Hipness und Liebe


Das Pariser Musik- und Modelabel Kitsune ist schweinscool, setzt aber auch auf Geschichtsbewusstsein und Herzensbildung.

Hipster gelten als oberflächlich Trendhüpfer, die „Organic Chai Latte“ trinken, ohne sich für Biolandbau zu interessieren, übergroße Brillen tragen, ohne je einen Augenarzt konsultiert zu haben, und ihre Festplatten mit Musikblog-MP3s vollpacken, ohne sie je anzuhören. Eigentlich also nicht besonders erstrebenswert, als Hipster-Label zu gelten, wie die kleine Pariser Platten- und Modefirma Kitsune. Denn wer ständig auf der Suche nach dem heißen Scheiß ist, läuft Gefahr, stets nur an der Oberfläche zu kratzen. Doch Gildas Loaec, einer der Labelchefs, ist sich der Launenhaftigkeit von Hypes durchaus bewusst. Deshalb blickt seine neue Sampler-Reihe KITSUNE TABLOID auch in die Vergangenheit: „Natürlich versuchen wir immer, aktuelle Stimmungen aufzugreifen und den Fokus auf die Musik von morgen zu richten. Aber gleichzeitig ist es wichtig zu wissen, woraus diese entstanden ist.“ Die musikhistorisch bewanderten Jungs von der Pariser Band Phoenix haben die neue TABLOID – präsentiert vom ME – kompiliert, die Kiss mit Roxy Music und D’Angelo mit Dusty Springfield verkuppelt. TABLOID ist nicht die einzige Kitsune-Reihe. Von den MAI-SON-Compilations ist im Herbst bereits Teil sechs erschienen, wieder eine ausgeklügelte Mischung aus bekannteren und unbekannten Künstlern aus Indie, Elektropop und House. Die aktuelle Folge trägt den Untertitel „The Melodie One“, schließlich weiß Gildas Loaec, was die Menschen in diesen Zeiten vor allem brauchen: “ Liebe und Zärtlichkeit.“ Mal wieder einen Track beigesteuert haben die Hamburger Elektro-Pogo-Produzenten Digitalism, neben Metronomy und Lo-Fi Fnk eine der großen Kitsune-Entdeckungen, die dem Labe! 2007 mit IDEAUSM die erste richtige Albumveröffentlichung bescherten. Vor zehn Jahren, als er noch Manager von Daft Punk war und mit Thomas Bangalter das Label Roule betrieb, war Loaec wesentlich dicker im Geschäft als mit dem Spezialistenladen Kitsune. Von „Music Sounds Better With You“ von Stardust gingen damals allein 200.000 Vinyls über die Theken. „Wenn wir heute 1.500 Platten verkaufen, schenken wir uns schon Champagner ein.“

Weniger „crazy“ als die Compilations fällt die Mode aus, die Gildas Loaec mit seinem Partner Masaya Kuroki herausbringt. Die Klamotten sollen nicht zwanghaft trendy sein, sondern eher klassisch und schlicht. Eventuell könnte dies eine Richtung sein, die Kitsune in Zukunft auch musikalisch einschlägt:

„Wir sind gerade noch dabei, zu lernen, wie ein Label arbeitet. Mittlerweile wählen wir unsere Projekte vorsichtiger aus und sagen nicht mehr zu allem Ja, weil wir mehr auf Substanz setzen wollen. In Zukunft wollen wir melodischer sein und songorientierter.“ Denn immer nur Krawall-Raven, wie es die Pariser Kollegen von Ed Banger vormachen, ist ja auf Dauer auch öde.

Albumkritik S.88

www.kitsune.fr