Jeff Beck: Der Auto-Erotiker
Wenn ein rassiger 12-Zylindermotor des Baujahrs 19332 im vierten Gang kraftvoll röhrt, ist dieser Sound Mehrbereichsöl auf die Mühlen von Jeff Beck . Denn der Gitarren-Oldie liegt nun mal am liebsten unter seinen edlen Wagenpark.
Im November 1987 hätte sich Meister-Gitarrero Jeff Beck um ein Haar seine flinken Finger für immer ruiniert. Er ließ einen Motorblock fallen und vergaß dabei seine Hand. Die war danach recht platt – die gebrochenen Finger mußten fünf Monate lang im Gipsverband ruhiggestellt bleiben.
Jeff Beck hat ein gefährliches Hobby: Er sammelt Oldtimer wie andere Leute Briefmarken oder Schuldscheine. Und er repariert die oftmals ziemlich ramponierten Karossen im Schweiße seines Angesichts auch gleich noch selbst. „Einem vergammelten Auto wieder auf seine vier Pneus zu helfen, das schon 50 oder 60 Jahre in irgendeiner Scheune auf dem Land still vorsich hin rostend auf seine Wiedererweckung wartete, das erfordert die gleiche mentale Konzentration und kreative Ausdauer wie ein gelungenes Solo auf meiner Lieblings-Fender“, philosophiert der vielsaitig begabte Auto-Didakt.
„Der einzige, aber dafür umso schwerer wiegende Unterschied zwischen dem Gitarrenspiel und der KFZ-Mechanik liegt in der Tatsache, daß du als Mechaniker mit vollem physischen Einsatz arbeiten mußt. Dabei holst du dir unweigerlich blaue Flecken und ziehst dir Schnittwunden oder Kratzer zu.“ Oder du brichst dir die Finger. Wenn er sich an jenen Betriebsunfall erinnert, verzieht Beck gequält das Gesicht.
Dabei gehörte der Zwischenfall mit der Hand noch nicht einmal zu den gravierendsten Katastrophen in Becks Laufbahn als Oldtimer-Chauffeur. Insgesamt drei schwere Unfälle hat er schon hinter sich; der schlimmste hätte ihn 1970 beinahe das Leben gekostet: Er erlitt einen Schädelbasisbruch und lag monatelang im Krankenhaus. Doch das konnte seine Leidenschaft für Museums-Motoren und Veteranen-Vehikel nicht schmälern. Schon 1973 standen in Jeffs Garage sechs motorisierte Asphaltrentner, und heutzutage beherbergt der Landsitz Tunbridge Wells in der Nähe von London einen stattlichen Oldie-Fuhrpark. Der ist denn auch der ganze Stolz des fingerfertigen Handwerkers: „Auf eine meiner Gitarren kommen zehn Wagen.“
Das erklärt, warum Beck zu den zurückhaltendsten und unproduktivsten Meistern seines Fachs zählt: Er hat einfach nicht genug Zeit, um Platten aufzunehmen, wenn er doch am liebsten mit ausgeleierten Kardanwellen, leckenden Differentialen und zerbröselnden Zylinderkopfdichtungen in den handfesten Clinch geht. Nur dreimal innerhalb der vergangenen zwölf Jahre gab El Becko starken Motivationsschüben nach und ging ins Studio. Kein Wunder, daß er, vertraglich gesehen, bei seiner Plattenfirma mittlerweile mit sechs Produktionen im Rückstand Hegt.
Daß er nun doch wieder ein neues Album aufnahm, das sieht er fast schon als unausweichliche Verpflichtung an. der er sich nicht länger entziehen durfte. „In den Clubs von Los Angeles und New York habe ich mir viel Musik angehört. Und das alles deprimierte mich, denn ich erkannte, daß ich wahrlich Besseres zu bieten habe.“
Und für dezente Fingerzeige des Schicksals zeigt er sich allemal empfänglich: „Als mir bei der Arbeit an einem Triumph Roadster, Baujahr 1938, warmes Getriebeöl über die Hände tropfte, dachte ich so bei mir: Ein neues Album müßte jetzt eigentlich laufen wie geschmiert.“
Also fackelte Jeff nicht lange. Er griff sich Sandpapier, Schmirgelseife und Putztuch, wischte sich das Getriebeöl von den feinnervigen Fingern, die schon so manchen schlanken Gitarrenhals und kräftigen Kolben gestreichelt haben, und teilte seiner Plattenfirma frohgemut mit: „Die Zeit ist reif für den Guitar Shop.“
Auf dieser neuen Platte musiziert Jeff im flotten Dreier: Sein langjähriger Freund und Wegbegleiter Tony Hymas, der den Titel „El Becko“ auf dem Album There & Back geschrieben hat, bedient die Keyboards: am Schlagzeug sitzt das technisch exzellente Energiebündel Terry Bozzio (früher bei Zappa und den Missing Persons). Auf seinen Lieblingsdrummer Simon Phillips mußte Beck verzichten, weil der gerade mit den Who durch die USA tourte.
Beck, Hymas und Bozzio quartierten sich in Jimmy Pages Sol-Studio ein und machten sich ans Werk. Aber es dauerte dann doch noch acht Monate, bis das Trio ein fertiges Mastertape im Kasten hatte. „Das liegt einfach daran, daß die Tonstudios heutzutage viel zu gemütlich eingerichtet sind“, schmunzelt Beck und legt den 16er Schlüssel, mit dem er in einer geöffneten Motorhaube hantierte, zurück in den Werkzeugkasten.
„Außerdem kam Tony mit einem Schachbrett an, und jedesmal, wenn wir nicht gut genug drauf waren, um Musik zu machen, bauten wir die Bauern und Läufer auf und spielten. Die Atmosphäre erinnerte mich eher an einen exklusiven Club für reiche Gentlemen ab an ein Tonstudio.“
In dieser Atmosphäre ließen die drei Gentlemen ihrer Kreativität Raum, sich zu entfalten, denn „gut Ding will Weile haben“, wie El Becko in aller Bescheidenheit betont. Im Team schrieben die Drei alle Stücke des neuen Albums, gemeinsam produzierten sie auch und sorgten so für einen ausgereiften und homogenen Sound. Sogar die Finanzen stimmten: “ Nach drei Monaten fragte ich meinen Manager Ernest Chapman, ob wir denn den Studio-Etat nicht schon überzogen hätten. Wir lagen aber voll im Budget, und deshalb ließen wir uns auch angemessen Zeit. „
Seine vierrädrigen Sammelobjekte ließen Beck freilich auch dann nicht los, als er im Studio guarristische Feinarbeit leistete. So schlug sich die Trennung vom Wagenpark in drei Titeln nieder, die ‚Savoy‘, ‚Stand On It‘ und ‚Big Block‘ heißen. „In diesen Stücken versuche ich das Gefühl einzufangen, wenn man eine Maschine wieder in Schuß gebracht hat und sie gut geölt läuft – die pure kontrollierte Kraft.“
Und mit verklärtem Blick gerät er ins Schwärmen: „Hast du schon mal einen Zwölfzylindermotor im vierten Gang singen gehört ? Mir fallen dabei jedesmal die geilsten Soli ein. “ Vielleicht hat er deswegen auch darauf verzichtet, für Jeff Becks Guitar Shop einen Sänger zu engagieren.
Vielleicht wollte er aber auch nur die schlechten Erfahrungen der Vergangenheit vermeiden. Denn als ihn sein alter Kumpel Rod Stewart 1984 ins Studio einlud und ihn bat, am Album Camouflage mitzuwirken, erlebte Beck eine herbe Enttäuschung.
„Ich hatte einige nette Ideen auf Lager, die auch dem Produzenten Michael Omartian gefielen. Aber Rod ließ sich bei den Sessions nicht blicken und hielt es nicht einmal für nötig, sich meine Sachen anzuhören. Angeblich hatte er wichtige Termine. „
Der hagere Saitenvirtuose wischt sich die ölverschmierten Finger am blauen Mechaniker-Overall ab und wirkt noch immer ein wenig konsterniert ob seiner schlechten Erfahrung mit Rod. „Ich kann mir die Art seiner Termine lebhaft vorstellen – mit Mädchen durch die Stadt ziehen und sich vor der Ehefrau verstecken. „
Auch mit Flash, seinem letzten Album, das vor vier Jahren erschien, zeigt sich der Motor-Klassiker im nachhinein nicht sehr glücklich. Dabei hatte er große Hoffnungen in den Produzenten Nile Rodgers gesetzt: „Ich dachte, mit Nile komme ich schnell an die große Kohle – aber weit gefehlt. „
Wahrscheinlich wollte sich der Auto-Narr von den Flash-Tantiemen eine dritte Hebebühne, eine größere Werkbank und eine neue Fräse für seine Werkstatt anschaffen. „Doch Nile hatte das falsche Material[für mich. Nur zwei Songs finde ich gut auf Flash – ‚Escape‘, wofür ich einen Grammv bekam, und ‚People Get Ready‘, auf dem Rod Stewart großartig sang.“
Flash floppte trotzdem, und es stellt wohl, meint Jeff, „in Nile Rodgers‘ Karriere einen unangenehmen Schandfleck dar“.
Auch an Mick Jagger erinnert sich Beck mit gemischten Gefühlen. Die Zusammenarbeit mit dem Stones-Boß für dessen Soloalbum erwies sich als heikel. „Keiner wußte genau, was Mick eigentlich wollte. Ich konnte nicht nachvollziehen, wofür er mich brauchte. Außerdem ist er extrem launisch und muß erstmal drei Stunden lang Akkorde schrubben, bevor er in der richtigen Stimmung ist und das Maul zum Singen aufmacht. Bis es so weit war, hat mich das jedesmal angeödet. Trotzdem versuchte ich, mein Bestes zu geben, und das schien ja auch in Ordnung.“
Die geplante Tournee platzte dennoch aus den sattsam bekannten Ego-Gründen: „Wir probten einige Tage und waren schon richtig gut drauf, als Jagger meinte, er müsse seiner Begleitband unbedingt ein jugendliches Design verpassen.“ Dazu war sich der gestandene Exzentriker denn doch zu schade. „Mick Jagger als Sänger der Jeff Beck Group – das lasse ich noch angehen. Statt dessen sollte ich seinen stillen Begleiter spielen. Ohne mich.“
Da hängte Beck seine Telecaster an die Wand, holte den Schraubenschlüssel aus dem Werkzeugkasten und verzog sich wieder auf seinen Landsitz. „Ich bin sowieso im tiefsten Grunde meines Herzens mehr Mechaniker als Gitarrist“, murmelt er rückblickend.
Auf den beiden Hebebühnen seines Automuseums warten zwei Prachtstücke darauf, daß er wieder Hand an sie legt: ein Ford Sedan, Baujahr 1932, und ein prachtvolles Ford-Coupe aus dem gleichen Jahrgang, den Classic-Car-Connaisseure als ein besonders ertragreiches Modelljahr zu schätzen wissen.