Gary Moore: Der Fremdenführer für Blues-Touristen


NEW YORK. Der Typ schneidet eine Grimasse wie Jerry Lewis beim Gurgeln mit Essig: zusammengekniffene Augen, den Mund weit aufgerissen, Oberlippe dabei im Links-, Unterlippe mit Rechtsdrall, den Rollmopsbauch abwechselnd vor- und zurückschwappend, so bearbeitet Moore scheinbar gedankenverloren die Gitarre.

Und es wirkt: Immer wieder springen die knapp 2600 Zuschauer im Beacon Theatre spontan auf die Beine und brechen in Jubel aus – oft gar inmitten eines langsamen Bluessongs. Der Ex-Thin Lizzy-Gitarrist und Ex-Metalmann gibt seinem Publikum genau das. wonach es verlangt: Hardrock mit einer Blues-Glasur. Dabei erweist sich Moore weniger als geborener Bluesmann denn als musikalischer Fremdenführer. Das Ergebnis ist ein erstaunlich mitreißendes Konzert, bei dem die gespielten Songs (und noch mehr die ausgelassenen) Moores musikalische Vision erkennen lassen. Und es wirkt, weil’s ehrlich ist.

Die Vorbilder sind dabei kaum zu überhören, und man glaubt mehr als einmal einen Albert King, B. B. King oder Jimi Hendrix zu hören. „You Don’t Love Me“ war mehr ein Tribut an die Allman Brothers als ein Lobgesang auf einen blinden Bluessänger; „The Sky Is Crying“ wies Stevie Ray Vaughans Handschrift auf und weniger die von Elmore James; und „Further On Up The Road“ flitzte in Clapton Siebenmeilenstiefeln durch die Blues-Geschichte. Wenn das frenetische Publikum sich eine Steigerung kaum mehr vorstellen konnte, gelang es Moore immer wieder, seine Gitarrensoli noch um einen Zacken mehr voranzutreiben. Wenngleich der Abend primär aus Songs der beiden letzten, Blues-orientierten Alben bestand (mit Schwerpunkt auf der neuen LP), so vergaß der Ire doch nicht völlig seine alten Metal-Fans, die Moore bis zur Erschöpfung kämpfen sehen wollen.

Auf der Strecke freilich blieb die fünfköpfige Band sowie das Bläserquartett, die Midnight Horns: Sie waren ganz einfach unterbeschäftigt. Ein Trio hätte die gleiche Arbeit leisten können. An Energie konnte jedoch niemand den schweißtriefenden Schwerarbeiter an diesem Abend überbieten – wenngleich Gary Moore mehr Showman ist als Bluesman, wenngleich man in seiner Stimme eher die Themse zu hören vermeint als den träge dahinfließenden Mississippi. Die Fans im Beacon Theatre jedoch genossen die Dampferfahrt auf der Themse mit sichtlicher Begeisterung.