Kompakt wie ein New Yorker Häuserblock
Auf, auf zur urbanen Noise-Gospel-Messe!
Wie klingt New York? Wenn man sich eine Band als aktuelle Soundtrack-Lieferanten für die brodelnde Großstadt wünschen dürfte, es wären TV On The Radio. Seit ihrem zweiten Album wird dieser Wunsch auch prominent unterstützt. David Bowie war auf jeden Fall so begeistert, dass er sich auf dem aktuellen Werk RETURN TO COOKIE MOUN-TAIN gleich mit etwas Backgroundgesang verewigte.
Im Hansa 39 zeigt die Band, wie sie ihren detailversessen konstruierten Studiosound, diese dicht verwobene Textur aus Beat, Samples, Gitarrengesumse und Gesang, auf die Bühne bringt. Endlich mal eine Band, die begriffen hat, dass ein Live-Konzert und eine Studioaufnahme zwei völlig verschiedene Dinge sind. Der Sound von TV On The Radio als Live-Act ist mit dem ihrer Platte kaum zu vergleichen. Der kleine Keyboard-Berg, hinter dem der Bassist so unauffällig werkelt, kommt kaum zum Einsatz.
Die Beschränkung auf das Einfachste deutet schon der Anfang an: Eine Melodie wird gepfiffen, dann hängt sich die Human Beat Box in die Sampleschleife. Tunde Adebimpe schwingt sich in den schlichten Soul von „Ambulance“, einem der schönsten Songs des TOTR-Debüts. „Province“ wird hier seines Klavierarrangements entledigt. Die Woge der Gitarren drückt den Falsettgesang in den Himmel. Gleich nachgelegt wird der potenzielle Single-Hit „Wolf Like Me“. Adebimpe singt Soul auf einer Note. Punk-getrieben rast der Song, bis er sich plötzlich vom Boden stößt und abhebt. Adebimpe predigt seine Lieder. Mit der linken Hand in ständiger raumgreifender Bewegung, wirft er die Worte in die Gemeinde. Nie kann diese Stimme emotional abfallen, denn sofort sticht ihr das Falsett des mächtigen Gitarristen Kyp Malone in die Seite. Und als nie versiegende Energiepumpe laufen konsequent die zwei Gitarren. An David Siteks Gitarrenkopf hängt ein metallenes Klangwindsptel, mir dem er – Percussion/Gitarren-Mulritasking – immer wieder gegen Jaleel Buntons Schlagzeug und herumstehende MikroStänder u.a. rasselt. Ein schönes Bild.
Gleich einem Turbo-Kompressor sprühen die zwei Noise-Gitarren Klang wie Farbe. Wer allerdings Klangflächen hört, denkt wohl gerne psychedelisch. Das hier eröffnet zwar emotionale Erfahrungen, es wankt und wabert aber nicht, sonder ist kompakt wie New Yorker Häuserblöcke und von unbedingter schlichter Schönheit. Konnte man aus den Alben von TV On The Radio noch Spuren apokalyptischer Abgründigkeit heraushören, ist jeder Versuch, in diesem Konzert die Dunkelheit zu suchen, vergebens. Warum TV On The Radio sich mit einem Song an die Opfer der Flutkatastrophe in New Orleans wandten? An diesem Abend spürt man, was sie ihnen mit ihrem urbanen Noise-Gospel geben wollten. Die in der Hitze zusammengebackene Publikumsmasse pulsiert im Rhythmus, in ihr schwimmen viele Gesichter. Selbstvergessen. Selig lächelnd. »www.tvontheradio.com