Herbert Grönemeyer
Die Natur macht bekanntlich keine Sprünge, dafür aber das gleichnamige Grönemeyer-Album, das bereits kurz nach Veröffentlichung die Top-Position der Charts erklomm. Also beste Voraussetzungen für Herberts Tournee, die — mehr schlecht als recht — in der Bonner Biskuithalle begann. Denn der kuppelartige Mehrzweckhau ist für musikalische Veranstaltungen denkbar ungeeignet.
Obwohl an drei Theken für das leibliche Wohl gesorgt wird, obwohl rotgewandete Kellner den Bierdurst löschen, bleibt den dreitausend, denen es um die Musik geht, nichts als Hälserecken. Für Menschen mit normalem Körperwuchs ist nämlich ab 10 Metern die Sicht auf die Bühne versperrt.
Und dann der Sound! Der olle Dash-Eimer, auf dem ich als Kind trommelte, hatte im Vergleich mit der dürftigen Akustik der Biskuithalle direkt HiFi-Qualitäten. Zuweilen dumpf bollernd, dann wieder schmerzhaft spitz, höhenlastig und in den Mitten zu dünn, blieben Brillanz und Transparenz Fremdwörter an diesem Premierenabend. Doch sei’s drum.
Die Vollblut-Fans schien dies alles nicht zu scheren. Sie lieben ihren Herbert, ob er -— wohl eine Folge des schlechten Monitorsounds -— um viertel Töne daneben liegt und manchmal mehr schreit als singt, ob die fünf Musiker, vom Lampenfieber erhitzt, durch die Songs hecheln, völlig schnuppe. Klatschmarsch und Erkennungsbeifall, ganz erregte Damen tanzen gar, während sich der Mann mit dem unnachahmlichen Nasalquengel durch sein Repertoire hangelt.
Musikalisch bleibt die Grönemeyer-Crew —- oben links Keyboarder Alfred Kritzer, daneben Cowboy-Gitarrist Gaggy Mrozek, rechts außen Schlagzeuger Armin Rühl, in der Reihe davor der Maestro, Bassist Norbert Hamm und Gitarrist Jakob Hansonis — einiges schuldig. Nicht daß es ihnen an Spielfreude mangelte, im Gegenteil: Es haperte eher an der Feinabstimmung.
Trotz der Fehler entwickelte sich der Grönemeyer-Abend zum großen Schwoof, Ständig flammen Feuerzeuge auf, illuminieren Wunderkerzen den Saal. Ohnmächtige werden abtransportiert. Die Band spielt offensiv über die Rampe. Herbert schüttelt die blonden Schnittlauch-Locken, hämmert aufs Tambourin, haut in die Tasten und schafft sich, bis ihm das Hemd klatschnaß am Körper klebt. Mal eingerahmt in weißes Gitterlicht, mal getaucht in warmes Rot, arbeiten die sechs sich durch ein mehr als zweistündiges Repertoire.
Als die Akteure um viertel nach zehn das erste Mal die Bühne verlassen, setzt frenetisches „Zugabe, Zugabe“-Gebrüll ein. Als Nachschlag: „Sie mag Musik nur wenn sie laut ist“ , „Alkohol“, „Männer“ und zu guter Letzt als Vademecum für die rundum glücklichen Biskuit-Besucher der aktuelle Dauerbrenner „Kinder an die Macht“.