Interview mit Beginner: „Und darauf kommt der Wumms von heute!“


25 Jahre nach Bandgründung und 18 Jahre, nachdem sie mit BAMBULE einen Meilenstein im deutschen HipHop gelegt hatten, wagen die Beginner ihr zweites Comeback. Mit ihrem neuen Album ADVANCED CHEMISTRY. Wir trafen Jan „Eizi Eiz“ Eißfeldt, Dennis „Denyo“ Lisk und Guido „DJ Mad“ Weiß in Berlin-Mitte.

„Derbe“ ist einer der Dreh- und Angelpunkte in eurem Vokabular. Denyo, hast du in deiner „Ahnma“-Zeile „Doch wir lassen uns die legendäre Stimmung nicht verderben“ absichtlich ein „derbe“ versteckt?

Lisk: Ja, ursprünglich hätte das sogar noch „die legenderbe Stimmung“ heißen sollen, das hat mir Jan dann aber ausgeredet.

Weiß: Um noch mal auf den Entstehungsprozess zurückzukommen: Der Kuchen schmeckte quasi schon, aber die Verzierung wollten wir noch verfeinern.

Hat man im HipHop gegenüber Rock nicht den Vorteil, die Musik ständig weiterzuentwickeln? Gerade live werden Stücke doch kaum 1:1 wiedergegeben.

Eißfeldt: Nein, gerade mit Live-Musikern verändern sich die Stücke krass im Vergleich zur Aufnahme. Entweder spielen die schneller oder tauschen den Gitarristen aus oder können sich auf einmal nicht mehr die Bläser leisten … Im HipHop tritt man – sollte man – mit Plattenspielern auf.

Machen sich eure 25 Jahre im Geschäft bei Entscheidungsfindungen bemerkbar?

Lisk: Früher hätten wir mehr gestritten. Wir haben zwar alle krasse Egos, sind aber auch erwachsen geworden. Man macht eben, was am besten für die Platte ist. Zu einem Zeitpunkt wollten wir sie deswegen „Smells Like Team Spirit“ nennen.

Eißfeldt: Diese „Kill your babies“-Mentalität muss man erst mal erlernen. Wenn man früher einen geilen Reim hatte, dann musste der da rein, bevor den jemand anders hat.

Eine reale Angst eines Rappers?

Lisk: Ständige Angst.

Eißfeldt: Und das nicht ohne Grund! Erst neulich wieder: Wir stehen für den „Ahnma“-Videodreh vor dem Bunker am Hamburger Heiligengeistfeld, die ganzen Homies sind da und hören zum ersten Mal den Song, als die Kamera schon auf sie gerichtet ist. Ich performe meine Strophe und Ferris brüllt rein: „Ey, das ist meine Line!“ Er meinte damit meinen Reim: „Alter, ich kam schon mit ‚K Zwo‘ und ‚Hammerhart‘, als ihr noch irgendwo im Sack von eurem Vadder wart“. Er hatte wohl so was Ähnliches zehn Jahre davor auf einem Album („Ich war schon am Start als du noch im Sack von dei’m Vater warst“ aus „Mein Rap“, 2003 – Anm. d. Red.).

Gerade eure Wortschöpfungen wie „Afrodeutsche Bank“ oder „Molotow-Cocktailkleid“ könnte man ja auch googlen, um sicherzugehen.

Lisk: Nein, da gehe ich auf Risiko. Ich checke bei Google nur ab und zu gegen, wenn ich das Gefühl habe, eine meiner Metaphern sei mal wieder zu kryptisch geraten.

Weiß: Das kann dir natürlich in jedem Department passieren. Dass jemand anders ein Element, das du irgendwo verwurstet hast, dick macht und du das dann nach drei Jahren Arbeit verwerfen musst.

Eißfeldt: Aber beim Beat isses nicht so schlimm wie beim Reim.

Weiß: Na ja, geht so.

Lisk: Es gibt mittlerweile so viel Rap, so viel Text, dass man Einzigartigkeit nicht garantieren kann. Es geht auch um Kontext, um Syntax. Du kannst natürlich „Fisch“ auf „Tisch“ reimen, wenn das Konstrukt drum herum stimmt. „Haus“ auf „Maus“ ist auch völlig in Ordnung.

Eißfeldt: Nur nicht „Party“ auf „Bacardi“!

„Legalize Moses!“

Auf „Back In Town“ habt ihr 2003 ein Sample aus dem Goblin-Stück „Tenebre“ verwendet, auf dem Justice vier Jahre später ihr „Phantom“ aufbauten und damit Welterfolg hatten. Wurmt das?

Eißfeldt: Wir haben keine Samples.

Logo habt ihr Samples!

Eißfeldt: NEEEEIN!

Oder nennt ihr das anders? Elemente? Fremdmaterial?

Eißfeldt: Nee, so was hamwer nich’. Sorry.

Wie soll ich denn hier weitermachen?

Eißfeldt: Pass auf: Ein Graffiti-Writer kann sich auch nicht in einem Interview hinsetzen und sagen: „Ja Hallo, ich bin der und der …“

Okay, verstehe … Also wart ihr nun von dem Justice-SAMPLE – die hatten das geklärt – genervt?

Weiß: Nee, ich hab’ mich nur über unseren Weitblick gefreut, das früher gecheckt zu haben.

Lisk: Justice sind auch ein anderes Genre. Letztlich gehört einem aber auch nichts. Was soll das alles? Uns gehört nichts. Es ist alles da und wir können mit allem spielen, alles ein- und ausatmen. Nur so kannst du neue Sachen machen.

Eißfeldt: Es gibt so einen ganz oldschooligen Song von uns, „Diese Schlacht“ von 1993, mit einem Herbie-Hancock-Sample – damals haben wir noch gesampelt – , und über zehn Jahre später kommt Janet Jackson und hat mit einem Loop aus genau dem Beat einen Riesen-Nr.-1-Comeback-Hit. Das war einfach der Flash! (das gemeinsame Sample entstammt Herbie Hancocks 1975er-Song „Hang Up Your Hang Ups“. Janet Jackson hatte mit ihrem „All Nite (Don’t Stop)“ allerdings überschaubaren Erfolg – Anm. d. Red.)

Weiß: Das macht einen dann schon happy. Vielleicht sind wir gar nicht so weit weg von internationalen Superproducern?

Eißfeldt: Doch.

Lisk: Auf der neuen Platte sind wir keinen Millimeter von dem entfernt, was international geht. Es geht aber auch darum, etwas Zeitloses zu schaffen. Mit BLAST ACTION HEROES wollten wir Clubmusik machen, in der Richtung von Just Blaze, unserem Gott, und den Neptunes. Auf einigen Songs hat das auch richtig funktioniert: „Fäule“ wummst immer noch. Aber nicht alles von damals knallt auch noch heute. Manches davon bleibt einfach in seiner Zeit verhaftet.