Hurricane-Highlights: Haftbefehl sagt ab, Green Day ziehen die ganz große Show auf – so war der Freitag
Green Day machen ein bisschen zu viel auf Disneyland, Boy spielen ein wundervolles Konzert. Und Haftbefehl? Der kreuzte überhaupt nicht auf.
Na also, geht doch! Auch wenn ein leichter Regen immer wieder mal befürchten ließ, das Wetter könnte doch noch kippen, ging der erste „richtige“ Tag des Hurricane Festival 2017 ganz ohne Schlammschlachten und Gewitter über die Bühne(n). Die Hurricane-Gemeinde lässt sich die gute Festivallaune von externen Faktoren wie Wetter sowieso nur im alleräußersten Fall trüben und feierte zwischen vier Bühnen, jeder Menge Essen- und Getränkeständen und Freizeitangeboten wie bayerischer Rutsche und Riesenrad einen trotz trüben Wetter bunten ersten Tag.
Viele junge Menschen, meist männlich und ihren frühen Zwanzigern, nutzen das Festival zudem, um ihre schönsten Karnevals- und Halloweenkostüme nochmal auszuführen: von Plüschhasen über einen uniformierten Ghostbuster bis zum Edelpiraten waren der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Gilt doch auch hier das Motto: Hurricane ist nur einmal im Jahr!
Die Enttäuschung vorab: Haftbefehl sagt Konzert ab
„Wir sind nur wegen Hafti hier“, ließ ein in die Höhe gehaltenes Schild eines Fans gegen 16 Uhr bei der Blue Stage wissen. Leider hatten Fans des Rappers auch dieses Jahr Pech: Nachdem ihm letztes Jahr das Wetter einen Strich durch die Rechnung machte, erschien Baba Haft 2017 nämlich überhaupt nicht. Rund zwanzig Minuten nach eigentlichem Konzertbeginn kam zuerst die Ansage, Haftbefehl wäre noch nicht am Gelände, man würde aber mit Hochdruck daran arbeiten, ihn zu holen.
Wenig später kam ein Herr aus dem Haftbefehl-Umfeld auf die Bühne und verkündete, der Brudi stecke noch in einer Polizeikontrolle. Somit sei der Auftritt abgesagt, man möge doch bitte mal kurz die Mittelfinger gen Himmel strecken – eine Aufforderung, der die enttäuschten Haftbefehl-Fans gerne nachkamen. Später hieß es allerdings, Haftbefehl hätte nur seinen Flieger versäumt – da klingt die Geschichte mit der Polizei schon stilechter!
Der Freitag beim Hurricane 2017 – diese Konzerte blieben in Erinnerung:
Antilopen Gang
Einen der besten Auftritte des Tages lieferte die Antilopen Gang. Sichtlich begeistert vor der (laut eigenen Angaben) größten Menschenmenge zu performen, vor der die Band je spielte, lieferten Danger Dan, Koljah und Panikpanzer ein kurzes, aber imposantes Set. Stücke wie „Beate Zschäpe hört U2“, „Pizza“, „Enkeltrick“ (mit Danger Dan am Piano) ließen einen in die Zukunft blicken: in der und in einer gerechten Welt hat die Antilopen Gang nämlich einen doppelt so langen Headliner-Slot verdient.
BOY
Wie die wunderbare, melancholische Musik von Boy an einen brennend heißen Sonnen-Festivaltag gepasst hätte ist, zeigte sich an diesem Tag ohnehin nicht – der trübe Himmel passte an diesem Nachmittag jedenfalls ganz ausgezeichnet zu den Stücken von Valeska Steiner und Sonja Glass.
Mit einem bemerkenswert glasklaren Bühnensound spielte sich das Duo (mit Unterstützung einer mehrköpfigen Band) durch Songs der beiden Longplayer „Mutual Friends“ und „We Were There“ und präsentierte auch ein neues Stück. Auch ein Geschenk an einen Fan gab es: Steiner erzählte, sich extra fürs Hurricane Gummistiefel gekauft zu haben, die sie nun aber doch nicht brauche und deswegen an einen Fan verschenkte (der sie hoffentlich dennoch in den kommenden Tagen nicht benötigen wird). Wundervolles Konzert.
Gloria
Nach der Absage von Haftbefehl blieb genug Zeit, um zur White Stage zu schlendern – dort spielten Gloria ein unspektakuläres, aber rundes Konzert. Die Band von Moderator Klaas Heufer-Umlauf und Mark Tavassol (Wir sind Helden) spielte im Zelt bedachten, melancholischen Edel-Deutschpop, der zwar kein Trost für das Hafti-Dilemma, aber dennoch eine hörenswerte Sache war. Nur mit der Zeitkalkulation klappte es nicht so ganz: Denn nachdem Heufer-Umlauf den letzten Song ankündigte, bemerkte man, dass die Spielzeit vorbei war – und verabschiedete sich.
Rancid
Allzu oft ist das amerikanische Quartett um Tim Armstrong und Lars Fredericksen ja nicht auf deutschen Bühnen zu sehen – das neue Album „Troublemaker“ bot mal wieder die Gelegenheit, das zu ändern. Der Großteil des Sets konzentrierte sich dennoch auf ihren 1995er-Meilenstein „And Out Come The Wolves“ – bis heute ihr bekanntestes und beliebtes Album. Neben Stücken wie „Journey To The End Of The East Bay“, „Olympia, WA“, „Time Bomb“, einem eher durchwachsenen „Old Friend“ sowie der Zugabe „Ruby Soho“ gab es noch das eine oder andere neue Stück („Telegraph Avenue“ oder „Ghost of a Chance“). Volles Programm, kurze Songs und wenig Firlefanz – damit lieferte die tätowierteste Band des Tages ein gutes Kontrastprogramm zu den Kollegen Green Day, die an diesem Abend den Headliner-Posten innehatten.
Green Day
Keine Frage, Green Day haben große Songs, sehr große sogar. Nur steht denen manchmal Billie Joe Armstrongs nicht enden wollender Wille zur Show im Weg. Denn ein Konzert der Kalifornier ist gleichermaßen Disneyland-Parade, Kindergeburtstag und Stadion-Animationsshow – und das lenkt oft von den Stücken ab und zieht diese unnötig in die Länge. Billie Joe verschwendet keine Zeit und holt, ganz volksnah, gleich beim ersten Stück, einen Fan auf die Bühne, dem er das Mikrofon überlässt. Zudem vergeht kein Song, der nicht durch Aufforderungen zum Mit-Yeahen, Klatschen oder Nachsingen doppelt so lang wird.
Abgesehen davon, liefern Green Day natürlich ordentlich ab. Mit einem Programm von mittlerweile zu Klassikern gewordenen „American Idiot“-Stücken bis zu Songs vom Genre-prägenden „Dookie“ ist alles dabei. Als es am Schluss mal wieder regnet, greift Armstrong zur Akustikgitarre und spielt „Ordinary World“, einen Abschnitt von „Wake Me Up When September Ends“ und beendet den Abend besinnlich mit „Good Riddance (Time Of Your Life)“.
Und sonst?
Clueso zeigte sich einmal mehr als Einserschüler der deutschen Popmusik, Danko Jones rockten stoisch zu früher Stunde, SSIO holte sich Frauen zum Tanzen und Xatar als Gaststar auf die Bühne und wer nach Green Day noch Lust auf mehr hatte, ging entweder zu Imagine Dragons oder später zu Frittenbude. Ein starker erster Tag auf dem Hurricane 2017.