Interview

KitschKrieg: Ein Treffen mit dem besten HipHop-Trio des Landes


Das deutsche Rapgame, einmal durchgespielt: Für eine Zusammenarbeit mit KitschKrieg stehen die Stars Schlange. Ihr Weg dorthin war allerdings mindestens so steinig wie lang. Hier erfahrt Ihr, wie es das Produzentenkollektiv der Stunde auf den Pop-Olymp geschafft hat.

Ihre kühlen, lose an Dancehall und Dubmusik angelehnten Beats gleichen Skeletten

Fizzle (Christoph Erkes), Fiji Kris (Christian Yun-Song Meyerholz) und Awhodat (Nicole Schettler) haben sich in den vergangenen fünf Jahren einen einzigartigen Markenkern herausgeschält. Während das Spektakel und nicht zuletzt die BPM im aktuellen Pop und auch im HipHop bevorzugt hoch gehalten werden, ist ihr Erfolgsrezept das Minimalistische. Ihre kühlen, lose an Dancehall und Dubmusik angelehnten Beats gleichen Skeletten, es braucht selten mehr als einen verhalten vor sich hin wabernden Synthie oder eine aus wenigen Tönen komponierte Klaviermelodie, um die jeweilige Stimmung für den Song zu setzen. Und auch ihr Debütalbum mutet so wie ein gigantisches Büffet an, von dem zwar schon eifrig abgeschöpft wurde, bei dem aber aus rätselhaften Gründen die allererlesensten Zutaten übriggeblieben sind.

https://www.youtube.com/watch?v=sEieyQ5dhXY&ab_channel=SoulForceRecords

Diese Reduktion gilt auch für die Beiträge der beteiligten Rapper*innen und Sänger*innen. Es gibt keine Füllwörter, kaum Adlibs. Der Track „Nein du liebst mich nicht“, eine Zusammenarbeit mit dem Elektro-Produzentenduo Modeselektor und dem Salzburger Rapper Crack Ignaz, treibt dieses Spiel so weit auf die Spitze, dass als einzige Textzeile nur der Titel stehen bleibt. Woran man KitschKrieg-Tracks noch viel einfacher erkennen kann als an ihrem Minimalismus: die Computerstimmen-Soundtags am Anfang all ihrer Songs. Dieses „K-K-K-Kitschkrieg“ funktioniert wie bei Designerbrands das aufgestickte Logo.

„Wenn du jede Hi-Hat hörst, muss die auch geil sein“

„Bis es zu unserem Sound kam, haben wir unzählige Feedbackschleifen durchlaufen. Dadurch hat jedes Mal eine weitere Reduktion stattgefunden, bis am Ende eine Art Grundvokabular stand, das man jetzt als Signature Sound wahrnimmt“, sagt Fizzle: „Das, was stehen bleibt, hat Bestand. Wenn du jede Hi-Hat hörst, muss die auch geil sein.“

4 Reggae-Cover bekannter Songs, die für Südsee-Feeling sorgen

Auffällig ist, dass die Stimmungen und raren Harmonien und Akkordwechsel innerhalb dieses Signature Sounds fast immer etwas sehr Melancholisches haben. Das liegt zum einen an dem großen Einfluss der Musik der Soundsystems aus unterprivilegierten jamaikanischen Neighborhoods, deren Anfänge bis in die 50er-Jahre zurückreichen und aus denen sich Stile wie Ska, Rocksteady und Dancehall-Reggae entwickelten. Aber sicherlich auch daran, dass KitschKrieg selbst schwierige Zeiten hinter sich haben. Mag ihre Gründung im Jahr 2014, als die Drei in eine gemeinsame WG nach Berlin-Kreuzberg gespült wurden, inzwischen fast schon zum Mythos verklärt werden, waren sie damals tatsächlich am „totalen Nullpunkt“: Awhodat hangelte sich an verschiedenen Aushilfsjobs entlang durchs Leben, Fizzle betrieb ein lahmendes Dancehall-Label und Fiji Kris tourte als Teil der Band Symbiz durch deutsche Kleinstadtclubs.

Neustart mit Anfang 30

Mit Anfang 30 wollten sie noch einmal einen Neustart wagen. Doch die ersten Treffen mit Plattenfirmen verliefen furchtbar. Als Beatscribbler, die in Songwriter-Camps die Ideen großer US-Stars für Hits aus der Retorte abpausen, hätte man sie haben wollen, aber von ihrer eigenen künstlerischen Vision wollte keiner etwas wissen. Bei den ersten Tracks mit dem damals noch als klamaukigen Dancehall-Act wahrgenommenen Ronny Trettmann aus Chemnitz hörte schon deshalb niemand richtig hin, weil der doch viel zu alt sei, um ihn vernünftig zu vermarkten.

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KitschKrieg und Trettmann blieben trotzdem zusammen, switchten aber aus der „unsexy“ Reggae-Szene in den HipHop, der sich mit dem Einzug von AutoTune-Melodien und einer neuen musikalischen Offenheit ohnehin gerade vielversprechend entwickelte. Es ist die Zeit von Künstlern wie Travis Scott und Young Thug, die gleichzeitig Rapper und Sänger sein konnten – eben „so wie Tretti“, sagte Fiji Kris damals dem „Juice“-Magazin. Erste Klicks auf eine Zusammenarbeit zwischen KitschKrieg, Trettmann und dem Rapper Megaloh ließen sie Mut schöpfen, mit der enormen Aufmerksamkeit, die die Solo-Trettmann-Single „Skyline“ 2016 erhielt, wurde daraus Selbstbewusstsein. Der Song entstand quasi über Nacht, nur ein paar Stunden später drehten sie das zugehörige Video auf einem Berliner Dach. Kurz darauf sprach fast ganz HipHop-Deutschland davon.