Led Zeppelin: 2007 Achilles Last Stand


Ein Vierteljahrhundert nach ihrer Trennung treten Led Zeppelin zu Ehren des legendären Labelgründers Ahmet Ertegun in London auf. Im Interview mit dem ME sprechen Page und Jones über ihre Beweggründe für die Reunion, die Blamage 1985 bei Live Aid und die aufwändigen neuen Re-Issues aus ihrem Backkatalog.

Meine Herren, ist das Ganze nun eine Reunion oder nur ein einmaliges Gastspiel?

Jimmy Page: Es ist eine einmalige Reunion.

Also keine Reaktion auf den aktuellen Reunion-Boom um Bands wie Genesis, The Who, Police, Van Halen oder die Spice Girls?

Page: Das hat damit nichts zu tun. Denn wir machen das nicht fürs Geld – davon haben wir schließlich genug. Deshalb möchte ich damit auch nicht in einen Topf geworfen werden. Ich meine, sollen sie doch alle tun, was sie wollen – wir machen unser Ding. Und so haben wir es schon immer gehalten. Obwohl: Ich muss sagen, dass mir The Who durchaus gefallen haben. Die waren ziemlich gut. Von daher ist das zumindest in ihrem Fall OK. Und sie haben ja auch immer gesagt, dass es ihnen nur ums Geld geht. Daraus hat Roger (Daltrey) nie ein Geheimnis gemacht. Und John (Entwistle) schon gar nicht. Möge er in Frieden ruhen.

John Paul Jones: Also ich würde mir wirklich gerne die Spice Girls ansehen…

Page:Sei ehrlich, du willst doch nur zur Aftershow-Party…

Vorausgesetzt, der Auftritt verläuft nach Plan, legen Sie dann nach?

Page: Irgendetwas werden wir bestimmt machen. Wir wissen nur noch nicht, was. Und deshalb konzentrieren wir uns erst einmal auf diese Geschichte. Dafür proben wir wirklich sehr viel. Einfach, damit uns nicht noch einmal so etwas wie bei Live Aid passiert. Da hatten wir geglaubt, wir könnten das einfach so runterspielen, und es würde schon irgendwie klappen. Was ein Trugschluss war.

Jones: Das war ein grausamer Auftritt. Einfach fürchterlich. Wir haben uns hinterher in Grund und Boden geschämt. Und das soll auf keinen Fall noch einmal passieren. Dafür werden wir schon sorgen. Eben, dass es richtig gut wird.

Wie gehen Sie denn mit der riesigen Nachfrage um? Haben Sie eine Erklärung für dieses Publikumsinteresse?

Page: Ich finde, man darf nicht unterschätzen, was für eine große Fanbase wir uns über die Jahre aufgebaut haben. Diese Leute waren immer sehr leidenschaftlich und sind absolut treu. Und dazu sind eben auch noch viele junge Leute gekommen. Ganze Generationen, um genauer zu sein. Aber es stimmt schon: Die Nachfrage ist überwältigend. Ich meine, 20 Millionen Anfragen nach Tickets. Das ist der Wahnsinn.

Jones: Ich denke, dass es viele Leute gibt, die unsere Musik erst entdeckt haben, nachdem sich die Band aufgelöst harte. Insofern haben sie uns nie live gesehen. Und allein deshalb wollen etliche wissen, wie es ist, wenn wir unsere Musik auf die Bühne bringen.

Wobei das im Rahmen einer Tribute-Show für den verstorbenen Musikmogul Ahmet Ertegun geschieht…

Jones: Er war der Katalysator – der Grund, warum wir überhaupt darüber nachgedacht haben.

Wie wichtig war er für Sie, Ihre Karriere und Ihren Erfolg?

Jones: Nun, er hat die Plattenfirma geleitet, bei der wir immer sein wollten. Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob er uns nun einfach hat machen lassen – oder ob man ihn von uns ferngehalten hat, während wir einfach gemacht haben, was wir wollten. Wahrscheinlich ein bisschen was von beidem.

Page: Wobei das aber auch an unserem Erfolg lag. Wahrscheinlich konnten wir uns deshalb so viele Freiheiten herausnehmen. Und die ersten Alben kamen ja auch sehr schnell nacheinander auf den Markt. Das war eine wirklich produktive Zeit. Und da wollte sich uns dann auch niemand in den Weg stellen. Nicht einmal beim vierten Album, dem wir keinen Namen geben wollten da hat niemand „nein“ gesagt. Einfach, weil sich keiner getraut hat. Die haben vielleicht gemault: „Das ist keine gute Idee.“ Oder: „Das ist professioneller Selbstmord“, oder was auch immer, aber die Sache war eben die, dass wir nichts auf dem Albumcover haben wollten. Und wir hatten die Kraft, um das durchzusetzen. Wir hatten einen Manager, der extrem aggressiv war. Und der seinen bzw. unseren Willen immer irgendwie durchgeboxt hat. Der das Musikgeschäft an sich verändert hat. Gerade was das Bewerben von Alben und Konzerten betrifft.

Allerdings soll Ahmet Ertegun bei der Premiere von „The Song Remains The Same“ eingeschlafen sein …

Page: Ich weiß, dass er auch bei der Vorstellung einiger Stones-Nummern eingenickt ist. Das hat mir Mick Jagger erzählt. Sie haben das damals als gutes Omen genommen. Und wir haben es genauso gehalten. (lacht)

Der weitere, starke Charakter in der Geschichte von Led Zeppelin war Peter Grant, Ihr Manager. Ein echtes Unikum?

Jones: Das war definitiv ein Unikum. Aber die Interessen der Band waren ihm immer das Wichtigste. Da war er sehr rigoros – in jeder Hinsicht. Etwa bei Leuten, bei denen er das Gefühl hatte, dass sie uns abziehen wollten. Oder solchen, die uns irgendwie nahe kommen wollten bzw. uns schlichtweg auf den Nerv gingen. Er hat wirklich alles von uns ferngehalten, so dass wir einfach mit dem weitermachen konnten, was uns wichtig war. Eine wunderbare Situation.

Page: Er hat die Band und die Musik wirklich geliebt. Da war er sehr leidenschaftlich. Und er hat auch nie gesagt: „Ihr solltet mehr dies oder das tun.“ Nie.

Jones: Er meinte immer: „Ihr seid die Musiker. Und wenn ich könnte, was ihr könnt, wäre ich auch in einer Band.“

Dabei gibt es eine Sequenz in „The Song Remains The Same“, in der er flucht wie ein Rohrspatz. Er hat also auch eine andere, explosive Seite gehabt.

Page: Das stimmt. Aber das ist jetzt auch das einzige Beispiel dieser Art, das du jetzt anführen könntest. Da geht es um diese Szene, wo er sich mit den Leuten in der Halle fetzt, die uns bootleggen wollten. Eben im Madison Square Garden. Aber das haben wir komplett gebeept. Und ein paar Minuten später kannst du eben auch sehen, wie er noch eine andere Rolle annimmt. Nämlich bei der Pressekonferenz nach dem Diebstahl im Drake Hotel, als uns die Einnahmen eines ganzen Abends gestohlen wurden. Da hat er sich ganz anders verhalten: Er war sehr sachlich, sehr nüchtern und sehr clever.

Was ist das für ein Gefühl, sich diesen Film, also „The Song Remains“, 31 Jahre später noch einmal anzusehen?

jones: Es ist schwierig.

page : Ja, weil es uns jedes Mal daran erinnert, dass wir eigentlich nur einen Konzertfilm drehen wollten – und das ist dabei rausgekommen. (lacht) Der erste Schritt aus dem ursprünglichen Konzept war, dass wir diese Traumsequenzen hinzugefügt haben – weil wir nicht genug Material hatten. Was ja OK war. Aber dann mussten wir auch noch etliche Szenen im Studio nachstellen und so tun, als ob wir live spielen. Wir wurden also zu richtigen Schauspielern. Und das war schon ein Trip. Keine Ahnung, warum wir uns überhaupt darauf eingelassen haben, aber wir haben es. Und es war wirklich interessant. Nur: Die Konzerte selbst waren definitiv nicht unsere besten, so viel ist sicher. Einfach, weil das am Ende einer langen Tour war. Und als der Film Jahre später herauskam, waren wir längst woanders. Insofern ist es gut, dass wir da jetzt noch einmal Hand anlegen konnten.

Was haben Sie bei dieser Neuauflage verändert?

Page: Wirklich viel ließ sich da nicht ändern, allein wegen der rechtlichen Lage. Der Film ist schließlich geschützt und steht von Anfang bis Ende. Einschließlich der Sachen, die der Regisseur hinterher hinzugefügt hat. Wie diverse Backstage-Aufnahmen und die Fantasie-Sequenzen. Das sind einfach die Gegebenheiten, die Art, wie der Film zusammengestellt wurde. Wir waren nicht in der Position, da irgendetwas an der Abfolge oder am Bildmaterial zu ändern. Also konnten wir nur ein paar Extras hinzufügen, um das Ganze zu vervollständigen. Außerdem haben wir uns an den Sound gemacht und versucht, da das Beste rauszuholen. Gerade unter dem Aspekt, dass wir ja nur zwei DVDs auf dem Markt haben, und mehr nicht. Einige der Nummern waren ja schon im 6.1.-Surround-Sound auf der DVD vertreten. Von daher machte es Sinn, das auch auf der CD anzuwenden, um sie dem heutigen Standard anzupassen. Und dann hatten wir ja noch die Möglichkeit, diverse Extras einzubringen, was uns sehr wichtig war. Etwa „Celebration Day“ und „Over The Hills And Far Away“, die bislang keinen Platz gefunden hatten. Erst dadurch ist es ein richtiges, vollständiges Package geworden.

Jones: Und das Wichtigste ist: Es klingt dank der neuen Technik jetzt einfach großartig.

Dabei sind Ihnen bei den Original-Aufnahmen etliche Fehler unterlaufen: John, Sie tragen zum Beispiel verschiedene Outfits. Einfach, weil Sie an den drei Abenden, an denen gedreht wurde, immer etwas anderes anhatten. Hatte Sie niemand gewarnt?

Jones: Es war wirklich so, dass mir niemand gesagt hat, dass ich an allen drei Abenden dasselbe tragen muss. Aber so war das damals: Jeder andere wusste Bescheid – nur ich nicht.

Page: Aber wir waren ja auch so naiv, zu glauben, dass das alles irgendwie klappen würde. Dass es genug Material geben würde, so dass es hinterher überhaupt kein Thema wäre. Eben, dass es gar nicht weiter auffallen würde, dass einer von uns unterschiedliche Kostüme trägt. (lacht) Aber das ist es dann leider doch. Einfach, weil die Crew nicht genug Material aufgenommen hatte, um später problemlos zwischen den Nummern wechseln zu können. Das muss man sich mal vorstellen! Deshalb mussten wir ja auch noch Szenen nachdrehen – damit sich daraus überhaupt vollständige Songs ergaben. Das war der Hammer. Eine Aufnahme bestand zum Beispiel nur aus einem halben Song oder hier und da fehlte plötzlich eine Strophe – einfach so. Es war ein riesiges Chaos. Und daraus wurde dann ein richtig interessantes Projekt. Quasi ein organischer, handgemachter Film, (lacht) Wobei sogar die Frisuren unterschiedlich sind…

Jones: Das war wieder ich. Kaum waren wir von der Tour zurück, hieß es: „Brauchst du noch etwas, um ein paar Szenen nachzustellen?“ Darauf ich: Ja, ungefähr zehn Zentimeter Haar ich habe es mir nämlich gerade abschneiden lassen“

Deshalb musste ich diese saublöde Perücke tragen, die unglaublich gejuckt hat. Ich hätte sie am liebsten an Ort und Stelle verbrannt. Aber damals ging das halt nicht anders. Heute würde man so etwas technisch lösen. Und das Schlimme ist: Man erkennt sofort, dass da etwas nicht stimmt – dass das keine echten Haare sind.

Was hat Sie veranlasst, mit „Mothership“ eine weitere Best Of zusammenzustellen – wie viele Kopplungen dieser Art braucht der Fan?

Jones: Im Grunde ist das Ganze eine Art Einführung in die Materie – es ist ein Rückblick auf all unsere Alben in chronologischer Reihenfolge. Und es gibt dir eine Vorstellung von dem, was wir da gemacht haben – von Anfang bis Ende. Das ist alles. Es ist wie ein Sampler.

Page: Ganz genau. Zumal wir jetzt endlich die anderen beiden Compilations aus dem Programm nehmen können: „Early Days“ und „Latter Days“. Und das ist der springende Punkt. Denn damit waren wir nie wirklich zufrieden. Ich meine, die waren einfach billig und lustlos zusammengeschustert. Allein die Qualität des Artworks hatte rein gar nichts mit uns zu tun. Und es war auch nicht die beste Auswahl an Stücken, was noch erschwerend hinzukommt. Von daher ist diese CD einfach mehr ausbalanciert in jeder Hinsicht. Und Mann, ich weiß noch, wie ich mich damals über „Early Days“ und „Latter Days“ aufgeregt habe. Eben über dieses lächerliche Package mit so einem blöden Schuber, in den dann beide CDs passten – wenn man sich Teil 2 separat gekauft hat. Das war einfach nur peinlich. Da ist jemand wahnsinnig viele Kompromisse eingegangen. Ich meine, Robert hat den Titel und das Artwork ausgewählt – aber hey, wirklich gut war das nicht.

Aber das war nicht der Grund für die viel zitierten Differenzen zwischen den drei verbliebenen Mitgliedern?

Page: Wenn wir noch Probleme hätten, würden wir wohl kaum hier sitzen, geschweige denn wieder zusammen spielen. Das ist wichtiger als alles, was in der Vergangenheit war.

Heute gibt es unzählige Bands, die sich musikalisch auf Led Zep beziehen. Macht Sie das stolz?

Jones: Nun, das zeugt doch von Geschmack. (lacht) Davon, dass sie die richtige Wahl getroffen haben. Und darauf bin ich natürlich sehr stolz. Ich weiß auch, dass es Jimmy da genauso geht. Wir haben etwas geschaffen, das die Zeit scheinbar unbeschadet überstanden hat, das immer noch relevant ist. Und ich würde sagen, ich weiß auch, warum das so ist: Weil wir eine richtig gute Band waren und die Musik eine zeitlose Qualität besaß. Es ist schön mitzuerleben, dass sie von so vielen jüngeren Musikern geschätzt wird und ihnen als Inspirationsquelle dient. Das ist mehr, als wir uns je hätten träumen lassen.

Was macht Songs wie „Dazed And Confused“ so besonders?

Page: Weil sie etwas embryohaftes hatten. Etwas, das dann zu etwas richtig Großem gewachsen ist. Ich meine, es war, als ob man von einem Drama über Penderetzki bis hin zu ein bisschen folkigem Rumgeklimper wechselt und daraus eine Rock-Episode entwickelt, wie sie zuvor noch kein Mensch gehört hat – oder auch nur davon zu träumen gewagt hätte. Und dann kehrt das Ganze wieder in dieses Drama zurück und gelangt zum Höhepunkt. Ernsthaft, das war schon etwas Besonderes. Wobei ich von Anfang an wusste, was ich wollte – und auch, was daraus werden würde. Gerade wegen der Produktion, die ja aus vielen Schichten bestand und etwas vollkommen Neues war. So etwas hatte damals noch niemand gemacht.

www.led-zeppelin.com