Jarvis Cocker, Vordenker von Pulp, parliert über Tony Blair, Britpop und sein Leben als Sexsymbol


Eine Menge Leute finden euch cool. Sie imitieren sogar euren Stil…

Irgendwann kommt der Punkt, an dem die Leute zu wissen meinen, was man sagt. Dann verlieren sie das Interesse an dir. Dann mußt du allen klar machen, daß du dich nicht wiederholst. Das versuchen wir mit dem neuen Album „This Is Hardcore“.

Die neuen Pulp entdeckt man aber auf dieser CD aber nicht wirklich.

Für uns war es wichtig, weiterzugehen und trotzdem wiedererkennbar zu bleiben. Ich mag es nicht, wenn eine Band plötzlich auf Techno macht, nur weil sie das nötige Equipment dafür entdeckt hat.

Geht es in dem Song „The Day After The Revolution“ um den Tag nach den Wahlen, aus denen Tony Blair als strahlender Sieger hervorging?

In der Wahlnacht schien eine Revolution möglich. Was seitdem geschah, ist nicht sehr revolutionär. Aber eigentlich ging es nicht um Tony Blair.

Hat Blair eigentlich versucht, Pulp – ähnlich wie Oasis – vor den Karren seiner Politik zu spannen?

Vor den Wahlen bekam ich ein paar Anrufe. Ich bin aber froh, daß ich abgelehnt habe, obwohl ich immer für die Labour-Partei war. Ich fühlte instinktiv, daß es falsch gewesen wäre, mich zu engagieren. Die Musik sollte sich nicht in die Politik einmischen, weil Musik eine sehr emotionale Sache ist.

Eure Single „Help The Aged“ Ist also ebenfalls mehr ein emotionales denn ein sozialpolitisches Statement?

Ich habe Angst davor, alt zu werden. Ich weiß nicht, warum mir das Thema in den Kopf kam. Ich begann festzustellen, daß ich mich älter fühle, daß ich älter aussehe. Und im Popbusiness, das traditionell jugendorientiert ist, wird der Unterschied zwischen jung und alt besonders deutlich. Es gibt viele Möglichkeiten, im Popbusiness seine Würde zu verlieren, speziell wenn man älter wird. Was uns aber konkret zu diesem Song inspirierte, war ein Video von Robert Plant.

Ist Robert Plant denn schon ein Fall für die Rentenkasse des Rock?

In diesem Video sieht man ihn mit einem jungen Model, und dir wird vorgegaukelt, daß sie ihn liebt. Doch Plant sieht wie ein dreckiger, kaputter, alter Typ aus, den du im Park treffen könntest. Immer noch die gleichen Haare wie früher, aber ein anderes Gesicht darunter.

Einen anderen Popstar scheinst du sehr zu verehren. Speziell in dem Song „Party Hard“ ähnelt dein Gesang stark dem von David Bowle.

Da habe ich mich beim Gesang eher an Scott Walker beziehungsweise an den Walker Brothers orientiert. Vor Scott Walker habe ich nie jemand zu einem großen Orchester über unbequeme Themen singen hören.

Ist die neue Pulp-Platte euer persönliches Goodbye an den Britpop?

Britpop war spannend. Viele der Gruppen, die der alternativen Ecke zugeordnet wurden, verkauften plötzlich soviele Platten wie Mainstream-Bands. Das war eine Art Revolution. Aber eine Revolution dauert naturgemäß nur eine gewisse Zeit, und dann muß man überlegen, was man als nächstes macht. Ich weiß nicht genau, wie es weitergeht. Es ist wie eine Party. Du mußt wissen, wann du gehen mußt. Bleibst du aber, endest du zwischen all den leeren Flaschen und ausgedrückten Zigaretten. Es wird Morgen, und du weißt nicht, wohin mit deinem Leben.

Kannst du dir vorstellen, was manche Leute dazu bringt, dich als Sexsymbol zu bezeichnen?

(überlegt, grinst) Nein, eigentlich nicht. Vielleicht liegt es daran, daß einige meiner Songs von Sex handeln.

Das tun viele Songs. Das alleine kann s doch nicht sein.

Ruhm macht sexy. Die Leute wollen wissen, wie es ist, mit einer Berühmtheit zu schlafen – um zu wissen, ob es anders ist. Jeder, der Geld hat, ist sexy.