LITTLE FEAT


Wie sieht 1988 ein Little Feat-Publikum aus? Nun, im Prinzip genauso wie 1978 — nur ein bißchen älter, will sagen: kaum Jungvolk unter 25 gesichtet. Die harten Fans jenseits der 30er-Schallmauer hatten brav ihre alten Feat-T-Shirts aus dem Schrank geholt, hielten im Foyer begierig nach neuen Motiven (und so günstig nur 17 Dollar…) Ausschau und bejubelten „Layla“ oder Grateful Dead vom Pre-Concert-Tape. Kurzum: Eine grauslig dicke Nostalgie-Wolke schwebte über dem Ritz — und die „neuen“ Little Feat wären wohl auch mit einer drittklassigen Kopie einstiger Großtaten gefeiert worden.

Doch glücklicherweise gab es kaum Anlaß, die Zeile ….. your mind makes a promise that your body can’t fill.. .“(aus „Old Folks Boogie“) hämisch über die Band auzuschütten. Der stürmisch begrüßte Aufmacher „Fat Man In The Bathtub“ und das folgende Duo „Spanish Moon“/“Skin It Back“ wischten gleich berechtigte Vorab-Zweifel beiseite – der typische, immer leicht vertrackte Feat-Groove, den Drummer Richie Hayward und Bassist Kenny Gradney, angefeuert von Sam Claytons Conga-Salven, scheinbar so mühelos ausspucken, steht immer noch wie eine Eins. Das Hauptinteresse mußte sich natürlich auf die beiden Neuen konzentrieren: Fred Tackett versah als dritter Gitarrist brav Mannschaftsdienste und drängte nur mit seinem „Dixie Chicken“-Trompeten-Part ins Rampenlicht. Craig Fuller ersetzte so gut es eben ging den verstorbenen Lowell George, wobei ihm ein schon täuschend ähnliches Timbre zweifellos sehr dienlich war.

Der Kollektivcharakter, den Little Feat schon immer herauskehrten, wird mit dieser neuen Mannschaft jedenfalls noch verstärkt. Fuller, Paul Barrere und ein locker-lässiger Bill Payne teilen sich Ansagen und Scherze. Nur drei neue Songs, man möchte die treue Gemeinde ja nicht überfordern, schleichen sich in ein gutsortiertes „Best Of‘-Programm, das nahezu alle Phasen des Feat-Schaffens abdeckt. Billy Payne übernimmt bei „Oh Atlanta“ das Kommando, Allen Toussaints „On Your Way Down“ fehlt ebensowenig wie „Time Loves A Hero“ oder „Feats Don’t Fail Me Now“ — und der „Rock’n’Roll Doctor“ hat seine Praxis auch noch nicht geschlossen. Tja, und in der ersten Zugabe dann tatsächlich „Willin'“, wohl das größte George-Vermächtnis. Daß die Version eher blaß bleibt, spielt irgendwie gar keine Rolle. Für die Band selbst jedenfalls scheint es wichtiger zu sein, daß sie es überhaupt spielen können, daß Lowells früher Tod keinen allzu langen Schatten mehr auf die Gegenwart der Band wirft. Little Feat hätten auch 1988 ein jüngeres Publikum verdient.

JÖRG FEYER