Instrumentenkunde : Rickenbacker 360/12
Die Technik: Zwölfsaitige Akustikgitarren sind gerade dabei,sich in der Folkszene zu etablieren, als die kalifornische Firma Rickenbacker 1963 eine glorreiche Idee hat: Sie rüstet ihr 1958 entwickeltes Modell 360 mit sechs weiteren Saiten aus. und fertig ist die erste zwölfsaitige E-Gitarre. Die 360/12 hat einen schlanken, hohlen Korpus, zwei Tonabnehmer und ein „F“-Loch. wahlweise traditionell oder im sogenannten „Cat’s Eye“-Design. Wichtigstes konstruktives Merkmal ist die durchbrochene Kopfplatte, auf der die Mechaniken für die zwölf Saiten sitzen: sechs davon wie bei konventionellen E-Gitarren, der Rest um 90 Grad abgewinkelt nach Art der klassischen Gitarre. Das spart Platz und Gewicht, was wichtig ist. damit das Instrument nicht „kopflastig“ wird und der Spieler nicht ständig Kraft ausüben muss. um den Gitarrenhals halbwegs in der Waagerechten zu halten. Was die 360/12 aber letztlich so unverwechselbar und bis heute attraktiv macht, ist ihr glockenheller, brillanter Klang. Der eignet sich besonders für Folk-Pickings und unverzerrte Solos, verzerrtes Rythmusspiel ist hingegen nicht die Domäne der 360/12-zwölf Saiten plus Verzerrung können beträchtlichen Sound-Matsch verbreiten. Die Geschichte: Wer hat’s erfunden? Natürlich ein Schweizer. Auch wenn andere Markennamen heute wesentlich geläufiger sind – entwickelt hat die Elektrogitarre die Firma des 1892 in der Schweiz geborenen und später in die USA emigrierten Adolph Rickenbacker. Sein Modell „Frying Pan“ erschien 1932, sah dem Namen entsprechend wie eine Bratpfanne aus und warvor allem bei hawaiianischen Folkensembles beliebt. Aber zurück zur 360/12: Die Beatles absolvierten im Februar 1964 ihre ersten TV-Auftritte in der“Ed Sullivan Show“, zwischen den Aufnahmen verweilte George Harrison grippebedingt im New Yorker Plaza-Hotel. Als ihn dort Rickenbacker-Mitarbeiter aufsuchten, um ihm ihr jüngstes Kind ans Herz zu legen, gab Harrison einem Radiosender in Minneapolis ein Telefoninterview. Er klimperte währenddessen auf der – zweiten jemals gebauten-360/12 und ließ den Interviewer sogleich wissen,dass ihm die Gitarre gefalle. Der Sender kaufte das Instrument wenig später und schenkte es Harrison, der es fortan live und im Studio einsetzte. Der Beatles-Film „A Hard Day’s Night“ besorgte den Rest: Zahllose Gitarristen hörten, sahen und kauften. Darunter auch Roger Mc-Guinn von den Byrds, der den Zwölfsaiten-Klang zu seinem Markenzeichen machte. Die Anwender: Hört man irgendwo eine zwölfsaitige E-Gitarre. ist es mit großer Wahrscheinlichkeit eine Rickenbacker. Zwar versuchten sich auch andere Hersteller an diesem Konzept, doch die 360/12 klingt großartig, genießt den Ruf eines Klassikers und wird noch heute hergestellt. Allerdings ist der Markt begrenzt: Für Folk-Rock und Artverwandtes sind zwölf Saiten prima, wer feist rocken will, ist mit der Hälfte besser beraten. George Harrison war der Initiator, Roger McGuinn spielte komplette Alben mit der 360/12 ein. Tom Petty fand das gut und kaufte sich auch eine. Peter Bück von R.E.M. benutzt sie hin und wieder, und fast jedes namhafte Studio hat eine im Schrank hängen. Falls der Gitarrist für diese kurze Sequenz nach dem achten Takt mal eben sechs Saiten mehr braucht. www.rickenbacker.com