Jeff Beck steht jetzt auf Soul


Jeff hat’s wieder mal gepackt! Wie schon so oft ist er einer der ersten, die erkennen, wann ein neuer Schritt getan werden muß. Das hat wohlgemerkt nichts mit Kommerzialität zu tun, sondern rührt eher daher, daß Jeff sein Ohr ständig am sogenannten Zahn der Zeit plaziert hat. So war er denn auch einer der ersten, der Feedbacks (Rückkoppelungen) in die Rockmusik integrierte. Auf seiner neuesten LP ¿ „Blow By Blow“ singt er durch die Tonabnehmer seiner Gitarre, was sicherlich auch noch nicht viele von euch gehört haben dürften. Na ja, er weiß, daß er nicht singen kann und iNot macht wie gesagt erfinderisch.

. Aber es sind nicht nur solche Details, die Beck aufspürt und ver-I breitet – es sind ganze Stilarten. Er kann sie förmlich riechen, wenn sie einen Punkt erreicht haben, bei dem niemand mehr an ihnen vorbeikommt. Und das ist momentan eben der Soul oder der Funk, die jazzige Seite des Soul. Der Unterschied zu vielen seiner Kollegen, die jetzt ebenfalls langsam beginnen, diese Sachen mit einzubeziehen, besteht allerdings darin, daß Jeff schon 1971 (auf dem fantastischen „Rough And Ready“-Album) Songs brachte, die souliger waren, als einige, die heute unter diesem Etikett angeboten werden. Diese LP und ihr Nachfolger „Jeff Beck Group“ machten vermutlich auch Stevie Wonder auf Jeff aufmerksam. Und das will schon was heißen . . . Die Folge: Das „Wunder“ lud ihn zu Plattenaufnahmen ein. Das Ergebnis: Ein Stück mit dem Titel „Lookin For Another Pure Love“ (auf Stevies „Talking Book“-Album), eines seiner schönsten überhaupt.

Ärger mit Stevie Wonder

Jeff bewundert und verehrt Stevie schon von jeher. Von ihm in diese Musik eingeführt oder besser „eingetörnt“ zu werden, erklärt am besten, warum Jeff schnellstens sein Hardrock-Supertno „Beck, Bogart & Appice“ auflöste und sein soundsovieltes Comeback einleitete. Sein Soul-Comeback! Und mit Hilfe von Wonder, der für ihn „Superstition“ und ein paar andere Nummern schrieb, klappte es auch fast. Zu allem Unglück kam aber Stevies eigene Single-Version von „Superstition“ kurz vor der Beck-Version auf den Markt und schlug, wie zu erwarten, voll ein. Jeff war stinksauer. Inzwischen aber haben beide sich wieder versöhnt, und sogleich tauchen auf „Blow By Blow“ erneut zwei Wonder-Songs auf; einer davon („Telonius“) ganz allein für Jeff komponiert.

Häufige Fehlgriffe

Ungeachtet der Tatsache, daß man Jeff Beck den sensibelsten Trend-Entdecker nennen könnte, gebührt ihm auch der Titel des größten Pechvogels, wenn es darum geht, die eigenen Fertigkeiten und Ideen in die Tat umzusetzen. Insbesondere Personalfragen liegen ihm überhaupt nicht. Seine bisher fruchtbarste Besetzung, die Jeff Beck Group von ’71 und ’72, entließ er kurzentschlossen, um seinen „Jugendtraum“ zu erfüllen: eine Band mit den Vanilla Fudge-Leuten Carmine Appice und Tim Bogart. Irgendwo war das, zumindest für ihn selbst, ein Fehltritt. In seiner neuen Gruppe, in der der einzig Überlebende der ’72er-Tage, der Tastenmann Max Middleton, wieder dabei ist, zeichnet sich ein neuerlicher Fehlgriff ab: Die Rhythmus-Sektion ist für Jeffs Persönlichkeit zu jazzig, clean und künstlich. Vielleicht hat er das aber schon eingesehen, denn dieser Tage erreichte uns aus den USA die Meldung, daß er anläßlich seiner derzeitigen Tour drüben die Rhythmusgruppe ausgetauscht habe. Jetzt sorgen Bernhard „Pretty“ Perdie, ein einfallsreicher, aber vor allem warmer R & B- und Jazz-Drummer und der Bassist Wilbur Bascomb, ein noch unbeschriebenes Blatt, für den Rhythmus-Teppich. Auf dieser Tour, die Becks Band mit John McLaughlins Mahavishnu Orchestra zusammen unternimmt, zeigt sich auch deutlich, wie fehl am Platze George Martins Orchester-Arrangements auf „Blow By Blow“ waren.

Jeff Beck und McLaughlin

Jeffs Vorbilder, was sein Gitarrenspiel angeht, änderten sich in gleichem Maße mit den wechselnden Stilvorstellungen. Mit Clapton fing es an, der soulige Buz Feiton dürfte Anfang der 70er Jahre ebenfalls eine Rolle gespielt haben, und der gleichwohl gepriesene wie verschmähte „Gott“ von heute ist ja, wie jeder weiß, John McLaughlin. Jeffs momentaner Stil ist denn auch ohne ihn nicht denkbar: Technisch auf dem höchsten Stand, glanzpoliert und energiegeladen. Aber eines hat er McLaughlin voraus – die Erdverbundenheit. Nicht weiter erstaunlich also, wenn er anfangs nicht sonderlich davon erbaut war, mit dem Mahavishnu auf Tour zu gehen.

Bei allen Antennen, die Beck ständig in Betrieb hat, ist eines vorrangig: Er muß ehrlich zu sich selbst sein. Sollte die derzeitige US-Besetzung jedoch bestehen bleiben und sich wider allen Erwartens auch noch ein geeigneter Produzent finden, dürften Jeffs nächste Auftritte und das neue Album solche Klassiker werden, daß sich sogar die Beatles entschließen könnten, frisch ans Werk zu gehen, um einen zweiten „Sgt. Pepper“ zu starten.