Justine Frischmann (Elastica)


Justine, warum der Wechsel von der Musik zur Malerei?

Weil mich das Musikmachen ermüdet hat. Nicht die Sache selbst. Sondern der Umstand, ein Werk fertig zu haben und danach mit anderen Leuten darüber verhandeln zu müssen, was mit diesem Werk passiert.

Malt sich ein Bild so leicht, wie sich ein Song schreiben lässt?

Mal mehr, mal weniger. In beiden Fällen entsteht die Kunst, wenn sich in meinem Inneren ein Weg auftut. Von diesem Weg geht eine Energie aus, der ich dann folge.

Zur Zeit des Elastica-Debüts standest du im Zentrum des Britpop-Hypes. Elastica waren immer unterwegs. Bist du das auch heute noch?

Nein. Sonst könnte ich nicht arbeiten. Man kann nicht beiläufig malen. Songs können per Zufall entstehen. Egal wo du bist. Bei der Kunst funktioniert das nicht. Ich male nur sehr selten außerhalb meines Studios. Es ist für mich eine Art heiliger Raum.

Hast du kein Bedürfnis, aus diesem Raum auszubrechen?

Nein, ich möchte andächtig sein. Diese Andacht entsteht, wenn ich wenig aufregende, ruhige Dinge tue. Spiegeleier braten. Oder im Wald spazieren gehen. Mein Ziel ist es, mich in den Moment zu verlieben. Ich muss dafür sehr aufmerksam sein. Die Zerstreuung, die man als Popkünstler erfährt, ist da eher schädlich.

Wohnst du daher auch nicht mehr in einer großen Stadt, sondern auf dem Land?

Ja. Ich habe in meinen Dreißigern erfahren, wie wichtig es für mich ist, in einer möglichst natürlichen Umgebung zu leben. Darum San Rafael – und eben nicht London, New York oder L. A.

Elastica waren in all dem Britpop-Retro-Sumpf die scharfkantige Stimme des Postpunk. Hat diese Musikrichtung Einfluss auf deine Malerei?

Es gibt sicherlich Parallelen zwischen meinen Songs und meinen Bildern. In beiden Fällen baue ich zunächst einmal eine Struktur, die die losen Enden zusammenhält. Innerhalb dieses Rahmens lasse ich dann diverse Elemente aufeinanderprallen und sich verdrehen. Dieses Chaos bin dann ich. Es bedeutet Freiheit.

Hörst du denn beim Malen Musik?

Oh ja, ständig.

Auch alte Elastica-Songs?

Die sind zumindest noch auf meinem iPod.

Was läuft besonders häufig?

Meine Lieblingsmusik beim Malen ist „1/1“, der erste Track von Brian Enos Ambientplatte MUSIC FOR AIRPORTS. Ich beginne einen Tag im Studio häufig mit dieser Musik. Sie hilft mir beim Fokussieren. Ich bin danach aufmerksamer, sinnlicher.

Eines deiner Bilder trägt sogar den Titel eines Eno-Songs, „Another Green World“, vom gleichnamigen Album. Hast du versucht, diese Musik zu visualisieren?

Ich benenne Bilder häufig nach Liedern. Dabei geht es mir nicht darum, einen Song zu malen. Aber es kommt vor, dass ich eines meiner Bilder betrachte, parallel dazu ein Lied läuft und beide Werke eine Symbiose eingehen. Bild und Song bilden dann ein perfektes Paar.

Noch einmal die Frage: Als Musikerin hast du deine Euphorie bei Konzerten mit Tausenden teilen können. Jetzt erlebst du sie alleine in deinem Studio. Fehlt da nicht was?

Ich fühle mich beim Malen nicht alleine. Ich bin auch nicht isoliert. An einem wirklich guten Tag habe ich das Gefühl, dass meine Persönlichkeit und mein Selbst in der Kunst aufgehen. Ich bin dann nicht mehr eine Frau, die alleine in einem Studio malt, sondern werde Teil eines großen Energiefeldes.