Helge Schneider
Volle Hallen, schräge Platten, fieser Witz: Helge Schneider mausert sich zu Deutschlands populärstem Entertainer
„Ich spielte Klavier, und alle dachten ‚komisch, war doch eben noch so lustig, ist das jetzt auch lustig, das Klavierspielen?‘ Auf jeden Fall lachten welche, worüber, weiß ich bis heute nicht“, wundert sich Helge Schneider: Ein Comedy-Killer, der mit plateaubesohlten Plattheiten die Hallen der Republik ausverkauft und die Charts rauf und runter jettet. Von gefälliger Mainstream-Unterhaltung ist er dabei meilenweit entfernt, wie sein Filmdebüt „Texas“ oder die potentiellen Karnevalshits „Katzeklo“ und „Buttersong“ eindrucksvoll beweisen: „Ich mische immer gerne ernste Musik mit totalem Schwachsinn. Außerdem hatte ich den Drang, mein Publikum irgendwie zu langweilen, so entstanden Geschichten, die ich mit vielen langen Pausen so erzählte, daß auf keinen Fall eine Pointe rauskam. Das ist meine Erfindung. Mein Motto lautet: ,Mit Scheiße Geld verdienen!'“. Das sind also die Zutaten zur „singenden Herrentorte“, wie sich Schneider einst selbst bezeichnete.
Dabei leistet es sich der Mann aus Mühlheim/Ruhr, die Offerten der gesamten deutschen Techno-Garde kaltlächelnd zu ignorieren. DJs und Knöpfchendrücker wollten seinem Gassenhauer „Katzeklo“ zu lukrativen Dancefloor-Ehren verhelfen. Typisch Schneider, daß er statt dessen lieber selbst eine Jazzfassung und eine englische Version („Cattoilet“) produzierte. Musik machen kann er ja: Klavier im Vorschulalter, dann Cello, Pianostudium samt Sonderbegabtenprüfung am Konservatorium in Duisburg, Getingel als Jazzer und Fetenmucker. Lohn der Routine: Der Mann spielt eine passable Jazzgitarre, brilliert an Piano und Vibraphon, soliert auf Saxophon und Klarinette und dilettiert höchst unterhaltsam auf Panflöte und Geige. Für eine „Handvoll Scheiße“ (Untertitel seines Kino-Debüts) wird Doc Schneider seinen Klepper inzwischen allerdings nicht mehr satteln: „Ich bin leider etwas dicker geworden —- von eurem Geld. Was soll man machen?“
Die andere Seite des Phänomens Helge Schneider besteht darin, daß ihn mittlerweile sogar mehr oder minder ernstzunehmende Kulturmenschen als Licht am Ende des Tunnels der deutschen Gegenwartsliteratur ausmachen. Seine Art, Schwachsinn zu formulieren, wird mit dem absurden Theater Ionescos, Karl Valentin, oder dem kongenialen Max Goldt verglichen. Fakt ist Schneiders Fähigkeit draufloszufaseln, durch couchreife Assoziationen zu taumeln und letztendlich dennoch die Kurve zu kriegen. In zwei, drei Konzertstunden „Helge & Hardcore“ feuerwerkt einfach alles, was der westfälisch nuschelnden Sangestorte über die Lippen kommt: da häht ein Eichelhäher gefährlich nach Schneiders Eichel, werden miese Zaubertricks kommentiert („Copperschmitt ist ein Zwerg dagegen“) und hinreißend flachsinnige Schlagertexte verbraten -— „schüttel dein Haar, wildes Mädchen“.
Für Schneider („Scheiß-Fans!“) eher ein Problem: Die blindwütige Begeisterung der Leute, die seine Taschen füllen, macht es schwierig, sie zu unterhalten. Was soll man jemandem noch vorführen, der schon donnernde Lachsalven abfeuert, wenn man nur einen plateaubesohlten Fuß auf eine Bühne setzt und dumm guckt? Die zwischen Bierernst und Blödsinn schwankende Plattenfirmen-Bio hält eine Lösung parat: „Die Kreativität eines Menschen kann sich durchaus manchmal dergestalt vollführen, daß man überhaupt nichts macht, gar nichts. Die Verweigerung seiner Schaffenskraft ist nur dazu nütze, sich in keinster Weise vorprogrammierten Forderungen zu stellen.“