Hirnflimmern: Eins zu eins ist… nicht so schlecht – Lieder gegen Homophobie
Lieder gegen Homophobie? Schön, dass Dinge dieser Art gemacht werden, finden Günter N. und Josef Winkler.
Hübsch. Jetzt hat die Radiomoderatorin schon wieder „Beautiful Thouss“ gesagt. Was? Ja, ich höre Radiosender, die tendenziell The Beautiful South spielen statt Skrillex, wie uncool. Bruhaha! Hat der gerade Skrillex gesagt? OMG, that’s so 2012! Ja, ich weiß. Ich wollte ja eigentlich nur meiner Verwunderung über diesen offenbar populären Versprecher Ausdruck verleihen, der ja weiß Gott nicht nur im Mainstreampop zu Hause ist, sondern mir viel öfter schon im Premium-Indie-Bereich begegnet ist. Konkret: „Gefühlt“ 50 Prozent der einschlägigen Mitmenschen sagen „Thonic Yous“ statt Sonic Youth. Isso. Achten Sie mal drauf.
(Achtung, „Apropos“-Überleitung:) Apropos uncool. Ich verspürte ja stets ein gewisses Pathosproblem mit der Band Kettcar und ihrem befindlichkeits-brummenden Chef Marcus Wiebusch, aber letztens hat er mich erwischt, mit dem Song und dem Video „Der Tag wird kommen“ über die tief verwurzelte Homophobie im (Profi-)Fußball. Ich war angerührt und dachte so bei mir: Gute Sache, toller, angreifender Song mit genau dem richtigen Maß Schmalz zu einem wichtigen, gewichtigen, gern mal klemmig andiskutierten, im Pop aber bisher rätselhaft nicht präsenten Thema, obwohl: Wahrscheinlich gar nicht so rätselhaft, es war wohl bisher einfach allen zu uncool, so ein „Gutmenschenthema“ (Huch!) offensiv und eins zu eins (Doppel-Huch!!) aufzugreifen, aber jetzt, endlich, sagt’s mal einer. Sauber. Oder um den Online-Kommentar eines gewissen Günter N. (nein, nicht Netzer, obwohl der Satz seriously netzeresk klingt) zu zitieren: „Schön, dass Dinge dieser Art gemacht werden!“ Genau.
Erst nach erfolgtem Berührtsein und Gutfinden warf ich die Gugelmaschine an und stellte fest, dass es um den Song natürlich längst eine „Kontroverse“ gibt, natürlich losgetreten von der Popkulturzeitschrift mit den vier großen Buchstaben, die natürlich nie über irgendwas schreiben darf: „Schön, dass Dinge dieser Art gemacht werden“, weil das wäre ja affirmative Scheiße vom Allerspießigsten, und darum muss freilich auch so ein ungewöhnliches Lied, das man als erfrischend unverklausuliertes, „ starkes Statement“ einfach mal stehen und gelten und wirken lassen könnte, sich abklopfen lassen darauf, ob es denn für die gehobenen Ansprüche eines engarschigen Popkulturlaberdiskurses überhaupt satisfaktionsfähig ist. Nun: Ist es offenbar nicht. „ Ein plattitüdenreicher und bieder moralisierender Text im Sinne von ‚Wir gegen die Doofen‘“, urteilte der Rezensent der bekannten Popproblematisierungspostille. Wobei das Hauptproblem zu sein scheint, dass hier die Doofen überhaupt mit ins Spiel genommen werden. Bitte: Wenn schon so ein uncooles Weltverbesserungsthema, könnte man es dann nicht zumindest so behandeln, dass die Doofen nicht kapieren, worum’s geht, und wir Klugen schön unter uns bleiben können? Sonst wollen die Deppen am Ende noch mitreden! (Dreifach-Huch!!!)
Diese und weitere Kolumnen sind in der November-Ausgabe des Musikexpress erschienen – seit 16. November am Kiosk und im App-Store erhältlich.