Kele Okereke: „Ich war der schwule Sänger einer Rockband“


Kele Okereke spricht nicht über sein Privatleben. Schon gar nicht über seine sexuellen Neigungen. Vor wenigen Monaten outete sich der Bloc-Party-Sänger.

Kele: Nach einer Woche Interviews kann ich die Fragen beantworten, ohne auch nur nachzudenken.

Vielleicht kann ich Sie überraschen.

Kele: Hoffentlich können Sie das. Die Frau vor Ihnen konnte es nicht. Ich glaube, sie war nicht besonders glücklich mit dem Ergebnis.

Sie sah jedenfalls nicht besonders glücklich aus. In Ihrem Blog haben Sie geschrieben, dass Sie es einfach müde sind, über sich selbst zu reden.

Kele: Ach, es ist nicht einmal das. Wissen Sie, ein Interview sollte immer eine Konversation sein, ein Dialog. So dass ich etwas von Ihnen erfahre, und Sie etwas von mir. Ansonsten fange ich langsam an, mir wie eine Maschine vorzukommen.

Das wollen wir unter allen Umständen vermeiden. Sie wissen hoffentlich, dass wir dieses Gespräch für eine Schwulenausgabe führen.

Kele: Nein, weiß ich nicht. Wer ist sonst noch in der Schwulenausgabe?

Keine Ahnung, ich glaube Beth Ditto.

Kele: Und wer ist auf dem Cover, ich oder Beth Ditto?

Das weiß ich nicht.

Kele: Kommen Sie, nun sagen Sie schon.

Ich weiß es wirklich nicht. Aber wie kommt es eigentlich, dass Sie plötzlich bereit sind, über Ihr Schwulsein zu reden, sich früher aber strikt geweigert haben?

Kele: Eigentlich war es eher so, dass ich mich geweigert habe darüber in Musikzeitschriften zu reden. Ich hatte dabei immer dieses dumme Gefühl, ausgebeutet zu werden. Wenn ich über mein Privatleben sprach, schien es im Hinblick auf die Musik viel bedeutsamer zu sein, als es eigentlich war. Und ehrlich gesagt, hatte ich auch keine Lust, ein Sprachrohr zu werden. Es ist meine Entscheidung, wann und ob es um mein Privatleben geht. Und wenn ich in Sachen Privatleben besonders strikt war, lag es daran, dass es mir so vorkam, als würde man mir diese Möglichkeit zu entscheiden nehmen.

Wenn die Sexualität zum Thema wird, scheint man vor einem quasi unlösbaren Problem zu stehen: Einerseits ist die Sexualität natürlich wichtig, andererseits ist sie wiederum nicht so wichtig, dass sich alles mit ihr erklären ließe.

Kele: Exakt. Ich durfte dieses Problem bereits mit der Hautfarbenfrage kennen lernen. Als das erste Bloc Party-Album herauskam, wollten alle wissen, wie es ist, als Schwarzer in einer weißen Indie-Band zu singen. Und ich dachte nur: Ey, kommt Jungs, reduziert nicht alles, wofür ich gearbeitet habe, auf dieses eine Merkmal! Ich hab auf solche Fragen dann sehr abweisend reagiert. Und so habe ich es auch bei Fragen nach der Sexualität gehandhabt.

Die Angst vor Reaktionen des Publikums spielte dabei keine Rolle?

Kele: Nein, überhaupt nicht. In England haben wir eine große Tradition von schwulen und bisexuellen Entertainern, also das war wirklich nicht das Problem. Eher waren es Probleme mit meiner Familie und meiner Vorstellung, dass meine Sexualität nichts mit meiner Musik zu tun habe. Heute weiß ich, dass das wohl ein bisschen naiv war. Ich dachte, meine Platten würden nur wegen der Musik gekauft, aber sie werden auch wegen der Dinge gekauft, für die ich als Person stehe. Und mir ist erst kürzlich klar geworden, dass man die Pflicht hat, über sein Leben zu reden, wenn man davon lebt, gewisse Teile seines Lebens zu verkaufen – und Musik ist ein Teil meines Lebens.

Ist es nicht seltsam, dass es in den Achtzigern so wirkte, als wären eigentlich alle Popstars schwul, vor allem die, die es garantiert nicht waren.

Kele: Ja, das ist im Rückblick wirklich interessant. Viele Bands trugen Make-Up und pflegten diese gewisse Dandy-Ästhetik, obwohl sie eindeutig heterosexuell waren – außer Boy George und George Michael.

Obwohl George Michael damals noch offiziell als heterosexuell galt.

Kele: Ich weiß. Was ich sagen wollte, dass alle schwul wirkten, es aber nicht waren. Und selbst die, die es waren, behaupteten es nicht zu sein, obwohl sie absichtlich so wirkten, wie etwa George Michael und zunächst auch Boy George. Es ist wirklich bizarr, wenn man sich das noch einmal vor Augen führt. Es gab damals kaum offen schwule Musiker. Ganz im Gegensatz zu heute.

Mittlerweile hatte sogar Ricky Martin sein Coming Out.

Kele: Hatte er?

Lesen Sie das vollständige Interview im aktuellen Musikexpress 11/2010