HUND wollt ihr ewig leben?


Außer den obligatorischen Schafen gibt's in Wales noch ganz andere Super Furry Animals. Die veröffentlichen jetzt ihr sechstes Album. Und haben sich vorsichtshalber als Köter verkleidet. Na denn.

Sieh an,das kleine Wales. Es fühlt sich momentan ein bisschen größer als sonst. Im Fußball zum Beispiel könnte die Nationalmannschaft des Landes nach 46 Jahren Abwesenheit im nächsten Jahr beim Euro-Turnier in Portugal eine Rückkehr auf die internationale Bühne feiern. Auch wegen seiner Musik darf sich Wales rühmen: Tom Jones oder Shirley Bassey sind seit Jahrzehnten Hechte im Entertainment-Teich. Mit dem Rock war das dagegen immer so eine Sache. Noch in den achtziger Jahren blamierte sich eine aus der Stadt Rhyl stammende Band namens The Alarm mit folkloristischem Stadionrock. Solch fragwürdige Errungenschaften animierten die Indie-Band Teen Anthems vor sieben Jahren zu einem probaten Kommentar. Ihr (natürlich ein bisschen ironisch gemeinter) Song „Welsh Bands Suck“ eröffnete die Compilation „Dial M For Merthyr“, auf der daneben so vorzeigbare Namen wie die Manie Street Preachers, Stereophonics oder Catatonia vertreten waren. Damit sollte sich das Schicksal wenden. Die Platte wurde in ganz Britannien zum Schaufenster einer lange belächelten Szene. Waliser gelten seitdem nicht mehr als Hinterwäldler. „In Großbritannien dachten sie im Zusammenhang mit Wales lange nur an Folk mit viel Harfe und einer Herde Schafe nebendran „, mutmaßt Gruff Rhys, Sänger der Super Furry Animals. Seine Jungs sind auf besagtem Sampler nicht dabei, schickten den Kuratoren aber die besten Wünsche. Die Super Furries sind walisischer als viele ihrer popmusizierenden Landsleute. Einige Mitglieder stammen aus entlegenen Winkeln, in denen weniger Englisch gesprochen wird als Walisisch, das als die älteste Sprache Europas gilt.

Landluft macht Stark. Geografische Distanz zu Pop-Epizentren wie London beflügelt oft genug den Erfindungsgeist. Auf die Super Furry Animals trifft das unbedingt zu. Mehr als jede andere Band betrachten sie ein dosiertes Spektakel als Teil des Pop-Erlebnisses. Es ist ihnen schlicht zu wenig, mit zwei guten Songs anzugeben und diese als Empfehlung für die Rock’n’Roll-Karriere zu verkaufen. Lieber machen sie sich auf den langen Weg durch die endlose Weite des Sounds und schlagen allerlei Kapriolen. Dabei darf der Bandname mit seiner Spielzeugland-Anmutung durchaus als Hinweis gewertet werden. Geht man die fünf regulären englischen Alben (2000 erschien zudem das walisischsprachige Werk MWNG) des Quintetts durch, entdeckt man darauf eine außergewöhnliche Bandbreite und Verspieltheit. Stilistischer Ausgangspunkt war einmal ruppiger Garagenrock, doch in der Zwischenzeit haben die Super Furries so konträr erscheinende Dinge wie verstörten Techno, psychedelische Balladen, Popsongs im Cha-Cha-Cha-Rhythmus oder Philly-Soul-Reminiszenzen bearbeitet. „Wir befinden uns auf einer musikalischen Reise, deren Ziel wir nicht kennen „, glaubt Rhys. Für diesen Trip braucht es auf jeden Fall eine gehörige Ladung Ausdauer. „Anfangs schien es so, ab würden wir den Sprung über die Inselufer hinaus nie schaffen. Dann tourten wir 1999 zum ersten Mal durch die USA. Seitzwei Jahren haben wir in Deutschland zum ersten Mal so etwas wie ein Publikum. Ende Oktober steht der erste Auftritt in Brasilien an. Wir kriegen jedes Mal ein bisschen mehr vom großen Kuchen ab, ohne je danach gegiert zuhaben.“

Die Geburtsstunde der Super Furry

Animals schlug 1993 in der walisischen Hauptstadt Cardiff. Rhys (Jahrgang 1970, Gesang, Gitarre) hatte zuvor mit Schlagzeuger Dafyd Ieuan in der Band Ffa Coffi Pawb gespielt, die es immerhin auf drei Alben brachte. Das letzte davon, Hey Vidal! von 1992, ist deshalb relevant, weil es eine bis heute gültige Überlegung zur Problematik Stilschwankung enthält: „Was sind wir? Mods, Rocker oder Post-Mod-Rocker? Warum machen wir keine Techno-Platten?“ Gute Frage. Erst einmal engagierten Rhys und Ieuan den Teilzeitlehrer Huw „Bunf“ Bunford (Gitarre) und Guto Pryce (Bass). Damit das Unternehmen Techno auch funktioniert, kam mit Cian Ciaran noch ein Keyboarder hinzu. Tatsächlich begannen die Super Furries unter Ciarans Anleitung zunächst voller Elan mit der Produktion elektronischer Tanzmusik. Parallel dazu nahmen sie aber auch ein Demo mit Gitarrenrock auf. Es gab zu der Zeit also praktisch zwei Bands mit demselben Namen. Rhys: „Die Gitarrenband wurde 1995 unter Vertrag genommen. Wir hatten uns zuvor überlegt, in London vorzuspielen. Im Fernsehen turnen so viele Schwachkopf-Bands rum, dachten wir uns, da können wir den Durchschnitt unmöglich weiter herunterziehen. Zu einem Konzert in London kam dann Alan McGee, der uns empfahl, mehr auf Englisch zu singen. Dabei tat ich das ja. Gut, mein Akzent war ziemlich stark.“

1995 unterschrieben die unerschrockenen Waliser bei McGees Creation-Label, wurden somit Label-Mates von dessen Vorzeigeband Oasis und veröffentlichten ein Jahr später das Debütalbum „Fuzzy Logic“, das mit klarer Rock-Orientierung, aufregenden Melodien, leichtem ELO-Faible und einer provozierenden Geschichte über den später zur Kultfigur avancierenden Drogenschmuggler Howard Marks, ein walisischer Landsmann, aufwartete. „Es war eine komische Zeit. Britpop war das große Ding, und alle wollten sich mit uns über die neuesten Bands aus dieser Ecke unterhalten. Dabei gibt es für uns keinen größeren Affront als den Union Jack und Bands,die mit der britischen Flagge als Motiv hantieren“, so Rhys. Die Super Furries widerstanden dem Druck, sich in Richtung Cool Britannia zubewegen. Die Fünf leben heute noch in Wales und nehmen große Teile ihrer Musik dort auf.

Als Britpop seinen Zenit überschritten hatte, verfeinerten die Super Furries ihren Sound konsequent. Klar fühlten sich einige missgelaunte Geister bei Anblick der riesigen aufblasbaren Bären, die die Tour zum zweiten Album Radiator optisch kennzeichneten, irgendwie veralbert. Natürlich verstanden dieselben Leute den Song „Hermann Loves Pauline“ (in Anspielung auf Hermann Göring) völlig falsch. Doch die Musiker hatten sich durchaus entwickelt. Allmählich gewannen sie Einblick in die Probleme der Zeit. Mit „Download“ vom selben Album begann ein länger angelegter technologiekritischer Diskurs, der mit Guerilla eine Fortsetzung fand und auf Rings Around The World im Jahr 2001 schließlich zur Vollendung gelangte. „Mit ‚Rings‘ brachten wir einen Zweifel zum Ausdruck: Ist die Moderne nun gut oder nicht? Die Erde ist von Funkleitungen, verschmutzten Luftschichten und Satelliten geradezu umzingelt. Viele Menschen auf der Welt haben noch nicht einmal ein Telefon. In wohlhabenden Bezirken Londons wissen die Leute dagegen nicht mal mehr, wo noch hin mit den allerneuesten DVD-Playern.“ Die Band hatte noch nie einen Hehl aus ihrer linken Gesinnung gemacht. Als entdeckungsfreudige Musiker finden sie es aber wiederum deplatziert, sich den Möglichkeiten der Technik kategorisch zu widersetzen. Rings Around The World war eines der ersten Alben, das sich als DVD gut verkaufte. Auch der neue Longplayer „Phantom Power“ erscheint in diesem Format. Auf der Platte geht es laut Rhys um „eine dunkle Verschwörung, die uns heimsucht“. In den Songs wird reflektiert, wie alles außer Kontrolle gerät. Wie etwa ein Bombenattentat eine Metropole wie New York verändert, der Präsident des Landes aber trotzdem weiter in fremde Länder einmarschiert. „Auf dem neuen Album dreht sich vieles um Amerika. Man kann sich dem Reiz dieses Landes nicht versperren, wenn man es einmal gesehen hat. Gleichzeitig wundert man sich über den Irrsinn, der dort produziert wird.“ Ob Rhys damit auch Wendy &. Bonnie Flower meint? Das Schwesternduo hat 1969 sein einziges nennenswertes Album Genesis veröffentlicht, auf dem die Minderjährigen, umgeben von psychedelischen Tönen, ein Bild von der heilen Welt zeichnen. Ein Sample aus dem Song „By The Sea“ von dieser Platte ist dem „Phantom Power“-Opener „Hello Sunshine“ vorangestellt. „Die Welt heute ist nicht mehr so schön, wie ihr es euch damals vorgemacht habt“, scheinen die Super Furries den heute erwachsenen Mädchen damit zuzurufen. Diese Botschaft sorgt aber nicht für Depression. Die Super Furries holen erneut zu einem weiten stilistischen Spagat aus. Chorgesänge aus den späten Sechzigern, Easy Listening und Country wechseln sich mit härteren Rocksongs, lateinamerikanischem Ska, Reggae- und Electro-Elementen ab.

Zu schrullig? I wo. Wieder einmal wünscht man sich, die musikalische Reise der Super Furry Animals möge niemals enden. Welsh bands don’t suck anymore.

>>> www.superfurry.com