Janet Jackson
Janet Jackson, das unbekannte Wesen: Ist sie ein musikalisches Retortenbaby? Eine "doo-whoop-didu" quietschende Video-Marionette? Oder doch eine ernstzunehmende Sängerin? Der allererste Live-Auftritt in ihrer immerhin schon 14 Jahre dauernden Karriere sollte solche Fragen klären.
Die Spannung in der Miami Arena erreichte extreme Werte. Denn jeder der 15 000 Zuschauer wußte, daß auch Michael Jackson irgendwo unerkannt das Geschehen verfolgte. Die Tageszeitungen hatten den Start der neun Monate dauernden „Rhythm Nation“-Welttournee auf den Titelseiten abgefeiert. Hubschrauber der Fernsehstationen Floridas waren die Enklaven der Superreichen abgeflogen, um das Versteck des Jackson-Clans (angebliche Tagesmiete: 2000 Dollar) in den Abendnachrichten zu präsentieren.
Und so verursachte schon der Einmarsch von Mama Katherine Jackson mit diversen Brüdern und Schwestern eine Massenhysterie. Als dann auch noch Whitney Houston erschien, sprang die Menge auf die Stühle und reckte die Hälse. Jeder Furz, der auch nur entfernt wie Michael Jackson aussah, wurde von kreischenden Teenagern umzingelt. Wer benötigt da noch eine Vorgruppe, um die Stimmung aufzuheizen? Janet Jackson.
Und so durfte Chuckii Booker, zugleich Musikdirektor der gesamten Show, mit einem Gemisch aus pflegeleichtem Rock ’n‘ Roll und Rap im Weichspülgang die Stimmung im Saal wie einen riesigen Gummischlauch aufpumpen, bevor Janet endlich zu den Anfangszeilen von „Pledge“, dem Opener von RHYTHM NATION 1814, auf einer Stahlkonstruktion in Form eines Ölbohrturms aus dem Bühnenboden emporschwebte. Die folgenden 90 Minuten glichen einer riesigen MTVParty mit einem überdimensionierten Live-Video auf der Bühne. Janet Jackson ist nun mal eine perfekte Tänzerin, und die Choreographien ihrer harten Funkbeat-Nummern sind das identische Ebenbild der Videoclips, die man vom Fernsehschirm her kennt.
Das jüngste der neun Jackson-Geschwister verbarrikadierte sich ja seit jeher gerne hinter den Studiotüren für die Video-Produktionen. Mit den Plattenverkäufen ging’s erst aufwärts, als James „Jimmy Jam“ Harris III und Terry‘ Lewis 1986 das Album CONTROL produzierten. Und auch im Gemischtwarenangebot sozialkritischer Songs auf dem aktuellen Album RHYTHM NATION 1814 lieferten die beiden Sound-Designer das perfekte Einwickelpapier um Janets dünnes Stimmchen.
Dieses Stimmchen galt es natürlich auch in Miami so aufwendig wie möglich zu übertünchen. Und so ließ die Firma Jackson GmbH & Co. KG klotzen, nicht kleekern. Knappe vier Millionen Mark kostete die Bühnenkonstruktion; sechs Tänzer, zwei Background-Sängerinnen, ein Leopard und eine siebenköpfige Band gehörten zur Grundausstattung.
Gottlob rutschte Janets Stimmchen dabei auf den Beifahrersitz. Und ihre Songs sind ja eigentlich auch kaum der Rede wert. Deshalb schien es auch kaum einen der begeisterten Fans zu stören, daß Chuckii Bookers Choreographie in rhythmischen Songs wie Ißlack Caf öder „What Have You Done For Me Lately“. die er neu arrangierte. Janets schwachen Gesang oft erschlug.
Ideal für ihren begrenzten Stimmumfang ist „When I Think Of You‘. ihr melodisch bester Song. Weitere Höhepunkte des Abends waren „Alright“ sowie die beiden Zugaben „Rhythm Nation“ und „Miss You Much“ mit den überaus schwierigen Tanzschritten exakt wie im Video. Mag Janet Jacksons Show auch nur glitzernde Verpackung für wenig Inhalt sein – mehr Spaß als ein Konzert von Tracy Chapman hat Janets glitzernde Videoclip-Show allemal gemacht.