Gorillaz: Blur-Chef Dämon Albarn auf Abwegen: Neues Projekt, eine virtuelle Identität und nicht nur in England ein waschechter Top-Hit


Frage: Was treibt ein steinreicher Superstar des Britpop, wenn seine Band mal Urlaub einlegt und die Flamme seines Herzens ihm gerade eine Erbfolgerin geboren hat? Vermutlich nicht unbedingt das, was Blur-Frontmann Dämon Albarn tat. Der schüttelte nämlich einfach eine neue Band aus dem Ärmel, dachte sich für sie ein ganz eigenes Image aus und kreierte so bereits im Frühling den Sommerhit des Jahres. Gorillaz heisst Albarns Haufen, weil der Meister gerade ein Buch über Gorillas gelesen hatte, als ein Name für sein Sideproject her musste. Dessen schräge Instrumentierung ist teils dadurch zu erklären, dass Mr. Blur gern die Spielzeuge seiner Tochter klaut. Dazu hat Albarn den Reggae für sich entdeckt – und die Melodika („Mein Lieblingsinstrument“). Außerdem hat er einige qualifizierte Mitstreiter um sich geschart. Cibo Mattos Miho Hatori etwa, das Ex-Talking-Heads-Mitglied Tina Frantz und den kubanischen Großpapa Ibrahim Ferrer. Ganz zu schweigen vom Koproduzenten Dan The Automator und „Tank Girl „-Schöpfer Jamie Hewlett, mit dem sich Dämon Albarn einmal eine Wohnung geteilt hatte.

Letzterer schuf vier rotzige Cartoon-Figuren, die nun die angeblich „erste virtuelle Band überhaupt“ ausmachen. Sie heissen 2D (aus der offiziellen Biografie: Stimme wie ein Engel“), Noodle („Eine zehnjährige asiatische Axt-Prinzessin“), Rüssel („Ein harter HipHop-Mann aus New York“) und Murdoc („Ein Gehirn wie eine rostige Stahlfalle“). So kam es denn, dass die Top 3 der britischen Popcharts, bis dato vorrangig von Boygroups und Girliebands verstopft, plötzlich vom urigen Reggae-Geist der Gorillaz-Debütsingle „Clint Eastwood“ erschüttert wurden. Der erste Gig der neuen Kombo war denn auch das Frühjahrsereignis am Londoner Konzertfirmament – wobei man dem virtuellen Image selbstverständlich treu blieb: Die Band spielte live hinter einer Leinwand, über welche Hewletts Cartoonfiguren hüpften. Kredenzt wurde der gesamte Inhalt des Ende Mai auch hierzulande erscheinenden Albums, das dem Überraschungshit inzwischen nachgeschickt worden ist. Es liefert das Bindeglied zwischen Beck, Blur und King Tubby und beweist, dass die virtuelle Band richtig gute Musik macht. 2D alias Dämon Albarn mit väterlichem Schöpferstolz: „Wir sind insofern wie Eminem, als wir die Realitäten unseres Alltages reflektieren. Aber wir tun dies auf intelligentere Art, als der sich das je erträumen könnte.“

www.gorillaz.com