Keine Angst Four Tet
Wie sich der britische Produzent Kieran Hebden innerhalb von zwei Jahren neu erfunden hat.
Die meisten Menschen leiden an einer mehr oder weniger ausgeprägten Angststörung, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wie jeder anständige Psychopath halten sie sich und ihr Dasein in ihrer kleinen Ich-zentrierten Welt für vollkommen „normal“. Die Angststörung, die ich meine, ist die Methatesiophobie – die Angst vor Veränderungen. Alles soll so bleiben, wie es ist, vorhersehbar und bequem. Das gibt ein Gefühl der Sicherheit und enthebt den Veränderungsunwilligen von der lästigen Pflicht, Entscheidungen zu treffen. Von der Methatesiophobie sind sehr viele Musiker und Musikhörer betroffen.
Kieran Hebden wurde 1978 in Putney, einem Stadtteil im Südwesten Londons, geboren. Vermutlich leidet Hebden nicht an Methatesiophobie, zumindest nicht an der Form, die auf Musik bezogen ist. Er ist seit 1995 Mitglied der Post-Rock-Band Fridge und macht seit 1999 unter dem Namen Four Tet Musik. Ich muss zugeben, dass mich die frühen Alben von Four Tet nicht erreicht haben. Ich hatte Respekt vor dem, was ich darauf hörte – jazzy, frickelige, kleinteilige Electronica, gleichermaßen vom Folk inspiriert wie vom HipHop. Aber meistens hatte ich keine Lust, die Musik von Four Tet überhaupt anzuhören – trotz der plastischen Besprechungen des Kollegen Frank Sawatzki auf diesen Seiten. Das Schöne am Musikhörer ist ja, dass er niemandem Rechenschaft schuldig ist und die Möglichkeit hat, sich mit bestimmter Musik aus vollkommen irrationalen Gründen nicht zu beschäftigen.
Mein Verhältnis zu Four Tet änderte sich mit seinem Album THERE IS LOVE IN YOU von 2010. Das war zwar immer noch kleinteilige Electronica, aber irgendwas hatte sich verändert. Ein gewisser House-Vibe schlich sich in die Tracks. Seitdem hat Four Tet mit Burial und Thom Yorke zusammengearbeitet, zwei Hände voll Remixe angefertigt und eine Serie von 12-Inches veröffentlicht, die 2012 auf der Compilation PINK zusammengefasst wurden. Alles beseelt von einer magischen Aura. Nicht jede Veränderung ist so schlecht wie iTunes 11.0.