Grüße aus dem schlimmsten Ort der Welt: Tulsa


Der eine singt bei Snow Patrol, der andere spielt bei R.E.M. Gitarre. Als Tired Pony haben Gary Lightbody und Peter Buck ein Album aufgenommen. Aber was hat Tulsa damit zu tun?

Irgendwann vergessen Peter Buck und Gary Lightbody, dass sie eigentlich über THE PLACE WE RAN FROM reden wollten, das Debüt ihrer Band Tired Pony. Immerhin verschafft das jenen Lesern einen Erkenntnisgewinn, die es vielleicht eines Tages nach Oklahoma verschlagen sollte. Die Sache ist nämlich die: Peter Bucks bester Freund ist Todd Rundgren. Das ist der Mann, der Meat Loafs BAT OUT OF HELL produzierte, aber auch Cheap Tricks ewig unterschätztes NEXT POSITION PLEASE und das XTC-Großwerk SKYLARKING, der aber gerade in den frühen 70ern auch unter eigenen Namen sehr erbauliche, ein wenig progressive Popmusik aufgenommen hat (die u. a. in Sofia Coppolas „The Virgin Suicides“ zum Einsatz kam). Todd Rundgrens Sohn Rex wiederum ist Baseball-Profi bei den Tulsa Drillers. „Und immer, wenn Todd seinen Sohn besucht, geht er im Restaurant des Stadions essen. Nicht, weil es da besonders lecker wäre – sondern, weil es einfach keine andere Möglichkeit gibt. Tulsa hat keine vernünftigen Restaurants!“, erzählt Buck.

Doch wie kamen wir jetzt eigentlich darauf? Stimmt, es ging um jenes Amerika, das die Stücke auf THE PLACE WE RAN FROM inspirierte. Um das garantiert hipsterfreie Amerika, das sehr weit entfernt von New York liegt, aber auch sehr weit entfernt von Los Angeles. Um das Amerika, das auch Gary Lightbody auf seinen Tourneen mit Snow Patrol schon ausführlich kennenlernen durfte. Um Tulsa, Oklahoma, z. B., das der Sänger als den „schlimmsten Ort, an dem ich jemals war“ bezeichnet. „Die Menschen sind dort durchaus gastfreundlich. Sie tragen aber alle Waffen, was mich doch etwas verunsicherte.“ Buck, der die meiste Zeit seines Lebens in Athens, Georgia lebte, lacht und entwirft das Szenario einer Bar irgendwo im amerikanischen Süden: „Da sollte man echt vorsichtig sein. Wenn sich die Stimmung aufheizt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand zum Parkplatz läuft und seine Pistole aus dem Handschuhfach seines Wagens holt, gar nicht so gering. Ein paar meiner vorlauten Freunde aus New York sind da schon in serious trouble geraten.“

Tired Pony nahmen ihr Album aber nicht in Tulsa auf, sondern in Portland, wo es sich laut Buck wiederum recht angenehm lebt. Die Aufgabenteilung war relativ klar: Lightbody schrieb den Großteil der Songs. Buck und die anderen Bandmitglieder setzten sie um. Die „anderen“ waren Jacknife Lee, der in der Vergangenheit sowohl R.E.M. als auch Snow Patrol produzierte (und U2, Bloc Party, Editors etc.), Belle-&-Sebastian-Drummer Richard Colburn, Iain Archer, der wiederum früher quasi als Ghostwriter für Snow Patrol arbeitete, und Bucks guter Freund Scott McCaughey (The Minus 5). Und das lief gut? „Und wie“, sagt Buck, der den Eindruck vermittelt, als würde es mit ihm immer gut laufen. Er habe eben einfach die Inhalte der Texte in Gitarrenklänge umgesetzt. Das mache er ja eigentlich immer so, auch bei R.E.M.

Die sind zur Zeit des Interviews in Berlin übrigens vollzählig in der Stadt. In den Hansa Studios, in denen vor zwei Jahren Snow Patrol aufnahmen (und Bowie und Depeche Mode und U2 vor einer halben Ewigkeit), arbeiten sie an ihrer neuen Platte. Sie soll melodischer werden als ACCELERATE, sagt Buck. Michael Stipe wird anderntags dann im angerockten Burgerladen „White Trash Fast Food“ gesichtet, Buck geht Pearl Jam bei deren Berliner Open-Air-Konzert auf der Bühne besuchen und spielt ein bisschen mit. Bei „Kick Out The Jams“. Überhaupt: dufter Typ. Sollte es uns jemals in eine Bar nach Tulsa verschlagen, werden wir auf ihn trinken. Nur trinken, nichts essen.

www.tiredpony.com