L’AVENTURA von Sébastien Tellier
DIE KÜNSTLERIN
Valentine Reinhardt ist eine junge Grafikdesignerin aus Paris. Zu ihren Kunden gehören Unternehmen wie Nike, aber auch der Produzent Gesaffelstein. Neben Fotografie und Film liebt sie die Arbeit an Collagen. „In der Malerei habe ich nicht so viel Selbstvertrauen“, sagt sie, denn an der Akademie musste sie „immer nur das nachmachen, was andere Künstler schon viel besser konnten“. Für die Brauerei Carlsberg entwarf sie dennoch gemalte Etiketten, Tellier sah sie auf einer Versage und bat sie schließlich, das Cover seines neuen Albums zu gestalten. „Ich kenne ihn als Künstler, seit ich ein Kind bin. Für mich ging ein Traum in Erfüllung.“
TRAUM …
„Am Anfang lagen mir nur Songtitel und Texte vor“, erzählt Reinhardt: „Darin geht es ums Erwachsenwerden, Liebe, Natur, alles sehr kindlich und traumhaft. Ich machte die ersten Skizzen, und als ich dann die Musik zu hören bekam, merkte ich, dass ich damit richtig lag.“ Für Tellier ist L’AVENTURA eine Rückkehr zu Unschuld und Kindlichkeit. „Ich zeigte ihm meine Sachen, alles Acryl auf Leinwand, und sie gefielen ihm sofort. Er meinte, wir hätten wohl beide den selben Traum geträumt.“
… UND TRAUMDEUTUNG
Mit Traumdeutung hat sich Reinhardt nicht weiter beschäftigt. Aber interessant ist das schon: Angeblich steht der Vogel als Geschöpf der Luft für den Freiheitswillen. Speziell die Taube zählt seit bald 2000 Jahren christlicher Ikonografie zu den Sinnbildern für den Geist, sei er menschlich oder heilig. Darüber hinaus ist sie immer auch eine Überbringerin der Seele, ein Schutzgeschöpf für Reisende zwischen den Welten. Dazu passt die rote Schlange, die in einem Detail im Booklet zu sehen ist, wie sie sich die überbordende Fauna emporschlängelt – auch sie ein eindeutig christliches Symbol, für das Böse, aber zuweilen auch ein Heilszeichen.
DIE VORBILDER
Fragt man sie nach dem Cover von Robert Wyatts 1997er-Album SHLEEP (Bild unten), stöhnt Reinhardt auf: „Nein, ich kannte das nicht. Aber ich werde inzwischen fast täglich darauf angesprochen.“ Es zeigt ebenfalls den Künstler auf dem Rücken einer Taube liegend -allerdings in Pastell-, nicht in Primärfarben. Reinhardts künstlerisches Vorbild ist der französische Postimpressionist Henri Rousseau, dessen traumschwere Visionen von freundlichen Tieren in einer freundlichen Natur der naiven Malerei zugerechnet werden (Bild oben: sein Werk „Der Traum“ von 1910). Von Kunstkritikern wird diese Stilrichtung genau für die Eigenschaften geschätzt, die Tellier mit seinem neuen Album ausdrücken wollte: ein Vergessen des Gelernten, Rückkehr zum kindlichen Staunen, ungebremste Ausdrucksfreude. Ebenfalls Pate gestanden hat Marc Chagall.
DER VOGEL UND SEIN REITER
„Es gibt eine Textzeile in dem Stück ‚L’adulte‘, die lautet ungefähr so: ‚Flieg, kleiner Vogel, ich weiß, du träumst dich an einen anderen Ort‘. Deshalb wollte ich eine Taube in den Mittelpunkt stellen. Doch nachdem ich damit fertig war, merkte ich, es fehlt noch etwas.“ Sie wollte Sébastien selbst auf diese Taube setzen, aber er wollte liegen. „Also trafen wir uns in meinem Atelier, und er zeigte mir genau, wie er gezeigt werden wollte. Ich finde, er wirkt irgendwie schlafwandlerisch, ohne wirklich zu schlafen. Das liegt an seiner entspannten, aber wachsamen Haltung. Aber auch an dieser Sonnenbrille, deren Gläsern ich die Farbe des Meeres gegeben habe, über das er fliegt.“