Image: Verzweifelt gesucht!


Karriere ohne Image? Is' nicht! Drei neue Hemden können heutzutage wichtiger sein als drei neue Akkorde. Welche Hemden aber wählt man aus? Welche Frisur? Wie sollten die PR-Fotos aussehen? Wie die Plattencover? Wie bewegt man sich auf der Bühne? Und wie in der Öffentlichkeit? Antwort auf diese Fragen fand Steve Lake, als er in London einige Image-Fabriken besuchte.

Mode, Image Styling – da bin ich total drauf abgefahren. Ich dachte damals bloß immer , WOW! Jetzt würde ich gern in das Geschäft gehen und das und das und das kaufen.‘ Als ich dann plötzlich das nötige Geld hatte, hab‘ ich ’s natürlich gemacht. Wie ein Verrückter! Bis mir auffiel, daß es auf das Äußere doch gar nicht so ankommt, oder?“

Also sprach Holly Johnson von Frankie Goes To Hollywood im August 1986 in der Zeitschrift „Blitz“. Er trug dazu einen zweireihigen Prince Of Wales-Anzug, ein weißes Hemd, graue Seidenkrawatte, schwarze Mokassins und einen Diamanten am Mittelfinger seiner linken Hand. Nicht gerade der Mann, dem sein Styling gleichgültig ist.

Wie wichtig ist Styling? Wie wichtig im das Image für den Erfolg eines Musikers?

Ich fragte D.A.F., Deutschlands Geschniegeltste und Schickste. Robert Görl: „Oh, ich war immer der Ansicht, daß ein gutes Hemd genauso wichtig ist wie ein guter Song. „

Gabi Delgado (mit Nachdruck): „Wichtiger!“ Ich wandte mich an The Cult. „Image ist alles“, betonte Sänger Ian Astbury. „Einen guten Fotografen findest du genauso schwer wie einen Produzenten; einen Fotografen, der spontan kapiert, wie du dich darstellen willst. So wie du dich präsentierst, wirst du vorn Publikum halt eingestuft. Wenn du einmal klargemacht hast, wie du dich siehst — mit deinen Pressefotos oder deinem Album-Cover —, das hat ungeheuren Einfluß darauf, was die Fotografen, mit denen du später arbeitest, sich für eine Vorstellung von dir machen. „

Klar, aber wer kontrolliert dm Image — die Band oder der Manager? Und wie entscheidend ist der Schnitt einer Hose für den Erfolg des Mannes, der sie trägt. Bedeutende Fragen.

Tony Brainsby hat die letzten „paar zwanzig“ Jahre („zu lange, um sich genau zu erinnern“) als Publizist gearbeitet. Ebenso wie ein „Manager“, „Produzent“ oder „A&R-Mann“ hat ein „Publizist“ in Rock und Pop kein festumrissenes Aufgabengebiet, ganz egal, was die Lehrbücher zu diesem Thema behaupten.

Publizisten, die mit echter Prominenz arbeiten, müssen mitunter feststellen, daß ein Großteil ihrer Zeit dafür draufgeht, ihre Klienten aus der Presse herauszuhalten, indem sie zum Beispiel die Bedeutung von Drogengeschichten herunterspielen, falls es sich um Popstars mit dem Image des ganz normalen Jungen von nebenan handelt. Als er anfing, hat sich Brainsby hauptsächlich mit Aufbauarbeit beschäftigt. Es gab zwar genug Jungs, die -— um Springsteen zu zitieren —- .. ’ne Gitarre gekriegt und gelernt hatten, wie man sie zum Reden bringt“, aber völlig ahnungslos waren, wie sie dieses Talent in der Musik-Welt unterbringen sollten.

Man mußte die ungeschliffenen Diamanten nehmen und ihnen einen Schliff geben, an den sich die Leute erinnern konnten. Johnny „Shakin‘ All Over“ Kidd schielt?! Gebt ihm eine Augenklappe! Macht körperliche Nachteile zu eurem Vorteil! (Auf die Augenklappen komme ich gleich noch mal zurück.) „Damals wollten die Kids einfach nur spielen. Oder genauer gesagt: Sie wollten in einer Band spielen! Das war das Ding, das war die einzige Motivation. Den Rest überließen sie deiner Beurteilung. ,Die Jacke hier? Okay.‘ Aber ich glaube, das hat sich total geändert. Heute haben die Bands das alles schon ausgearbeitet, bevor sie zu dir kommen. Die planen ihr Video, während sie ihre ersten Songs schreiben.

Als ich anfing, war Pop wie der Wilde Westen, voller Cowboy-Manager und Cowboy-Agenten; alle Musiker wurden ausgenommen und manipuliert. Das änderte sich in den Siebzigern, ab die ersten Bands anfingen, auf ihr Recht zu bestehen, das Image aufzubauen, das sie aufbauen wollten. „

Der Glam Rock, in seinen unterschiedlichen Ausprägungen, markierte den Wendepunkt. Queen wußten immer, was sie wollten, ebenso Roxy Music. Sweet und Konsorten hinkten ein bißchen hinterher, gehandicapped durch einen beschränkten IQ.

Im Pop war Styling schon immer ein Nebeneinander und Ummodeln alter Moden; letztlich stammt alles aus den 5üem und frühen 60ern. Der freche, narzistische Halbstarken-Look, der den frühen Cliff Richard mit den Fab Four, Holly Johnson oder George Michael verbindet — das sind Gemeinsamkeiten, die tiefer gehen als Fragen des Haarschnitts. Eine Verbindung, auf die nur selten hingewiesen wird.

Simon Napier-Bell, Manager und Mastermind hinter Wham! ebenso wie hinter einem ganzen Stall von 60er-Bands (am bedeutendsten waren die Yardbirds und Marc Bolan) spricht mit der Autorität eines Insiders, wenn er sagt: „Das größte Geheimnis der Beatles bestand darin, daß vier Burschen aus der Arbeiterklasse den Dreh fanden, für einen wohlhabenden, bürgerlichen Homosexuellen (ihren Manager Brian Epstein) einen auf kokett zu machen. Die Leute sagten, ihr Image sei das des Jungen von nebenan, aber das war’s nicht! Für jeden, der so was schon mal gesehen hatte, war ihr Image sofort zu identifizieren. Das war das naßforsche, coole Draufgängertum eines Görs, das einen Geldonkel gefunden hat und sich nun aushalten läßt. „

Pop-Styling wurde schon immer, direkt oder indirekt, vorwiegend von Homosexuellen kreiert — von Brian Epstein über Bay City Rollers-Boß Tom Paton bis zum ZTT-Mastermind Paul Morley.

„Man steigt nicht mit den falschen Gruppen ins Bett“, meint Tom Watkins dazu. Watkins ist Boß von „Massive Management“, das die Geschicke von Frankie und den Pet Shop Boys (deren Name übrigens eine schwule Nebenbedeutung im US-Slang hat) lenkt. Vorher half Watkins, Spandau Ballet und Duran Duran ins öffentliche Bewußtsein zu rücken.

„Image ist sicher von entscheidender Bedeutung, aber wenn keins da ist, kannst du dir auch keins aus den Fingern saugen. Ich mein, wir haben das früher mal probiert, mit ziemlich katastrophalen Resultaten. Aber die Firma hat seit zwei Jahren keinen mehr unter Vertrag genommen, weil wir nichts gesehen haben, was echt abgeht. Ich bin überzeugt davon, daß wir ein Phänomen in der Größenordnung der Beatles niemals wieder erleben werden. Es wird keine Pop-Band mehr geben, die von allen gleichermaßen geliebt wird. Wie in allen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens hat sich auch das Pop-Publikum spezialisiert. Man wartet nicht mehr auf die Band, die die Welt verändert; man sucht nach der Gruppe, die man mühelos in bereits existierende soziale Schablonen pressen kann. „

In der Zeit zwischen 1976 und 1982 gab es immer wieder Anzeichen dafür, daß die Musiker ihr Image selbst in die Hand nehmen wollten. Manager Bernie Rhodes sah Johnny Rotten mit einem „I hate Pink Floyd“-T-Shirt die Kings Road auf- und abmarschieren — eine Bewegung war geboren. Es war eine Mode-Bewegung, kein soziologisches Phänomen. Malcolm McLaren machte daraus ein weltweites Geschäft, doch waren es Lydons eigene Ideen, die den Anstoß gaben.

Spätere McLaren-Schützlinge wie Adam Ant oder Bow Wow Wow hingegen waren dann niemals viel mehr als Kleiderpuppen, die den Krempel tragen mußten, der in irgendwelchen Theatergarderoben nutzlos vor sich hin moderte.

Steve Dagger, Manager von Spandau Ballet, machte sich das zunutze, was er die „Träume der Arbeiterklasse“ nennt. Die Kids wollen sich nämlich nicht ewig wie die letzten Punks im Dreck suhlen —- nein, wie Phönix wollen sie mit goldenen Flügeln dem Schutt und der Asche entfliehen. Alles was sie wollen, ist Geld, Geld, Geld und Glamour.

Schnell hatte man den Journalisten Robert Elms rekrutiert — übrigens der Mann, der spater Sades Image kreierte — und so zogen die Durans und Spandaus aus. um in einer Art „vornehm geht die Welt zugrunde“-Mentalität ihren Champagner zu süffeln, genau zu der Zeit, als London in eine neue Depression schlitterte und die Schlangen vor dem Arbeitslosen-Amt immer länger wurden.

Was trugen die Herrschaften auf ihren hedonistischen Streifzügen? Natürlich die gleichen Maßkleider, die sie auch auf der Bühne anhatten: Anzüge aus Willy Browns „Modern Classic“-Kollektion. (Daß jener Willy Brown nach den ersten TV-Auftritten der Spandaus ein berühmter Mode-Designer wurde, soll nur am Rande erwähnt werden). Seine Outfits, oft von alten Militäruniformen inspiriert, spielten einmal mehr mit einem gewissen Gay-Flair.

Diese Zweideutigkeit, dieses „Sind sie/Sind sie nicht?“ ist ein klassisches Image, das sich durch die gesamte Geschichte der Popmusik zieht. Erfolgreich angewandt von Velvet Underground bis hin zu Boy George.

Die Velvets, die ursprünglich als Peitschen-Fetischisten im Lager des Paradiesvogels Andy Warhol ihr Unwesen trieben, wollten eigentlich nur bei der New Yorker Intelligenzia Eindruck schinden. Was ihnen auch gelang.

Culture Club hatten da größere Pläne. Die Gruppe wurde dirigiert von Jon Moss. dem Schlagzeuger, in den Anfangstagen Georges Liebhaber Nr. 1. Als adoptierter Sohn eines anderen Jon Moss, der in London eine Ladenkette mit trendgerechter Männerbekleidung betreibt, wurde dem Schlagzeuger schon sehr früh die Wichtigkeit des Begriffs „Style“ förmlich ins Hirn getrommelt.

Allerdings bestand Moss immer darauf, daß George in der Öffentlichkeit einen netten Menschen abgeben sollte. Und es war gar nicht so einfach, George nett zu behalten: Culture Club mußte einmal eine Tour abblasen, nachdem Moss sich offiziell bei einem Tour-Bus-Unfall die Hand verletzt hatte. In Wirklichkeit ging sein kleiner Finger am Kinn von Boy George kaputt.

Solche Retuschen der wahren Gegebenheiten gehören zum täglichen Handwerk des Image-Tüftlers. Simon Napier-Bell hörte von der vorhin erwähnten Geschichte und dachte sich.

daß ein kleiner Kampf dem allzu braven Image seiner beiden Wham!-Bubis George und Andrew gar nicht so schlecht bekommen würde. Und so erzählte Napier-Bell das Märchen, Andrew Ridgeley hätte mit seinem alten Freund David Austin ein wenig gestritten, und — quasi von Mann zu Mann — sei da eben kurz mal sein Nasenbein draufgegangen.

Als der Verband abgenommen wurde, war Andys Nase plötzlich kleiner und gerade! Es dauerte ein paar Wochen, bis das Image der harten Wham!-Männer als fauler Zauber entlarvt wurde: Die Falschmeldung sollte nur davon ablenken, daß sich Ridgely einer kosmetischen Nasenoperation unterzogen hatte!

Alle — nun, zumindest Paul Morley. Tony Brainsby, Tom Watkins, Malcolm McLaren und Simon Le Bon — werden nicken, wenn man behauptet, daß Video das wohl effizienteste Werkzeug in der Image-Gestaltung ist. Es untermauert die gewünschte Rolle, mit der sich der Star gerne identifizieren möchte. Genauso wie Clint Eastwood. der immer Dirty Harry sein wird, sind Duran Duran ihr Leben lang die großstädtisch-chicen „Englishmen abroad“, schimmernde junge Jet-Setter. Dieses Image haben sie dem australischen Videoclip-, nunmehr auch Filmressigeur Russel Mulcahy („Highlander“) zu verdanken. Seine „New Romantik-Clips brachten erstmals High Tech-Szenarios für Leute wie John Foxx oder Ultravox. Doch es waren seine Globetrotter-Spritztouren mit Duran Duran, die den Unmut der britischen Presse provozierten. Wie dekadent, seinen Promo-Clip in Sri Lanka zu drehen!

Mulcahy kann darüber heute nur lachen. „Alles was mich das damals gekostet hat, waren die paar Flugtickets. Den Rest besorgte uns Gott. Da standen einfach die wunderbarsten Kulissen in der Gegend herum, wir mußten nichts aufbauen. Die Leute sehen Sonne und Meer und denken sich, wie teuer die ganze Angelegenheit wohl sein muß. Aber es hätte bedeutend mehr gekostet, einen kompletten Set in Londoner Studios aufzubauen. „

Doch auch Video ist nicht mehr das. was es einmal war. Die Quoten für den US-Kabelkanal MTV befinden sich nach letzten Untersuchungen auf einer rasanten Talfahrt, und zu dem Zeitpunkt, da ich diesen Artikel schreibe, dürfen in England auf Grund eines Urheberrecht-Streits überhaupt keine Videos gezeigt werden. Inwiefern die Video-Kiste nun das Geschäft der Image-Macher beeinflussen wird, bleibt abzuwarten.

Wer aber sonst soll die Verantwortung in der Image-Fabrik übernehmen? Sicher nicht Tony Visconti! Der alte Haudegen aus längst vergangenen Tagen, der einst half, die Karrieren von Bowie, Bolan, Joe Cocker und Hazel O’Connor am Laufen zu halten, eröffnete vor einigen Monaten eine Art „Image-Seminar“ für hoffnungsvolle Nachwuchstalente. Die Idee dahinter: Neue Bands sollten Wochenend-Seminare besuchen, in denen der alte Meister Tips zu allen Sparten der Präsentation geben wollte. Beratung in Sachen Kleidung und Haarschnitt bis hin zu Tanzstunden und Arrangement-Kunde stand auf dem Programm.

Nach drei Monaten schloß das Seminar wieder seine Pforten — obwohl Viscontis Projekt sicher eine Marktlücke füllte: Er nahm keine blutigen Anfänger, sondern machte zur Voraussetzung, daß jede Band, jeder Sänger bereits einen Plattenvertrag in der Tasche hatte. Die Schulung war „nicht billig“, wobei die Rechnung natürlich in den meisten Fällen von den Plattenfirmen beglichen wurde.

„Wir hatten eine Menge ambitionierter junger Männer, die ihre Songs im stillen Kämmerlein geschrieben hatten, nun aber nicht wußten, wie sie das Material umsetzen sollten, wie sie sich auf der Bühne bewegen sollten. Wir haben versucht, ihnen zwei Dinge beizubringen: Stil und Selbstvertrauen.

Viele Sänger kamen zu uns, die unter diesem typisch englischen Syndrom leiden: der Unfähigkeit, sich zu öffnen und Gefühle zu zeigen. “ (Visconti selbst ist Amerikaner italienischer Herkunft.) „Manchmal entwickelten sich die Seminare geradezu zu Psycho-Dramen; es ging zu wie bei einer intensiven Gruppentherapie. Ich sagte: .Hast du diesen Song wirklich geschrieben? Bist du sicher? Ich habe nicht den Eindruck, daß du ihn geschrieben hast! Und wenn doch, dann beweis mir das, verdammt noch mal, indem du ihn mit Überzeugung singst!‘ Schließlich hatte ich sie so weit gereizt, daß sie in ihrem Zorn eine grandiose Vorstellung gaben. Das ist der Punkt, den die Leute anfangs nur schwer kapieren: Es ist fast unmöglich, z u exaltiert auf der Bühne zu sein — ob das nun die Musik betrifft, die Optik, die Bewegungen oder die Gefühle. „

Tony Brainsby hingegen behauptet kategorisch, daß Faktoren wie „Image“ oder „Präsenz“ nicht lehr-oder lernbar seien. „Jeder, der erst danach suchen muß, hat’s einfach nicht! Ein Sänger, der fragt: ,Nun, was kannst du aus mir machen?‘ sollte sich besser gleich einen anderen Job suchen.

Eine natürliche Bühnenpräsenz ist etwas ganz anderes als gestylter Glamour. Viele Leute machen den Fehler, das eine mit dem anderen zu verwechseln.

Nehmen wir zum Beispiel Meat Loaf: Der ist weiß Gott kein Warren Beatty, aber wenn du ihn einmal live erlebt hast, wirst du ihn so schnell nicht vergessen. Körperliche Erkennungsmale sind immer vorteilhaft. Gutes Aussehen hilft, ist aber nicht notwendig und entscheidend. Ungewöhnlichkeit ist grundsätzlich besser als Schönheit; die Covermodel-Schönheit ist wegen ihrer Austauschbarkeit und Anonymität sogar eher abträglich.

Meine Definition von Erfolg ist, vereinfacht gesagt, folgende: Wenn die breite Öffentlichkeit den Sänger einer Gruppe namentlich kennt! Und es gibt heute viel zu viele Bands, bei denen das nicht der Fall ist.“

Da in seinen Augen die Popmusik in eine Ära der Uniformität eingetreten ist, zog Brainsby daraus den Schluß, seine Aktivitäten künftig in andere Bereiche zu verlegen. So übernahm er z.B. die PR für „Virgin Atlantic“ (die Fluggesellschaft von Virgin-Boß Richard Branson) und brachte dem Unternehmen mit einem simplen Foto gleich erstaunliche Publizität: Er ließ Branson in einer Fliegermütze aus dem 1. Weltkrieg fotografieren.

„Die Story brauchte einfach ein ausgefallenes Foto, sonst wäre es nur eine kleine Meldung im Wirtschaftsteil geworden. Die Idee mit der Mütze kam mir ganz spontan — aber der Effekt war gewaltig: Das Foto ging rund um die Welt.“

Ein anderer Klient wiederum ist ein Club — das Londoner Limelight. Hier geht man hin, wenn man zwischen Boy George und Zodiac Mindwarp an der Bar sitzen möchte. Kein Wunder, daß der Club in der englischen Presse täglich irgendeine Erwähnung findet.

Wie der Zufall es wollte, besitzt Limelight-Chef Peter Gateau nur noch ein Auge. „Wenn irgendein anderer langhaariger Kanadier gekommen wäre und behauptet hätte: Jch mache den besten Club in der Welt auf, hätten alle ihn ausgelacht. Aber da er nun mal aussieht wie ein waschechter Pirat samt klassischer Augenklappe, war das Unternehmen vergleichsweise leicht in die Medien zu boxen.“

Kommen wir zurück zur Musik und zu einem Mann, der über die Image-Sucht inzwischen nur noch lachen kann: Heaven 17-Sänger Glenn Gregory (der Mann, der vor Jahren den Pferdeschwanz in die Popmusik einführte). Wenn die Zeit kommt, Heaven 17’s neue Single vorzustellen, will er auf jegliches Styling verzichten. „Okay, ich werd mich wohl rasieren, wenn wir einen Fernsehauftritt haben. Aber ich habe das Gefühl, daß wir diese ganze Image-Hysterie endgültig hinter uns lassen sollten. Nach Culture Club, Dead Or Alive und Sigue Sigue Sputnik ist der Begriff Image doch völlig überdreht und ausgelutscht. Hast du zufällig das neue Video von Spandau Ballet gesehen? Wo sie sich die Haare toupiert haben und so durch die Luft springen …“ (Glenn demonstriert einige mißglückte Karate-Sprünge.) „Mein Gott, das ist doch so leer und langweilig. „

Mag sein, daß inzwischen viele so denken. Doch wer sich einmal ein exzentrisches Image zugelegt hat. wird feststellen müssen, daß man ein Styling nicht so leicht abstreifen kann wie ein schmutziges Oberhemd. Adam Ant zum Beispiel, mit seiner karnevalistischen Maskerade als Pirat höchst unzufrieden, versuchte ein Comeback ohne die Unterstützung von Requisiteuren und Make up-Girls. Ohne Erfolg. Desillusioniert ließ er unlängst verlauten, er wolle sich ganz aus dem Musikgeschäft zurückziehen.

Oder nehmen wir Sheena Easton, die ihre Rolle als „sauberes Mädchen von nebenan“ plötzlich an den Nagel hängte, um sich mit schwarzen Dessous und aufreizenden Bewegungen die Aura des verruchten Vamps zu geben. Vergeblich.

„Olivia Newton-John“, schmunzelt Tony Brainsby, „machte den gleichen fatalen Fehler. Ihre Wiedergeburt als Sexbombe war absolut unglaubwürdig.“

Es gibt Ausnahmen. Musiker, die ihr Image so schnell verändern, daß sie nie Gefahr laufen, auf nur eine Rolle festgelegt zu werden. Bowie fällt einem da zunächst ein, inzwischen auch Annie Lennox. Ihr Style, ihre Selbstdarstellung verändert sich so organisch und selbstverständlich, daß man sie nie auf ein konkretes Image festnageln kann. Hier ist die Veränderung an sich zum eigentlichen Image geworden. Auch das natürlich ist ein Weg, um die wahre Person hinter einer Maske zu verstecken.

Angst und Verklemmtheit, sagte Annie Lennox kürzlich in einem Interview, seien die Auslöser der Maskeraden. Man versuche, die eigene Person hinter Kreativität und Phantasie zu verbergen.

Sie äußerte die Hoffnung, künftig auf derartige Krücken verzichten zu können und auch ohne Maske auf die Bühne zu treten. „Ich arbeite mich Schritt für Schritt an meine Jeans & Anorak-Phase heran.“