst Ihr was, liebe Restaurant-EM-Spießer: Der Kellner hätte zu dem Spiel lieber frei gehabt und in der Kneipe rumgehangen!

Heimlich im Büro

Businessman with soccer ball head

Du bist: Das Fundament der deutschen Nationalmannschaft

Kein Trikot, keine krebserregende Lidl-Schminke, kein Bier in der Hand. Kein Rumgegröle, kein Expertentalk. Aber auch: Keine Zeit für Mails oder Kundenanrufe im Büro, sobald das Spiel spannend wird. Wer im Büro sitzt und heimlich ein neues Fenster für den Live-Stream aufmacht, gehört zu dem unerschütterlichen Fundament, auf dem dieser ganze Fußball-Rummel steht. Euer Chef lässt Euch zum Anstoß nicht pünktlich raus? Schade, aber dann weiß er später auch selbst, warum Ihr an diesem Tag nichts mehr gemacht habt.

Im Stadion

Du bist: Der Glückliche

Glückwunsch, Du bist anscheinend Mitglied des „DFB-Fanteam“, denn nur Menschen, die diesem erlauchten Kreis angehören, durften die sündhaft teuren Endrundentickets über normalem Wege erwerben. Alternativ hast Du anscheinend eines der unzähligen Gewinnspiele von Fast-Food-Ketten, Brauereien oder Reifenherstellern gewonnen und darfst jetzt mit Deiner Begleitung vermutlich einem hundsmiserablem Kick wie „Wales gegen Slowakei“ beiwohnen. Wir sind etwas neidisch und fragen uns, warum wir keinen besseren Draht zu unseren Werbepartnern haben.

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