Lisa Stansfield
Sie war fast nicht wiederzuerkennen: Mit knallrotem Bandana Matt Schmachtlocke als Blickfang, die Haare halblang, tänzelte Lisa Stansfield leicht nervös auf die Bühne, um den in Scharen angerückten Dance-Jüngern ihre Auffassung von moderner Soulmusik live zu servieren. Da erfahrungsgemäß im Studio konzipierte Sounds als Live-Act viel, wenn nicht gar alles von ihrer Faszination einbüßen, war das schon mal ein mutiger Schritt. Und Lieschen ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, daß ihr diese Gefahr bewußt ist – deshalb tat sie alles, um ausgelassene Party-Stimmung zu erzeugen.
Bei diesem Animations-Job halfen ihr acht leibhaftige Musiker, darunter mehrere Perkussionisten und ein cooler schwarzer Bassist, der die trockenen Schlagwerker hie und da mit explosiven Baßgranaten erschütterte. Stoisch spulten der Backbeat-Drummer und einer der Würz-Perkussionisten ihr Handwerk ab – ohne Fehler, aber auch ohne Überraschungen oder womöglich gar Spielfreude. Lisa hatte ihre Stimme schon bald gefunden und schonte sie nicht. Sie gab sich keinesfalls mit der Rolle der koketten, durchgestylten Pop-Soubrette zufrieden – sie startete durch als ambitionierte Soul-Diseuse. In besseren Momenten gelangen ihr mit Unterstützung von zwei kompetenten Background-Sängerinnen sogar vage Reminiszenzen an große schwarze Vorbilder.
Das hochmotivierte Publikum goutierte alle Schattierungen in Lisas schmalem Repertoire. Doch erst im Zugabenteil kam nach 70 Minuten die rechte Tanzboden-Euphorie auf. Denn dabei offenbarte sich die wahre Stärke
der Stansheld-Nummern: die Finesse der Songs, das paßgenaue und durchdachte Mosaik aus Philly-Sound, Soul und Dance-Pop und die gediegenen Refrains, die jeden Groove abrunden. „All Around The World“ beispielsweise funkelte wenigstens für ein paar Augenblicke mit dem Glamour, der den Designern der Show wohl vorschwebte. Auch Lisas Stimme wurde immer besser und ausdrucksstärker. Längst war da die Halle auf den Beinen: die Party-Post eins vollends ab, Ein echter Live-Act war das alles trotzdem nicht. Denn Lieschen Stanzfeld erschöpfte ihre Bühnen-Choreographie mit geschäftigem Hin- und Herlaufen und schien sich dabei selbst nicht hundertprozentig wohl zu fühlen. So schweifte die Aufmerksamkeit der Fans in den hinteren Reihen schon ab und zu mal ab. und man unterhielt sich angeregt übers Make-up des Stars. Aber da sowieso jeder die Platten im Ohr hatte, freute man sich eben schlicht und einfach nur darüber, die hübsche Lisa mit der respektablen Stimme in persona erleben zu können. Und das war’s dann auch schon. Nicht mehr und nicht weniger.