„Komm Rein Junge!“
Auf der Reeperbahn, wo alles begann: ein Rundgang durchs Museum "Beatlemania Hamburg".
Der Mann in der wettertüchtigen grauen Funktionsjacke ist redlich darum bemüht, männliche Reeperbahnbesucher in das von ihm bewachte Etablissement zu locken. Doch es ist eine andere Adresse, die den traditionsbewussten Popfreund dieser Tage auf Deutschlands berühmteste Rotlichtmeile mitten in St. Pauli lockt. Hier, nicht unweit vom „Indra“, vom „Kaiserkeller“ und vom „Star Club“, jenen Orten, an denen die Beatles Anfang der 60er schnapsschwangere Bühnenluft schnupperten, gibt es seit einigen Monaten die liebevoll gemachte Ausstellung „Beatlemania“ zu bestaunen. Die Reise beginnt im fünften Stock, von wo aus man langsam abwärts steigt. Abwärts in Richtung Psychedelia, Ego-Zerfransung und Auflösung. Zunächst aber passiere ich die als Zollstation getarnte Kasse und wandere hernach auf den Spuren der Hamburger Beatles-Phase. Es ist dies naturgemäß die stärkste Passage der Ausstellung, da man für die Anfangsphase vor Ort die meisten Originalobjekte auftreiben konnte: Hier kann man sich etwa in diverse Zeichnungen von Klaus Voormann vertiefen, der gemeinsam mit seiner damaligen Freundin Astrid Kirchherr zu den engsten Freunden der Beatles in Hamburg zählte, später das REVOLVER-Cover entwarf und auf etlichen Soloalben der Beatles-Mitglieder spielte. Auch Kirchherr, die Überlieferungen zufolge den Beatles ihre imagestiftenden Pilzkopffrisuren aufschwatzte, ist – neben Getränkekarten aus dem Kaiserkeller und zahlreichen Originalautogrammen und Fotos reichlich mit Fotomaterial und persönlichen Zeugnissen vertreten. Zwischendrin prangt ein rotes Plakat: „Die Not hat ein Ende. Die Zeit der Dorjmusik ist vorbei! Am Freitag, dem 13. April, eröffnet der Star Club. Die Twist-Parade 1962.“
Darunter firmieren die Beatles als eine von fünf Bands. Dieser Teil der Ausstellung dampft tatsächlich vor Atmosphäre; selbst die Höfner-Bässe und die alten Verstärker (alles keine Beatles-Originale!), die in diesem Teil beherbergt sind, katapultieren den Betrachter in jene post-dorfmusikalischen Tage zurück. „Pleasc Please Me“ scheppert charmant durch die Gänge. „Das hör‘ ich auch gern“, sagt eine ältere Dame mit Rucksack zu ihrem männlichen Begleiter. Ein paar Meter weiter, nachdem ich nicht ohne Erheiterung alte Original-Akten aus dem „Star Club“ und einen Teil der Gebäudefassade begutachten durfte, gibt es in etlichen Glasvitrinen Beatles-Merchandise zu bestaunen: Kugelschreiber, Tassen, Poster, Mützen, Gläser, Portemonnaies, Buttons, kleine Tischdecken. Aus der Ferne weht „Strawberry Fields Forever“ herüber. Zwischendurch kann man noch Beatles-Karaoke singen. Die Darstellung der psychedelischen Phase der Beatles fällt im Vergleich etwas ab, lebt aber vom deutlichen Inszenierungswillen der Ausstellungsmacher: Nachdem man das nachempfundene kaputte Klavier aus dem „Strawberry Fields Forever“-Video passiert hat, gerät man in den „Sgt. Pepper“-Raum: Auf der einen Seite finden sich die nachgeschneiderten Uniformen, auf der anderen das überdimensionale Covertableau, in das man sich selbst hineinstellen und fotografieren lassen kann. Dem „Weißen Album“, jenem großen Zersplitterungswerk, ist lediglich ein kleines Räumchen gewidmet, das nicht mehr zeigt als die berühmten Beigaben der Vinylausgabe: das große Poster, das Lyric Sheet und die vier Porträtbilder. Diese egomane Phase hätte man interessanter abbilden können. Nebenan liegt ein Sixties-Jugendzimmer unter dem Einfluss schwerer Beatlemania: Über dem Bett hängen zahlreiche Poster, und auch die Kissen zieren Beatles-Bilder. Der schwere Teppich scheint tatsächlich nach 60er-Jahre-Pubertät zu mieten. In der Ferne läuft „She’s Leaving Home“. Zum Schluss wird die Film-Phase dokumentiert: „Yellow Submarine“ wird ein ganzer Pop-Art-Maschinenraum gewidmet, es folgt ein Zimmer mit vier Regiestühlen und einem Flügel, auf dem in einem Fernseher Ausschnitte aus dem „Help!“-Film laufen. Danach gelangt man durch den unvermeidlichen Shop wieder nach draußen. Und da stehe ich dann wieder auf der leicht fischig riechenden Reeperbahn: Hier sind sie damals rumgelaufen, in den frühen 60er Jahren, hier haben sie getrunken, gespielt, billigen Fraß verspeist und was nicht noch alles! Der Mann vorm „Blue Night“ versucht’s noch einmal. „Immer rein, Junge“, sagt er. Ach nee. Und wirklich, kurz bevor ich in die U-Bahn steige, welchen Song habe ich da im Kopf: Udo Lindenbergs „Reeperbahn“, die deutschsprachige, naturgemäß ordentlich bollerige Version von „Penny Lane“: „Und Ringo brachte manchen losen Witz I A us Liverpool very cool.“