Joe Cocker – New York, Dr. Peppers
Dr. Pepper’s am Hudson Pier/44. Straße ist eine New Yorker Open Air Sommerkonzert-Einrichtung. Direkt am Fluß gelegen, ein großes bestuhltes Areal und eine Bühne mit Zeltdach. An der Nordseite des Platzes liegt bedrohlich ein riesiger, grauer Zerstörer-Flugzeugträger vor Anker. Meine Laune verschlechtert sich angesichts des zahlreichen, typischen Billy Joel/Springsteen-Publikums.
Während Al Kooper das Vorprogramm heruntersaust, wird es draußen langsam und in mir selber ganz schnell finster. Al Kooper ist schrecklich, schlimme Frühsiebziger-Wichse, mit Macho-Gitarrensoli all das verkörpernd, was man bekämpfen muß. Dabei hat der Mann früher durchaus mal was bedeutet.
Aber wir sind ja auf etwas ganz anderes gespannt. Nämlich darauf, wie schlecht oder wie gut er es noch bringt, der neben Van Morrison einzig wirklich überzeugende weiße Soulsänger. Kaum zu glauben: Joe Cocker, der mehrmals zur Halbleiche erklärt wurde, ist in beachtlich guter Form und liefert einen ebenso guten Set ab. Es scheint wie bei den alten Soulsängern zu sein, die nicht kleinzukriegen sind, da das, was sie tun, ja die Substanz ihres Lebens bedeutet Joe bringt eine relativ ausgewogene Mixtur aus Standards (z. B. „Feelin Alright“) und Neuerem, zwei oder drei Songs von SHEFFIELD STEEL.
In der Band allerdings leider weit und breit keiner von Sly & Robbie zu sehen, der gelegentliche Reggae-Einfluß auf der neuen LP macht sich hier auf der Bühne auch kaum bemerkbar. Dann etliche langsame Nummern, welche die Qualitäten von Cockers Stimme ins rechte licht rücken: ein sehr schönes „A Whiter Shade Of Pale“ z. B. – ich gucke über meine Schulter und tatsächlich: das Schlachtschiff schmilzt. Fast scheint es mir, Joe hätte die eine oder andere stimmliche Nuance noch dazugelemt, für einen wirklichen Vergleich liegt das letzte Konzert, was ich von ihm sah, jedoch schon zu lange zurück. Aber das Ganze durchzieht auch eine sanft resignative Stimmung, was durchaus nicht negativ ist, sondern eher eine reife, besinnliche Note vermittelt. Am Schluß kommt, was kommen muß – rate mal, oder brauchst du a little help from your friends? Der Effekt ist überwältigend, wenn man dieses Monument seit über zehn Jahren kaum gehört hat!
Gutes Comeback, Joe Cocker, sogar besser als gut! Wie Dexy’s Midnight Runners und Van Morrison wird er heute dringend gebraucht – hoffentlich geht er uns nicht wieder verloren!